Europäisches Parlament / EP-Abgeordnete wollen beim Wiederaufbau mitreden
Bei ihrer Sitzung in Brüssel forderten die EU-Parlamentarier am Mittwoch ein gleichberechtigtes Mitspracherecht beim Wiederaufbau der Wirtschaft in der EU. Vor allem, wenn es um die Finanzierung dieses Vorhabens geht.
Bei ihrem letzten Gipfeltreffen im April hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf geeinigt, die wegen der Corona-Krise eingebrochene Wirtschaft in der EU über einen Wiederaufbauplan wieder anzukurbeln. Wie dieser Plan aussehen und wie er finanziert werden soll, wie und zu welchen Bedingungen die damit verbundenen Gelder verteilt werden sollen, dazu sollte die EU-Kommission in den ersten Wochen dieses Monats Vorschläge vorlegen. Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern im Europäischen Parlament (EP) die Hauptpfeiler dieses Plans präsentierte, hatte der EU-Ratspräsident Charles Michel bereits einen Namen für das Vorhaben parat: „De-Gasperi-Plan“ sollte das Kriseninstrument heißen, benannt nach dem ehemaligen italienischen Premierminister und Gründervater Alcide de Gasperi.
Die finanziellen Mittel, die über einen dem Plan zugrundeliegenden Wiederaufbaufonds mobilisiert werden, sollen über den EU-Haushalt verteilt werden. Der Fonds soll zudem über das EU-Budget garantiert werden, was allerdings bedeutet, dass der kommende mehrjährige EU-Haushalt mit weitaus mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden müsste, als es manchen EU-Mitgliedstaaten lieb ist. Das gibt den EU-Parlamentariern die Möglichkeit, ein Mitspracherecht einzufordern. Das die EU-Kommissionspräsidentin den EP-Abgeordneten gestern umgehend eingestand. Für sie stehe fest, dass das EP „ein Mitspracherecht zum gesamten Aufbaupaket haben muss“, erklärte Ursula von der Leyen, für die die EU-Parlamentarier ein wichtiger Verbündeter bei den ebenfalls noch anstehenden Verhandlungen über den mehrjährigen EU-Haushaltsplan sind.
Von der Leyen hat auch einen Weg gefunden, wie das Mitspracherecht der EU-Parlamentarier beim Wiederaufbauplan gesichert wird. „Sämtliche Mittel für den Wiederaufbau werden über EU-Programme bereitgestellt“, erklärte sie. Und über die entscheiden die Parlamentarier über den Weg der Gesetzgebung mit.
Plan mit drei Pfeilern
Der Wiederaufbauplan umfasse drei Pfeiler, erklärte Ursula von der Leyen gestern weiter. Mit dem ersten und bedeutendsten Pfeiler sollen die Mitgliedstaaten bei ihren öffentlichen Investitionen und Reformen unterstützt werden. Dementsprechend wird hier der Großteil der finanziellen Mittel eingesetzt. Davon sollten jene Regionen profitieren, die am meisten von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise betroffen sind. Beim zweiten Pfeiler gehe es vor allem darum, private Investitionen zu fördern, etwa in der 5G-Technologie, sauberer Energie, aber auch bei strategischen Investitionen. So hat die Corona-Krise gezeigt, dass die Europäer in Sachen Beschaffung medizinischer Güter und Arzneimittel auf Importe aus Drittländern angewiesen sind. Beim dritten Pfeiler gehe es darum, „die Lehren aus dieser Krise zu ziehen“, aber auch unmittelbare Nachbarn sowie die internationale Entwicklungszusammenarbeit zu fördern.
Von den EU-Parlamentariern zumindest der großen Fraktionen kam hauptsächlich Unterstützung. Auch was die Ausrichtung der Verwendung der Gelder anbelangt, die den Mitgliedstaaten von der EU bereitgestellt werden sollen. „Wir können nicht zurückkehren zu einer Wirtschaft des 20. Jahrhunderts“, fasste es der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Dacian Ciolos, zusammen. Will heißen, dass vor allem Mittel für Investitionen in Zukunftssektoren wie Klimaschutz, Energie, Mobilität und Transport sowie die Forschung bereitgestellt werden sollen. Ursula von der Leyen meinte dazu, dass die nun gemachten Schulden auch von unseren Kindern bezahlt werden müssten. Daher sollten die Investitionen, die damit finanziert werden, auch deren Zukunft zugutekommen.
In einer Resolution, die heute verabschiedet wird, verlangen die EU-Parlamentarier, dass der Wiederaufbaufonds zwei Billionen (2.000 Milliarden) Euro umfassen soll. Der Fonds soll über durch den EU-Haushalt garantierte Anleihen gespeist werden.
Forderung nach mehr Eigenmitteln
Doch nicht alle sind zufrieden mit dem Wiederaufbauplan, den die EU-Kommission dabei ist, auszuarbeiten. Laut den Dokumenten, die er einsehen konnte, mache die Kommission „business as usual“, kritisierte der liberale Abgeordnete Guy Verhofstadt gestern. Sie würde „alte Tricks neu verpacken und schön dekorieren“, warf er Ursula von der Leyen vor. Die EU-Staaten wollten sich nicht mehr verschulden, indem sie größere Beiträge nach Brüssel überweisen, so der Belgier, der mehr Eigenmittel wie etwa eine Digitalsteuer für den EU-Haushalt forderte.
Unterstützung bei seiner Forderung erhielt Verhofstadt ausgerechnet vom Vorsitzenden der Linken-Fraktion im EP. Auch Martin Schirdewan warnte davor, dass die EU-Staaten in eine neue Schuldenkrise schlittern, wenn die Schuldenregeln wieder gelten würden. Er befürchtet, dass dann wieder bei Renten sowie Sozial- und Gesundheitsausgaben gekürzt wird. Zwar will der deutsche Linken-Politiker die Beiträge der EU-Staaten an den gemeinsamen Haushalt erhöhen, doch fordert er ebenfalls mehr Eigenmittel für das EU-Budget, unter anderem aus einer Finanztransaktionssteuer und einer „Vermögensabgabe des reichsten ein Prozent der europäischen Bevölkerung“. Was dem belgischen Liberalen allerdings weniger gefallen dürfte.
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