Rekrutierungstag in Remich / Erntehelfer beschäftigen: Was gilt es zu beachten?
Damit hatten die Veranstalter des „Jobday“ – das Weinbauinstitut mit Sitz in Remich sowie die „Agence pour le développement de l’emploi“ (ADEM) – wohl nicht gerechnet: Hunderte Arbeitsuchende hatten sich auf den Weg nach Remich gemacht, in der Hoffnung, eine temporär begrenzte Arbeitsstelle für die bevorstehende Weinlese in den Luxemburger Rebenhängen zu finden.
Um 13.00 Uhr sollten die Pforten des Weinbauinstituts für die Interessierten öffnen, bereits um 12.30 Uhr bildete sich eine fast hundert Meter lange Menschenschlange vor dem Gebäude. In einem Saal war alles bestens präpariert, rund ein Dutzend Tische waren installiert für die geplanten Speed-Dating-Sitzungen. Jacques Simon, in Vertretung des IVV-Direktors Serge Fischer, und sein Team sowie Julie Ransquin mit ihren Kollegen von der ADEM standen sichtlich ratlos und händeringend im Foyer und fragten sich: „Wie sollen wir diesen Ansturm bewältigen?“
Zehn Winzerbetriebe sowie „Ramborn Cider“ aus Born hatten sich zum „Jobday“ angemeldet, um den einen oder anderen Erntehelfer zu rekrutieren, eine Anzahl von Interessenten hatte sich diesbezüglich auch schon vorab bei der ADEM registriert, die meisten der draußen Anstehenden jedoch nicht. Den bedauernswerten Mitarbeitern der Veranstalter gelang es zusehends nicht, vor der Tür Ordnung zu schaffen, auch dann nicht, als Jacques Simon die Menschenmenge per Megafon darum bat, sich in Reih und Glied aufzustellen.
Das Szenario hatte Anklänge von „Sturm auf die Bastille“. Letzter Ausweg: Man beorderte die Polizei vor Ort, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Die örtliche Gendarmerie traf dann auch mit gleich zwei Einsatzfahrzeugen ein und in Windeseile ging es vor dem Eingang dann einigermaßen gesittet zu.
Sprachbarrieren vorprogrammiert
Drinnen hatten die Winzer bereits Platz genommen und dem ersten Schwung wurde Einlass gewährt. Die Jobsuchenden kamen aus aller Herren Länder, darunter erstaunlich viele Afrikaner, aber auch Syrer, sogar Asiaten und eine Handvoll Einheimische. Bei den Gesprächen mit den Winzern traten dann auch vielfach die ersten Probleme auf: Man war der in Luxemburg gebräuchlichen Sprachen nicht mächtig, die Englischkenntnisse waren nur rudimentär. Hinzu kam, dass die meisten Bewerber überhaupt keine Ahnung davon hatten, welche Art von Arbeit sie erwartet.
Die Winzer zeigten Fotos von ihren Weinbergen und erklärten, was dort zu tun ist. Auf Notizzetteln notierten sie den angedachten Arbeitszeitraum für die Weinlese, die täglichen Arbeitszeiten und die Höhe der Bezahlung, weil sie zumeist gar nicht verstanden wurden. Das hatte man sich einfacher vorgestellt.
Die teilnehmenden Winzerbetriebe waren auch größtenteils nur auf der Suche nach 2-3 zusätzlichen Mitarbeitern, da nahezu alle seit Jahren auf Stammpersonal zurückgreifen können, vornehmlich aus Polen, Rumänien oder dem grenznahen Frankreich kommend.
Verträge, Atteste, Vorschriften
Der behördliche Hürdenlauf zur Beschäftigung von Saisonarbeitern ist zudem nicht so ganz ohne. Wir nahmen Platz am Tisch des IVV, wo Christopher Simon uns detailliert Auskünfte gab über all das, was die Arbeitgeber zu beachten haben. Zunächst gilt es, einen Arbeitsvertrag auszustellen, beinhaltend die geregelten Arbeitszeiten, Gewährung von Urlaub sowie die Höhe des Gehalts. Aufgeführt werden muss zudem die Berechnung der Vergütung von Sachleistungen, wie z.B. Unterkunft und Essen. Des Weiteren muss der Kandidat ein ärztliches Attest bzw. ein vom Amtsmediziner ausgestelltes Tauglichkeitszeugnis vorlegen. Für das Fahren eines Schleppers oder Gabelstaplers z.B. (im Fachjargon „risikobehaftete Tätigkeiten“) ist zudem ein Sehtest obligatorisch.
Auch für die Unterbringung der Beschäftigten gilt ein strenges Reglement: Gesundheits- und Hygienekriterien müssen eingehalten werden. Es sind sogenannte Gemeinschaftsbereiche bereitzustellen wie Küche, Wohnraum und Bad und in einem Schlafzimmer dürfen nicht mehr als zwei Erwachsene untergebracht werden. Im vom Weinbauministerium bereitgestellten Merkblatt umfassen alleine die Unterkunftsvorgaben fünf DIN A4-Seiten. Hier ist sogar reguliert, wie viele Steckdosen ein Zimmer haben muss, weiter sind hierin die Mindestgröße eines Raumes und gar die Deckenhöhe vorgeschrieben. Letztlich sind die Arbeitnehmer bei der Steuerverwaltung anzumelden, da alle gesetzlich üblichen Abgaben wie Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung abgeführt werden müssen. Allen Beteiligten, also Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wird zudem dringend angeraten, notwendige Dokumente an der Arbeitsstelle, also vornehmlich im Weinberg, bereitzuhalten. Dies gilt im Besonderen für Beschäftigte aus Drittstaaten, also Angehörige eines Landes, das nicht zur EU gehört, die z.B. einen gültigen Aufenthaltstitel besitzen müssen. Des Weiteren ist die Beschäftigung dieser Personen umgehend dem Minister für Einwanderung mitzuteilen.
Schnelles Geld und keine Ahnung
Im Saal selbst ging es zu wie in einem Taubenschlag. Im Zehn-Minuten-Takt wurde 12 bis 15 Personen Einlass gewährt, eine Maßnahme, die den Überblick gewährleistete. Draußen kochte derweil die Volksseele – die Menge war zwischendurch auf schätzungsweise 400 Personen angewachsen – und die Beamten der Polizei riefen ein weiteres Mal zur Ordnung auf.
Wir suchten das Gespräch mit einem der Wartenden. Youssef aus Nigeria hatte den Tipp von Bekannten bekommen, sich allerdings nicht bei der ADEM registriert. Er hofft auf gutes, schnelles Geld im Herbst, hat aber auch keine Ahnung, geschweige denn Vorkenntnisse von dem, was man von ihm erwartet. In einem, dem IVV gehörenden Weingarten gleich neben der Zufahrtsstraße erklärten wir ihm die Tätigkeit des Erntehelfers im Weinberg und er meinte süffisant: „That sounds easy!“ Dabei hatten wir ihm noch nichts von den Steillagen erzählt. Alles in allem konnten wir vor Ort feststellen, dass die meisten Jobsuchenden hier mehr oder weniger unbedarft angetreten waren und die Winzer wohl auf schnelle Rekrutierungen gehofft hatten.
Nähren wir also gerne die Hoffnung, dass am Ende des Tages alle fündig geworden sind und man entspannt der Weinlese entgegenblicken kann.
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