Gegen Greenwashing / EP-Abgeordnete wollen Taxonomie-Vorschlag der EU-Kommission kippen
Eine Allianz von fünf EU-Parlamentariern aus verschiedenen politischen Gruppierungen will den Vorschlag der EU-Kommission kippen, Investitionen in Gas- und Atomprojekte künftig als „nachhaltige Investitionen“ zu kennzeichnen.
Die Aufregung war groß, als die EU-Kommission am 31. Dezember des vergangenen Jahres die lang erwartete Ergänzung der sogenannten Taxonomie für nachhaltige Investitionen in der EU vorlegte. Wie von manchen befürchtet, hatte die Behörde Investitionen in Gas und Atomkraft-Projekte in die Klimataxonomie aufgenommen. Umweltschützer und Klimapolitiker liefen Sturm gegen den sogenannten „delegierten Rechtsakt“ aus Brüssel, der ohne Widerspruch von einer verstärkten qualifizierten Mehrheit der EU-Staaten oder aus dem Europäischen Parlament (EP) am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird.
Ausgeschlossen ist, dass sich 20 EU-Staaten finden, die sich gegen den Rechtsakt aussprechen. Im Gegenteil: Viele Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich, setzen auf Atomkraft, um die Ziele zu erreichen. Anreize für Investitionen in diesem Bereich sind daher sehr willkommen. Von Beginn an waren lediglich Luxemburg und Österreich die größten Gegner der Kommissionsentscheidung. Mittlerweile hat sich ihnen Deutschland angeschlossen. Das reicht aber längst nicht. Daher versucht nun eine Allianz von EU-Parlamentariern eine Mehrheit in der europäischen Volksvertretung gegen das Vorhaben zu mobilisieren. Bereits am kommenden Dienstag soll in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft und Umwelt im EP über eine entsprechende Resolution abgestimmt werden. Läuft alles gut, soll in der ersten Juli-Woche im EP-Plenum die definitive Abstimmung stattfinden.
Vor allem mit dem Krieg in der Ukraine haben sich nun die Voraussetzungen etwas geändert, insbesondere, was Investitionen in Gasprojekte anbelangt. So weist der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout darauf hin, dass Investitionen in LNG, also in Flüssiggas-Projekte, nicht in der Taxonomie berücksichtigt werden. Dabei seien es aber gerade solche Investitonen, die zurzeit dringend benötigt werden, da sich die EU-Staaten unabhängig von russischen Gaslieferungen machen wollen und dies vor allem mittels Flüssiggas geschehen soll. „Das zeigt, wie obsolet die Kriterien sind, die im delegierten Akt zur Taxonomie festgelegt sind, da LNG diese nicht erfüllt“, meint Eickhout.
Den EU-Parlamentariern geht es jedoch um Grundsätzliches. „Wir wollen nicht Missbrauch oder Greenwashing mit nachhaltigen Finanzen betreiben“, sagte gestern der luxemburgische EVP-Politiker Christophe Hansen in Straßburg. Ihre Ablehnung des Kommissionsvorschlags wolle jedoch nicht bedeuten, dass künftig kein Gas oder keine Atomkraft mehr gebraucht werde. Den EU-Staaten stehe es weiter frei, über ihren eigenen Energiemix zu bestimmen.
Mehrheit ungewiss
Paul Tang von der S&D-Fraktion wies seinerseits darauf hin, dass selbst gemäß den Vorgaben der „Internationalen Plattform für nachhaltige Finanzen“ Atomkraft und Gas nicht nachhaltig seien. Er betrachtet daher den delegierten Rechtsakt als „unwissenschaftlich und zutiefst politisch“ motiviert. Hier hätten Deutschland und Frankreich die Taxonomie mit ausgearbeitet, um ihre Transitionsprobleme im Energiebereich zu bearbeiten. Das Ergebnis wäre gewesen, dass die Abhängigkeit von russischem Gas und Uran gestiegen wäre, weshalb die russischen Unternehmen Gazprom und Rosneft entsprechende Lobbyarbeit betrieben hätten, so Paul Tang.
Allerdings können die fünf Abgeordneten, die gestern in Straßburg ihr Vorhaben vorgestellt haben, nicht abschätzen, ob sie eine Mehrheit für ihre Resolution in den eigenen Reihen haben werden. Neben den EVP-, S&D- und Grünen-Politikern versuchen auch die EP-Abgeordneten Emma Wiesner von der liberalen Renew-Fraktion und die Linke Silvia Modig aus Finnland ihre Fraktionen zu überzeugen. Es fehle „an guten und fairen Informationen“, viele EU-Parlamentarier aus den verschiedenen nationalen Delegationen wüssten nicht, um was es gehe, so Christophe Hansen. Er zeigte sich dennoch „sehr zuversichtlich“, dass eine Mehrheit gefunden werden könne. Sollte dies gelingen, müsste die Kommission ihren Vorschlag überarbeiten.
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