Weinlese / „Relativ genaue Punktlandung”: Luxemburger Winzer sind trotz Hitze und Corona optimistisch
Die Weinernte dieses Jahr steht unter einem besonderen Stern. Vor Ernteverlusten wegen der Hitze warnte erst kürzlich der Präsident der Domaines Vinsmoselle. Erschwerte Bedingungen für die Lese wegen Corona kommen hinzu. Bei den Privatwinzern ist davon wenig zu spüren. Sie bereiten sich auf die Lese vor und nehmen, was kommt.
Die zwei Flaschen Wein, die Henri Ruppert (51) im März insgesamt verkauft hat, sind mittlerweile ein „Running Gag“. Während des Lockdowns kamen kaum Bestellungen und Großveranstaltungen sind ausgefallen. Mittlerweile laufen die Bestellungen von Privatleuten wieder an. „Sogar sehr gut“, sagt der Schengener Winzer.
Er leert mit seinen Mitarbeitern gerade den Keller, um Platz zu schaffen, wenn die Lese losgeht. Sie steht unmittelbar bevor und bis dahin hat er viel zu tun. Da sein Aufenthaltsraum zu klein ist, um die Mindestabstände zu wahren, baut er ein Zelt für die insgesamt 19 Helfer auf. „Es ist gut durchlüftet und wir hoffen, so zu verhindern, dass sich jemand ansteckt“, sagt er.
13 der Helfer kommen aus dem benachbarten Frankreich, sechs sind Polen. Drei von ihnen sind bei Domaine Ruppert festangestellt und wohnen entweder in Luxemburg oder Deutschland. Die anderen drei reisen aus ihrer Heimat an und sind in Deutschland untergebracht. „Sie haben alle ein eigenes Zimmer und kommen mit den anderen drei zusammen in einem Bus täglich zum Weinberg“, sagt Ruppert. „Sie essen zusammen, wir bilden Gruppen, die die ganze Zeit unter sich bleiben.“ So lassen sich eventuelle Ansteckungsketten gut nachverfolgen.
300-400 Helfer kommen jedes Jahr
Die drei Mitarbeiter, die aus Polen anreisen, müssen einen negativen Coronatest vorweisen, der nicht älter als drei Tage ist. Für die Lese selbst sieht er keine Probleme. „Sie sind den ganzen Tag an der frischen Luft und arbeiten nicht dicht beieinander“, sagt Ruppert. 19 Hektar Weinberge wollen abgeerntet werden und er schätzt, dass es spätestens in der zweiten September-Woche losgeht.
Große Ernteverluste wegen der Trockenheit, wie sie jüngst der Präsident der Genossenschaft prognostiziert hatte, schließt Ruppert für sich aus. Er hat zwar verbrannte Trauben, aber nicht in großem Umfang. Eine „relativ genaue Punktlandung“ prognostiziert er sogar in puncto Menge für seine Domaine, was die Ernte angeht.
Aus dem veränderten Klima zieht er ganz andere Schlüsse. „Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass mit dem Klimawandel zunehmend viele Trauben gleichzeitig reif sind und geerntet werden müssen“, sagt Ruppert. „In den nächsten Jahren brauchen wir zur Ernte mehr Schlagkraft.“ Das heißt noch mehr Helfer.
Auf 300-400 schätzt Erny Schumacher die Zahl derer, die bislang jährlich bei den Privatwinzern mitlesen. Er ist seit 23 Jahren der Präsident der Privatwinzer im Land mit aktuell 52 Mitgliedern. Um die 13 Hektar Trauben auf seiner „Domaine viticole Schumacher-Lethal et fils“ in Wormeldingen zu ernten, kommen zehn Helfer aus Polen, die schon seit vielen Jahren für ihn arbeiten.
Er ist vorbereitet. Tests, Masken im Auto und Verpflegung in nötigem Abstand sind geklärt. „Beim Essen dürfen sie ja zu zehnt am Tisch sitzen“, sagt er. Die Unterbringung erfolgt wie bei vielen anderen Privatwinzern im Haus. „Sie übernachten zu zweit auf dem Zimmer“, sagt er.
Bei den Erntemengen gehen die Meinungen auseinander
Von keinem der Mitglieder – er ist naturgemäß gut vernetzt – hört Präsident Schumacher Sorgen, die ausländischen Helfer angesichts von Corona ins Land zu kriegen. Etwas aber ist dieses Jahr anders. „Es melden sich derzeit viele bei uns im Büro, die hier aus dem Land sind und helfen wollen“, sagt er. Die Kontakte stellt der Verband den Mitgliedern zur Verfügung, um im Fall der Fälle darauf zurückgreifen zu können.
Ein paar Kilometer moselaufwärts steht ein gelassener Abi Duhr (67) Rede und Antwort. Für seine Ernte auf zehn Hektar zwischen Wasserbillig und Schengen reisen normalerweise sieben Polen und drei Esten an. Er selbst und seine drei Angestellten helfen mit. „Ich habe mir noch keine großen Gedanken gemacht“, sagt er. „Wir sind sowieso meistens zwei Wochen später als die anderen mit der Lese dran.“ Frühestens ab dem 15. September will er anfangen. Eher später – je nach Wetter.
In Bezug auf Corona sieht er ähnlich wie Ruppert und Schumacher für die Lese selbst keine Probleme, weil die Abstände in den Weinbergen gewahrt bleiben. Das gilt ebenfalls für die Verpflegung. Bezüglich der Unterbringung knobelt er noch. „Normalerweise schlafen fünf Helfer bei mir in einem Anbau im Haus und fünf bei Bekannten“, sagt er. „Wenn wir die Abstände dort nicht wahren können, müssen wir noch Zimmer anmieten.“
Von 20-25 Prozent Ernteverlust wegen verbrannter Trauben durch die große Hitze, wie Schumacher sie für seine Mitglieder prophezeit, will er nichts wissen. „Es gibt Weltmeister darin, alles exakt berechnen zu können“, sagt er. „Ich kann das nicht, mit ist die Qualität wichtiger.“
Massenmäßig ist Riesling sein Hauptprodukt, 40 Prozent seiner Traubenernte werden dazu verarbeitet. „Das ist ein interessanter Wein“, sagt er. „Damit liegen wir weit über dem Durchschnitt.“ Seine Kollegen keltern im Schnitt bei 12 bis 12,5 Prozent der geernteten Trauben und machen daraus Riesling.
Kollege Henri Ruppert deckt hingegen die ganze Palette der Moselweinsorten ab wie Schumacher auch. Von Riesling über Auxerrois bis zu Pinot Gris finden sich 30 verschiedene Produkte auf seiner Preisliste. Trotz Corona und trotz Umsatzeinbußen war es für ihn ein erfolgreiches Jahr. Die „Grande medaille d’or“ auf der Vinalies in Paris nimmt er dieses Jahr gerne an. „Wir waren der beste Produzent in der Kategorie Süßweine“, sagt er. Wenn es gut geht, wird dies 2020 nicht die letzte Auszeichnung für seine Domaine sein. „Aber die wichtigste“, sagt er.
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Vor 14 Tagen waren sie angeblich noch alle quasi kurz vor dem Bankrott.