Fußball / Erwin Bradasch: „Wichtig, das Gefühl zu haben, dass der Vorstand den Trainer in Ruhe etwas aufbauen lässt“
Erwin Bradasch kennt man bislang eigentlich „nur“ als Teil des Gespanns, das er mit Ex-F91-Trainer Dino Toppmöller bildete. Inzwischen hat Letzterer einen Assistenzjob in Leipzig angenommen – und sein ehemaliger Wegbegleiter Bradasch einen Trainerposten beim CS Grevenmacher. Worauf sich der Deutsche beim Dienstantritt an der Mosel eingestellt hat, erzählt er im Tageblatt-Interview.
Tageblatt: Nach Ihrer Station in Virton wurde es still um Ihre Person. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?
Erwin Bradasch: In dem Job versucht man immer, sich ein bisschen weiterzubilden, dranzubleiben und sich viele Spiele anzusehen. Das geht jedem Trainer so, der keinen Job hat. Das Scouting bei Werder Bremen lief die ganze Zeit so nebenbei und das geht auch noch weiter.
In Luxemburg kennt man Sie als Co-Trainer von Dino Toppmöller. Ist es Vor- oder Nachteil, noch immer mit ihm in Verbindung gebracht zu werden?
So denke ich überhaupt nicht. Dino hat super Arbeit geleistet und ist nicht umsonst Co-Trainer bei RB Leipzig, einem absoluten Topverein in einer Topliga. Wenn man mit so jemandem in Verbindung gebracht wird, kann es gar nicht negativ sein. Er hat bisher überall nachweislich Erfolg gehabt. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Manchmal ist es eben so im Fußball, dass sich die Wege trennen. Momentan ist es der Fall. Dann muss jeder für sich abwägen, was das Beste ist. So ist es auch für mich gekommen. Ich wohne in der Nähe von Trier, deshalb passte Grevenmacher sehr gut. Im Moment ist das für mich eine interessante Aufgabe, auf die ich mich freue.
Sie waren 2014 bereits für einige Monate als hauptamtlicher Coach in Niederkail im Einsatz. Welche Erfahrungen haben Sie dort gesammelt?
Ich war damals Cheftrainer einer Bezirksliga-Mannschaft. Auf diesem Level war das schwierig … Das war eine Herausforderung.
Inwiefern?
Wenn nur sechs Spieler im Training erscheinen, sind die Bedingungen nicht so ausgelegt, dass man erfolgreich arbeiten kann. Da braucht man keinen Trainer, sondern es reicht ein Betreuer, der sich um die Trikots und die Bälle kümmert … Das, was die Trainerarbeit ausmacht, sprich sich beim Training Dinge zu erarbeiten, die man in Spielen anwenden kann, um sie erfolgreich zu gestalten, ist mit sechs Mann einfach nicht möglich. Ich habe schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Deshalb war für mich wichtig zu wissen, wie die Strukturen und Rahmenbedingungen in Grevenmacher sind.
Was haben Sie denn beim CSG vorgefunden?
Grevenmacher ist 2016 aus der BGL Ligue abgestiegen. Zuvor waren sie über lange Jahre relativ erfolgreich. Es handelt sich um einen Traditionsverein, der gute Strukturen aufgebaut hat. Die Infrastruktur ist für eine dritte Liga in Luxemburg hervorragend. Für mich war auch wichtig, das Gefühl zu haben, dass der Vorstand den Trainer dort in Ruhe etwas aufbauen und entwickeln lässt.
Zu der obligatorischen Frage: Wie unterscheidet sich der Trainerjob von dem des Assistenten?
Für mich ändert sich gar nicht viel. Lediglich nach außen trete ich jetzt als Cheftrainer auf und bin demnach eher in Kontakt mit der Presse. Die Zusammenarbeit mit Dino war immer so, dass wir die allermeisten Entscheidungen zusammen getroffen haben. Wir haben alles zusammen entschieden, von der Trainingsplanung über die Steuerung. Von daher ändert sich in der alltäglichen Arbeit für mich gar nichts. Das Einzige ist eben, dass ich jetzt ein paar zusätzliche Dinge in dieser Position wahrnehmen muss, wie eben mit der Presse oder mit dem Vorstand zu sprechen. Es kommen also Pflichten dazu.
Überlegt man es sich vielleicht zweimal, während einer Pandemie den Tabellensechsten der 1. Division in Luxemburg zu übernehmen?
Natürlich macht man sich allgemein in diesen Zeiten mehr Gedanken. Niemand weiß, wie und wann es wirklich weitergeht und wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Wir müssen das Beste aus der Situation machen. Der Ist-Zustand besagt, dass wir am 10. Januar das erste Meisterschaftsspiel bestreiten. Ob das wirklich so eintritt, kann niemand vorhersehen. Jeder weiß, dass Fußball die schönste Nebensache der Welt ist, aber es gibt Wichtigeres im Leben und auf der Welt. Das kommt gerade in solchen Zeiten ganz deutlich zum Vorschein.
Mit welchen Zielen werden Sie an diese Aufgabe herangehen?
Man möchte immer das Optimale herausholen. Bei dieser Aufgabe ist das nicht anders. Ein Verein wie Grevenmacher, mit dieser Tradition, hat das Potenzial, so schnell wie möglich aus dieser Liga rauszukommen. Das kann jeder neutrale Beobachter nicht anders feststellen. Es ist sehr herausfordernd und auch ungewiss. Man hat noch nie im Leben eine Vorbereitung Mitte Dezember gestartet und am 10. Januar noch nie Meisterschaftsspiele ausgetragen. Die Vorbereitung überhaupt, über Weihnachten und Neujahr, ist ungewöhnlich. Für alle ist es das erste Mal in dieser Situation. Man kann sowieso nichts richtig vorhersagen – und jetzt noch viel weniger, da vielleicht noch Dinge dazwischenkommen, an die man gar nicht denkt. Es kann alles passieren …
Hatten Sie schon die Möglichkeit, Ihr neues Team kennenzulernen?
Ich hatte mir das Pokalspiel gegen Käerjeng angeschaut. Es gab zwar viele Verletzte, aber ich habe mir so viele Informationen wie nur möglich eingeholt. Grundsätzlich ist Grevenmacher in fast allen Spielen der Favorit, sprich mehr Ballbesitz hat und auf tiefstehende Gegner trifft. Da liegt es nahe, dass wir als Mannschaft Lösungen mit dem Ball parat haben.
Wie werden die nächsten Tage und Wochen bezüglich des Trainings aussehen?
Bis zum 15. Dezember wird noch in Vierergruppen trainiert. Man kann nicht sagen, was danach passiert. Wir müssen die Planungen auf den Stand der Dinge ausrichten. Aber es kann ja sein, dass die neue Verordnung sagt, dass es noch drei Wochen so weitergeht. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob man am 10. Januar überhaupt starten kann, wenn man vielleicht bis dahin nur zweimal ein Mannschaftstraining gemacht hat.
Was bringt denn dieses Training in einer Vierergruppe?
Man kann tatsächlich einiges machen, auch taktisch. Im Fitnessbereich und technischen Dingen sowieso. Es gibt Möglichkeiten, sich sowohl für die Viererkette als auch für das Mittelfeld oder selbst die Stürmer etwas einfallen zu lassen. Wenn es allerdings noch lange so weitergehen würde, würde es eng werden. Aber im Moment kann man trotzdem abwechslungsreich arbeiten.
Noch mal zurück zum Anfang: Wie hat Dino Toppmöller auf Ihre neue Aufgabe reagiert?
Wir sind ja ständig in Kontakt und haben natürlich darüber gesprochen. Er ist überzeugt, dass diese Aufgabe für mich passt, gerade vom Verein und der Distanz her. Für mich ist das Gesamtpaket entscheidend. Als wir darüber geredet haben, hatte er ein gutes Gefühl, wie ich eben auch. Es waren andere Anfragen da, bei denen ich kein so gutes Gefühl hatte. Dino hat das genauso gesehen.
Werden Sie in Zukunft wieder als Duo zusammenarbeiten?
Ja, die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch.
Steckbrief
Erwin Bradasch
Geboren am 8. Januar 1981 in Darmstadt (D)
Stationen als Trainer: SG Niederkail (D/2014)
Stationen als Co-Trainer von Dino Toppmöller: SV Mehring (D), F91 Düdelingen, RE Virton (B)
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