Gesellschaft / Erste Senioren-WG kommt trotz Rückschlägen vorwärts
Die Idee, im fortgeschrittenen Alter als Wohngemeinschaft zusammen leben zu wollen, ist neu in Luxemburg. In Lorentzweiler gibt es das erste Projekt dieser Art im Land. Seit dem letzten Besuch des Tageblatt ist es trotz Rückschlägen und Corona weitergegangen. Drei weitere Wohneinheiten sind verkauft. Astrid Lauterbach (66) ist von Anfang an dabei und im Moment so beschäftigt wie nie.
Als Astrid Lauterbach von der Idee in der „Villa Lorenz“ erfährt, horcht sie auf und wird aktiv. Das war 2017. Mit Gleichgesinnten gründet sie ein Jahr später den Verein „Beienhaus“. Die „Bienen“ sollen die Idee, mit anderen Senioren zusammenzuleben und sich gleichzeitig ins eigene Reich zurückziehen zu können, verbreiten und ein Netzwerk aufbauen. „Ich bin im Moment so beschäftigt wie zu den Zeiten, als ich noch gearbeitet habe“, sagt sie. Nicht nur sie fragt sich: Alt und einsam, muss das sein?
Mittlerweile hat der Verein einen YouTube-Kanal, 300 Follower bei Facebook und zeigt demnächst Videoclips der Mitglieder zum Thema. Lauterbach managt unter den gegebenen Umständen der Corona-Krise das meiste von ihrem Haus in der Nähe der Stadt aus. Das Gebäude verströmt die Patina von 120 Jahren. Von außen mit Pflanzen umrankt, innen mit liebevoll sanierten Holzdielen und geschmackvoll zusammengestellten Möbeln ausgestattet ist es ein echtes Schmuckstück.
„Ich will mich nicht amüsieren lassen“
Kaum vorstellbar, dass sie sich freiwillig und offensichtlich ohne gesundheitliche Zwänge davon trennt. Und doch sind die Würfel gefallen. Sie ist eine der Ersten, die bei der Senioren-WG mitmachen will und eins der geplanten Apartments gekauft haben. Jahre nach dem Tod ihres Mannes vor 13 Jahren geht es los mit den Fragen. Sind das Heim, ein Rätselheft und Kaffeenachmittage zu festgelegten Zeiten alles, was im letzten Lebensabschnitt bleibt?
Spätestens als ihre Mutter ins Heim muss, weiß sie: Das will sie für sich nicht, solange es die Gesundheit erlaubt. „Ich will mich nicht amüsieren lassen, ich will noch ein spannendes Leben leben“, sagt sie. Wünsche wie dieser passen in ihre Biografie.
30 Jahre arbeitet sie in einem in Luxemburg ansässigen Chemiekonzern, reist geschäftlich quer durch Europa, die USA oder Japan. Mehrmals wechselt sie die Abteilung, arbeitet sich hoch. „Ich hatte nie Angst vor etwas Neuem“, sagt sie. Als sie vor neun Jahren pensioniert wird, nimmt sie ehrenamtlich einen Posten im Verwaltungsrat der Sozialorganisation „Femmes en détresse“ an.
Die passenden Bewohner zu finden, braucht viel Zeit
Nur das Alter hatte sie nicht vorbereitet. Die Aussicht darauf, dass ihre Kinder das Haus räumen müssen, wie sie es mit ihrem Bruder für ihre Mutter getan hat, findet sie grauenhaft. Sie wohnt seit 40 Jahren dort. Ein Vortrag von „Nouma“-Gründerin Emma Zimer vor drei Jahren gibt den Ausschlag. Der Verein begleitet Senioren auf dem Weg, mit anderen zusammenleben zu wollen.
Der Gedanke daran fasziniert Lauterbach. Der Weg dahin ist allerdings mühsam, braucht viel Vorlauf und einen langen Atem. Regelmäßige Treffen von Bewerbern, um auszuloten, ob es passt, viele Wechsel, einige geben auf oder entscheiden sich anders, rauben viel Energie. „Viele fangen zu spät an, sich dafür zu interessieren“, sagt sie. „Und je älter man ist, desto mehr fehlt die Kraft.“
Trotz Rückschlägen, ein Wechsel im Projektmanagement 2019 und die Corona-Krise 2020, die die bei diesem Anliegen so wichtigen persönlichen Kontakte erschwert, geht es weiter. Zu den vier Wohneinheiten, die nach der ersten „Porte ouverte“ 2019 schnell verkauft sind, kommen in den letzten Monaten drei weitere hinzu. Sogar Investoren entscheiden sich gegen das „Business as usual“ im Immobiliensektor und kaufen.
Investoren: von der Idee überzeugt
Das Ehepaar Boschmans-de Vuyst ist einer dieser Investoren. Das Eigentum in Lorentzweiler ist ihr Debüt auf dem Markt der Vermieter. Von den üblichen „Exposés“ haben sie viele gesehen und über Geld und Renditechancen genug geredet. Die Senioren-WG hat sie überzeugt, obwohl zahlreiche Bedenken an ihre Ohren gelangten.
Für die, die Immobiliengeschäfte, wie es üblich ist, abwickeln, klingt es „naiv“, dass sie nicht über den Mieter in ihrem Eigentum entscheiden. Das machen die Bewohner, denn es muss passen. „Für uns hat das nur Vorteile“, hält Erwin Boschmans (56) Bedenken wie diesen entgegen. „Ältere Menschen bleiben und wollen langfristig mieten, vor allem, wenn sie sich dort wohlfühlen.“
Die beiden gebürtigen Belgier aus dem flämischen Teil des Landes verkaufen 2013 ihr Modeunternehmen und wandern nach Luxemburg aus. „Wir haben mit unserem Campingwagen oft Urlaub hier im Land gemacht“, sagt Ehefrau Christel de Vuyst (56). „Wir fanden es schön hier, und nach dem Verkauf war klar, dass wir in Luxemburg unser Alter verbringen.“
„No risk, no fun“
Inzwischen sind sie Eigenheimbesitzer in Kehlen, haben die luxemburgische Staatsbürgerschaft angenommen und ein 60 Quadratmeter großes Apartment in der zukünftigen Senioren-WG gekauft. Neben der Aussicht darauf, häufigen Mieterwechseln zu entgehen, spricht in ihren Augen noch viel mehr für das Projekt: der gemeinschaftliche Charakter des Zusammenlebens, eine Lage mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Kombination von ökologischem Anbau und Denkmal-geschützter Villa.
„Neubauten gibt es hier genug”, sagt Boschmans. „Wir leben ja selbst in einem.“ Schützenswerte Bausubstanz sollte erhalten bleiben, findet er und sagt als Investor: „Wir wollen natürlich kein Geld verlieren, aber wir denken nicht zuerst an den Profit.“ Es geht um das gute Gefühl bei der Investition.
In das Haus hat sich auch Astrid Lauterbach verliebt. „Ich wollte nie nach Lorentzweiler“, sagt sie. „Aber als ich die efeuumrankte Villa gesehen habe, war die Sache für mich klar.“ Das Risiko, dass es schiefgehen könnte, ist ihr bewusst. „No risk, no fun“, sagt sie. „Und bei so einer Entscheidung muss man loslassen können.“ Sie wird sich von vielem trennen und von 120 auf 60 Quadratmeter verkleinern. Damit ist sie in guter Gesellschaft.
Die Senioren-WG
Der Holzneubau, der hinter der Villa Lorenz entsteht, wird nachhaltig gebaut. Dafür wird der bestehende Anbau abgerissen. Die Apartments sind zwischen 59 und 95 Quadratmeter groß. Elf Apartments werden in dem Neubau zur Verfügung stehen, ein weiteres entsteht im ersten Stock der Villa selbst. Die Räume im Erdgeschoss werden gemeinschaftlich genutzt. Sieben der insgesamt zwölf Wohneinheiten sind verkauft. Anfang 2019 haben die Planung für Renovierung und Neubau begonnen. Der Start für die Bauarbeiten soll jetzt im Mai 2021 sein. Der Bezug ist für 2023 geplant.
www.beienhaus.lu; www.nouma.lu
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„Kommt trotz Rückschläge vorwärts „? Seit Monaten tut sich absolut nichts. Ausserdem könnte die Lage dieser Senioren-WG für betuchte Rentner , unmittelbar an einer verkehrsreichen Hauptstrasse, nicht beschissener sein. In der Gemeinde Lorentzweiler, eine einzige Baustelle, wird abgerissen und gebaut, dass sich die Alteingesessenen nicht mehr wiederrkennen. Die Bevölkerung explodiert auf Kosten der Lebensqualität der Bürger. Lorentzweiler ist zu einer “ commune dortoire “ geworden auch wenn das Gemeindeoberhaupt dies vehement, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bestreitet.
et as en deiere Projet, dée schons ganz lang dauert, a villes ze klären war an as. D’Idee as Gutt. Awer et feelen bei dësem Pilotprojet wichteg décidiv Leit/Instanzen
Es gibt viele gute Ideen. Das Problem ist sie intelligent in die Realität umzusetzen.
In Corona-Zeiten würde ein Senioren-WG ebenso wenig für mich in Frage kommen wie eine sog. Senioren-Residenz. Das grösste Problem ist im Alter sowieso nicht die fehlenden Kontakte oder die Haushaltskosten, sondern die Finanzierung eventuell benötigter Pflege: Da kann man nicht die ebenfalls mehr oder weniger gebrechlichen Mitbewohner heranziehen, sondern benötigt jüngere Menschen, meist nur „erhältlich“ über einen professionellen Pflegedienst.