Immigration / „Es ist ein Thema, das spaltet“: ASTI macht auf Situation von Migranten ohne Aufenthaltstitel aufmerksam
Die Organisation ASTI hat auf einer Pressekonferenz am Dienstag auf die schwierige Situation der Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung aufmerksam gemacht. Die Covid-Pandemie habe deutlich gezeigt, was es heißt, nicht über die vollen Rechte zu verfügen.
Unter dem Motto „Les ‚sans-papiers’ au Luxembourg: au delà des préjugés et des fantasmes!“ lud die ASTI („Association de soutien aux travailleurs immigrés“) am Dienstag zu einer Pressekonferenz ein. Der Slogan soll ein wenig Sachlichkeit in die Diskussion um die Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung hineinbringen, so ASTI-Präsident Evandro Cimetta. „Diese Migranten haben im Gegensatz zu uns keine oder nur wenig Rechte“, sagte er. In der Covid-Pandemie sei dies besonders aufgefallen. Wegen ihrer irregulären administrativen Dokumente seien diese Menschen gezwungen, schwarzzuarbeiten. „Dies konnten sie in der Pandemie nicht mehr tun. Sie hatten nichts mehr zum Essen. Die Grundrechte waren weg“, sagte Cimetta.
Das sind Ausdrücke, die voller Vorurteile stecken und menschenunwürdig sindASTI-Präsident
Der Präsident nahm die Terminologie unter die Lupe. Der Begriff „sans-papiers“ sei nicht der schlimmste Ausdruck, aber auch nicht sehr glücklich gewählt. Negativer konnotiert sei die Bezeichnung „illegal“. „Das sind Ausdrücke, die voller Vorurteile stecken und menschenunwürdig sind.“ Jeder Mensch sei legal, nur in den administrativen Vorgängen fehle ein Stückchen. Diese unvollständige Situation bringe für diese Menschen viele Probleme im Alltag mit sich. Deshalb habe man eine Broschüre herausgebracht, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen.
Es ist ein Thema, das spaltetASTI-Vorstandsmitglied
Jessica Lopes, Vorstandsmitglied der ASTI, betonte, dass die Broschüre es ermöglichen soll, mehr Fakten in die Debatte der sogenannten „sans-papiers“ hineinzubringen. „Es ist ein Thema, das spaltet“, sagte sie. In dieser Debatte sei die Terminologie nicht korrekt, oftmals würden Zahlen nicht stimmen, seien schlicht erfunden. Man sage den Migranten nach, dass sie vom System profitieren würden. In Wahrheit seien sie vor allem extrem in ihren Rechten beeinträchtigt.
Stigmatisierende Ausdrücke
Die Bezeichnung „illegal“ benutze man nur im Zusammenhang mit Migranten, und dies sei stigmatisierend. Der Begriff „sans-papiers“ sei in seiner Essenz nicht unbedingt negativ konnotiert, da viele Migranten sich selbst als solche bezeichnen würden. Dennoch sorge der Ausdruck für Konfusion, da er vermittele, dass diese Person überhaupt keine Papiere, also Dokumente, habe. Dies sei aber nur ganz selten der Fall. Die meisten Migranten würden laut Lopes durchaus einen Personalausweis oder eine Geburtsurkunde besitzen. Mit „sans-papier“ werde eigentlich bloß die „autorisation de séjour“, also die Aufenthaltsgenehmigung, gemeint. Es sind also Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung. Auf Amtsfranzösisch: „en situation administrative irrégulière“.
Wie viele „sans-papiers“ gibt es eigentlich in Luxemburg? Genaue Zahlen zu erheben, sei schwierig, so Lopes. „Manche leben versteckt.“ Die ASTI hat beispielsweise ihre „aide alimentaire“ an 450 Personen verteilt. Davon waren 160 Minderjährige. Im Jahr 2013 hatten alle Migranten ohne gültige Ausweispapiere in Luxemburg die Möglichkeit, ein Dossier zur gesetzlichen Anerkennung einzureichen. Ergebnis: 664 Dossiers kamen zusammen und 543 Personen konnten auf diese Weise ihre Papiere in Ordnung bringen. Manche Personen haben ihren Aufenthaltstitel im Laufe der Zeit verloren, sagte Lopes. Zum Beispiel ein Arbeiter, der seinen Job verloren hat, hatte fortan keine Möglichkeit mehr, seinen Aufenthaltstitel zu erneuern. Das Gleiche kann Studenten passieren, die ihr Studium unterbrochen haben.
Niemand steht morgens auf und fährt nach Luxemburg mit dem Ziel, vom hiesigen Sozialsystem zu profitierenASTI-Präsident
In der von der ASTI vorgestellten Broschüre werden fünf wahre Geschichten erzählt, um auf die Situation der Migranten ohne Aufenthaltstitel aufmerksam zu machen. „Darin werden unterschiedliche Fälle geschildert, um zu zeigen, dass die Gruppe dieser Migranten keineswegs homogen ist“, erklärte Lopes. Neben den Geschichten präsentiert ASTI in der Broschüre zwei wichtige Empfehlungen: Erstens die Einführung einer außerordentlichen Regulierungsmaßnahme für eine begrenzte Zeit, die prioritär für Personen gelten sollte, die bereits in Luxemburg leben. Zweitens die Änderung des Gesetzes vom 29. August 2008 über den freien Personenverkehr und die Einwanderung, um jene rechtsfreien Situationen auf ein Minimum zu reduzieren und somit sicherzustellen, dass keine Notwendigkeit mehr besteht, auf außerordentliche Regulierungsmaßnahmen, wie in der ersten Empfehlung beschrieben, zurückgreifen zu müssen.
Keine massive Einwanderungswelle
Evandro Cimetta präzisierte, dass die Einführung dieser zwei Maßnahmen keineswegs, wie viele befürchten würden, zu einer massiven Einwanderungswelle führen würde. Er nannte diese Angstvorstellung ein Trugbild. Migranten würden ihre Heimat nicht verlassen, weil es in Luxemburg solch ein „perfektes Sozialsystem“ gebe. „Niemand steht morgens auf und fährt nach Luxemburg mit dem Ziel, vom hiesigen Sozialsystem zu profitieren“, betonte er. Die Gründe für eine Auswanderung seien ganz andere und würden auf persönlichen Schwierigkeiten dieser Person im Auswanderungsland basieren.
Auch zur Impfung und zu den PCR-Tests hatten diese Migranten keinen Zugangpolitischer Direktor der ASTI
Sergio Ferreira, politischer Direktor der ASTI, schilderte die schwierige Situation der Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung während der Covid-Pandemie. Diese hätten auf kein soziales Netz zurückgreifen und keine Hilfen beziehen können. So entschloss sich die ASTI dazu, Essensgutscheine im Gesamtwert von rund 270.000 Euro an diese vulnerablen Personen zu vergeben. Das Geld sei komplett ohne öffentliche Mittel zusammengekommen, da die Behörden es abgelehnt hätten, sich daran zu beteiligen, sagte Ferreira. Mehr als ein Drittel der Gelder kamen demnach von der „Oeuvre Grande-Duchesse Charlotte“, weitere 20.000 Euro von der „Fondation Losch“ und der Rest durch eigene Spenden zusammen. „Auch zur Impfung und zu den PCR-Tests hatten diese Migranten keinen Zugang“, ergänzte Ferreira.
Kindheit und Jugend „ohne Papiere“
Maria Stankovic ist 21 Jahre jung, kommt ursprünglich aus dem Kosovo und hat vor wenigen Monaten ihre Aufenthaltsgenehmigung in Luxemburg erhalten. Der Weg dorthin war lang und mühsam. Große Teile ihrer Kindheit und Jugend verbrachte Stankovic in Luxemburg, ohne reguläre Aufenthaltsgenehmigung. 2012 kam sie mit ihren drei Schwestern und ihren Eltern nach Luxemburg. Sie ließen sich beim Außenministerium registrieren. 2014 wurde ihr Asylantrag abgelehnt. „Wir mussten Luxemburg verlassen“, erzählte Stankovic auf der ASTI-Pressekonferenz am Dienstag. „Wir hatten Angst, in den Kosovo zurückzukehren, da die Umstände dort nicht gut waren.“ Anwälte hatten versucht, die Ablehnung des Asylantrags zu stoppen, ohne Erfolg. 2016 wurde Stankovics Mutter erneut schwanger. Da sie Angst hatten, abgeschoben zu werden, verließen sie die Unterkunft für Flüchtlinge und zogen in eine private Wohnung, die sie auf dem Schwarzmarkt fanden. Der Besitzer der Wohnung bekam kurze Zeit später Angst vor rechtlichen Konsequenzen und setzte die Familie auf die Straße. Danach kam sie bei einem Freund des Vaters unter. Im Lyzeum folgte der nächste Rückschlag für Stankovic. „Mir wurde die Lehre dort verweigert, weil ich keinen Aufenthaltstitel besaß“, so die junge Frau. Die „Chambre des métiers“ annullierte ihre bereits angefangene Lehre wegen fehlender Papiere. Stankovic ging zurück zur Schule und machte dort eine Ausbildung. Die Familie wandte sich anschließend an die ASTI, die ihr weiterhalf. Vor wenigen Monaten bekam die Familie letztlich ihre Aufenthaltsgenehmigung.
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Wann ech Auto fueren ouni Führerschein sich ech illegal. Wann ech op d’Juegd gin ouni Juegdschein sich ech illegal. Wann ech net op d’Aarbecht gin an hun kee Krankeschein sin ech illegal. Wann ech als Wiert Alkohol un Jugendlecher ënnert engem Mindestalter verkafen sin ech illegal. Wann ech Drogen verkafen oder konsuméieren sin ech illegal. Wann ech mech op enger Plaz ophalen wou ech muss Identitéitspabeieren virweisen an ech hun keng, dann sin ech illegal. Wann ech iwwert eng Grenz gin ouni Pabéieren ze hun sin ech illegal an dat Land agereest. Dat sin alles kloer an déitlech Faktn an hun mat Stigmatiséierung iwwerhaapt näischt ze din. D’Madame Laura Zuccoli huet hiert verworren Gedankengut nawell gutt un méi jonk Nachfolger weidergin…