/ „Es kommt immer wieder“: Marc Scheer und der Bommeleeër-Prozess
„Wollen Sie auch ein Bier?“ – „Nein, danke. Espresso und Wasser wären mir recht.“ Marc Scheer geht aus dem Wohnzimmer, holt das Gewünschte und für sich ein Battin sowie ein Glas. Die Frühlingssonne scheint strahlend durchs Wohnzimmerfenster herein. Dann nimmt er wieder Platz am Tisch, unter dem sich sein Vierbeiner Elly gemütlich räkelt, und stellt sich den Fragen.
Heute auf den Tag genau vor sechs Jahren begann der sogenannte Bommeleeër-Prozess. Mittendrin Marc Scheer und sein Freund Jos Wilmes, angeklagt als Autoren, Co-Autoren und Komplizen bei den Attentaten. Zur Last gelegt wurde ihnen neben den Zerstörungen durch die Bomben unter anderem Brandstiftung und versuchter Mord in zwei Fällen. Verhaftet wurde Marc Scheer im Zuge der Ermittlungen am 23. November 2007. Die Nacht vom 23. zum 24. November verbrachten er und Jos Wilmes in Untersuchungshaft. Anschließend wurden beide vom Polizeidienst suspendiert. Mittlerweile ist der 64-Jährige in Rente, genauso wie Jos Wilmes. Einst gehörten beide der „Brigade mobile de la Gendarmerie grand-ducale“ an.
Wie geht es Ihnen sechs Jahre nach Prozessauftakt, Herr Scheer?
Marc Scheer: Ich sehe mittlerweile alles ein bisschen realistischer. Die Emotionen haben abgenommen.
Wie meinen Sie das?
Man denkt immer noch dran, redet drüber und macht sich Gedanken. Ich meine, das ist normal. Das wischt man nicht einfach so weg. Weder ich noch meine Familie. Das war ein riesiger Einschnitt für uns und hat uns alle gezeichnet. Heute sehe ich das wie gesagt ein bisschen anders. Der Prozess wurde gestoppt. Es gibt Zeugen, die sich im Verlauf des Prozesses verdächtig gemacht haben. Es stehen noch viele Fragen im Raum. Und dass in dem Zusammenhang weiter ermittelt wird, ist ja selbstverständlich. Wir hoffen, dass diese Ermittlungen zur Wahrheit führen. Jos Wilmes und ich wissen etwas, was die anderen nicht wissen und woran die noch zweifeln. Wir, Jos und ich, wissen, dass wir es nicht waren. Wir wissen aber nicht, wer es war und warum die Attentate verübt wurden. In sämtlichen Nachbarländern wurden damals Attentate verübt. Und warum sollte gerade Luxemburg verschont bleiben?
Träumen Sie vom Prozess?
Man wird nachts wach und es gehen einem zig Gedanken durch den Kopf. Habe ich etwas vergessen? Habe ich etwas übersehen? Kann ich mich an etwas nicht mehr erinnern, was wichtig wäre? Ich werde wach, dann verdränge ich das Ganze wieder für eine Weile. Aber es kommt immer wieder. Das ist Fakt.
Einmal haben Sie gesagt, dass wenn Sie zum Einkaufen in den Supermarkt gehen würden, die Menschen Ihren Caddy in Augenschein nehmen. Ist dem immer noch so?
(lacht) Ganz so ist es nicht mehr. Manchmal werde ich noch erkannt. Aber das passiert weniger oft als früher. Ich bin ja auch nicht mehr jeden Tag in der Zeitung zu sehen oder im Fernsehen. Meine „Popularität“, die ja nicht selbst verschuldet war, fängt an, abzunehmen. Und das ist gut so. Es ist wesentlich ruhiger geworden. Ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen nicht mehr so sehr für den „Bommeleeër“ interessieren. Aber vielleicht trifft das auch nur auf meinen Freundeskreis und meine Verwandten zu. Die haben die Nase gestrichen voll und können das Thema nicht mehr hören. „Et ass eng Staatsaffär, déi ni däerf opgekläert ginn“, hatte Prosper Klein, der ehemalige Strafrichter und Untersuchungsrichter, ja im Rahmen des Prozesses gesagt.
Die „Brigade mobile“ im Jahr 1979 mit Ben Geiben (1.v.l.), Jos Wilmes (3.v.l.), Marcel Weydert (4.v.l.), Marc Scheer (2.v.r.) und Jos Steil (1.v.r.)
Aber das kann ja nicht in Ihrem Sinne sein, oder?
Wenn der Prozess weitergehen sollte, wären wir natürlich gerne freigesprochen. Abgesehen davon, ob wir jetzt Schadenersatz bekommen würden oder nicht. Wenn es weitergeht, hätten wir gerne einen Freispruch, etwas anderes kommt für uns nicht infrage. Wir waren es nicht und wir wissen auch nicht, wer es war.
„Et war awer net keen“, sagte der Generalstaatsanwalt …
Es gab die Attentate und es gab Attentäter. Wir wissen nur, dass wir es nicht waren.
Wie haben Sie die Attentate als Mitglieder der „Brigade mobile de la Gendarmerie grand-ducale“ damals überhaupt erlebt? Es fanden Attentate statt, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzten. Und der Luxemburger Staat stand dem scheinbar völlig machtlos gegenüber.
Das ist eine gute Frage. Da wird sehr viel hochgespielt. Es wurde immer gesagt, die „Brigade mobile de la Gendarmerie grand-ducale“ saß an der Quelle. Das war aber nicht der Fall, wir wussten nichts. Die, die Bescheid wussten, waren einzig und allein die Ermittler. Wir waren nicht informiert darüber, was die Ermittler taten, was sie wussten und welchen Spuren sie nachgingen. Wir hatten andere Missionen, waren weiterhin im Bereich Personenschutz aktiv, nahmen Verhaftungen vor, trainierten und bekamen mitgeteilt, wann, wo und wie welche Patrouillen etwas zu machen hätten, um gegebenenfalls sofort an und Ort und Stelle zu sein. Eine andere Mission hatten wir nicht. Es ist also nicht so, dass wir etwas mit den Ermittlungen zu tun hatten. Wir waren völlig außen vor und nicht im Bild, auch wenn es immer so dargestellt wurde. Wir wussten auch nicht, und das möchte ich betonen, was unsere Chefs Jos Steil oder Pierre Reuland machten.
Fühlen Sie sich als Opfer oder als Sündenbock?
Ich habe damals ein paar Dummheiten erzählt, als ich bei den Verhören gesagt habe, „dat waren de Jos an ech“ und dass Jos Wilmes gesagt hätte „Scheer, maach weider“. Ich habe später dann versucht, all das klarzustellen.
Fühlen Sie sich als Opfer?
Ja!
Und Jos Wilmes?
Bei ihm ist es genauso. Er hat sich zurückgezogen und will von Gott und der Welt nichts mehr wissen, um es mal so zu formulieren.
Und wenn Sie sich treffen, gibt es nur ein Thema, oder?
Natürlich sprechen wir über den „Bommeleeër“, aber nicht nur.
Das heißt, Sie haben eine Art Haltung dazu gefunden?
Ja, so könnte man es bezeichnen. Es ist aber permanent da.
Speziell jetzt?
Speziell jetzt.
Die Gedanken kreisen also ständig darum …
Ja, so ist es. Ich möchte jetzt aber nicht irgendwie auf die Tränendrüse drücken oder rührselig rüberkommen. Mein Kampfgeist ist immer noch da und intakt. Und es ist auch nicht so, dass ich jetzt sage, „lieber Gott, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Aber er könnte mir schon einmal unter die Arme greifen.“ (lacht und wird dann wieder ernst) Toll ist das beileibe nicht. Es ist einfach scheiße! Man muss irgendwie damit umgehen oder besser gesagt umgehen können.
Wie war das eigentlich während des Prozesses und wie haben Sie sich auf die Sitzungen vorbereitet?
Gar nicht, denn das ging gar nicht. Was hätten wir tun sollen, Ihrer Ansicht nach? Es wurden stets Zeugen gehört und es war nichts absehbar. Wir haben immer so gut es ging auf die Fragen, die uns gestellt wurden, versucht zu antworten. Der Wahrheit entsprechend und nach unserem Wissensstand.
Wie haben Sie den 25. Februar 2013 erlebt, den Tag des Prozessauftakts?
Da geht man dadurch wie ein Roboter. Ich hatte zuvor noch nie etwas mit der Justiz zu tun. Man weiß überhaupt nicht, was auf einen zukommt. Man ist angeklagt und es werden Anschuldigungen erhoben, mit denen man nichts zu tun hat. Es ist, wie wenn eine Ameise sich einem Berg nähert und dieser Berg ist gerade dabei, zu rutschen. Ich habe mich unsicher gefühlt. Obwohl ich mir nichts vorzuwerfen hatte und habe, hatte ich richtig Angst.
Dem gegenüber stand diese ganze Solidarität: Ihre Familie, Ihre Freunde, Verwandte und Ihre Arbeitskollegen. Wie sahen die den Prozess?
All die, die mich gut kannten, wussten, dass ich „Blödsinn verzaapt hunn“. Normalerweise ist es bei mir so, dass ich nur zehn oder zwanzig Minuten ernst sein kann, dann muss ich etwas vom Stapel lassen. So bin ich halt gestrickt. Ich habe mir das ziemlich abgewöhnt. Manchmal ist es aber stärker als ich. Meinen Humor, der mich in Teufels Küche gebracht hat, habe ich aber nicht verloren. Zumindest nicht ganz. Einer, der mich kennt, weiß, dass es Blödsinn war. Aber einer, der mich nicht kennt, der ist natürlich mit zwei Füßen auf diese Aussagen gesprungen.
Ursprünglich wollten Sie Förster werden. Da die Aussichten auf eine Stelle aber nicht die besten waren, beschlossen Sie, Gendarm zu werden, oder?
Genau so war es. Das war aber neu für mich. Doch die Armee, das hat mich immer interessiert. Die Armee, das war schon eine elegante Lösung. Es war eine tolle Zeit. 1975 kam ich dann zur „Brigade Luxembourg“ und 1979 zur „Brigade mobile“, die Ben Geiben gegründete hatte.
Haben Sie noch Kontakt zu Ben Geiben?
Ich habe keinen Kontakt mehr zu Ben Geiben, seit er nicht mehr Chef bei der „Brigade mobile“ war.
Wie war er als Chef?
Hand aufs Herz: Er war der beste Chef, den ich je hatte. Er konnte die Leute motivieren und sorgte für den nötigen Zusammenhalt. Da er, im Gegensatz zu anderen Offizieren, nicht die Karriere gemacht hat wie andere, wusste er manchmal genau, von was er sprach.
Und seine Homosexualität …
Davon wussten wir lange Zeit nichts. Das erfuhr ich erst viel später und fiel damals aus allen Wolken. Und überhaupt! Es mag sein, dass das damals für andere ein Problem war, für uns aber nicht.
Sechs im Visier der Justiz
Gegen sechs weitere Personen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen beantragt. Deshalb wurde der Prozess am 2. Juli 2014 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Aloyse Harpes:
(Jahrgang 1928) war vom 2. Oktober 1985 bis zum 16. Oktober 1988 Kommandant der Gendarmerie. Zuvor stand er an der Spitze der Polizei.
Pierre Reuland:
Der zweite Generaldirektor der „Police grand-ducale“ wurde im Januar 2008 im Zuge der Ermittlungen in der Affäre „Bommeleeër“ infolge des ihn schwer belastenden Brandbriefs von Staatsanwalt Robert Biever an den ehemaligen Justizminister Luc Frieden (CSV) seines Amtes enthoben. Reuland, Jahrgang 1957, war zur Zeit der Attentate Kommandant der „Brigade mobile“ und somit Nachfolger von Ben Geiben. Seit dem 1. Oktober 2014 ist er in Rente.
Guy Stebens:
Der ehemalige Generalsekretär der „Police grand-ducale“ wurde im Januar 2008 im Rahmen der Ermittlungen in der Bombenleger-Affäre und infolge des Brandbriefs von Staatsanwalt Robert Biever an Luc Frieden seines Amtes enthoben. Zuletzt war er beim „Haut-Commissariat à la protection nationale“ (HCPN) beschäftigt. Auch er hat mittlerweile seine Pensionsansprüche geltend gemacht.
Marcel Weydert:
Weydert war Mitglied der ersten Stunde der „Brigade mobile“. Seine Laufbahn bei der Gendarmerie begann am 31. Oktober 1977. Weydert war zuletzt „Commissaire en chef“ bei der „Police judiciaire“.
Armand Schockweiler:
Schockweiler war einst Direktor der „Sûreté“, der heutigen „Police judiciaire“. Seine Karriere bei der Polizei beendete er als „Premier commissaire divisionnaire“ bei der „Inspection générale de la police“.
Charles Bourg:
Der Bruder des 2003 verstorbenen Abgeordneten Willy Bourg (CSV) war zunächst Bezirkskommandant in Luxemburg-Stadt und anschließend in der Gendarmerie Operationsleiter und Stellvertreter von Aloyse Harpes. Nach dessen Pensionierung avancierte er zum Chef der Gendarmerie. Bourg war erster Generaldirektor der „Police grand-ducale“, nachdem Polizei und Gendarmerie am 1. Januar 2000 fusioniert hatten.
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Se brauchen dach all nëmmen d’Wourecht ze soën an dann sinn se hier Lascht lass! Et war net keen!
Vill Gebraddels, awer näischt Konkrtese. Si hu just Krich gespillt an déck getéint. A wéi ët driwwer hier gang ass, wousst kee vu näischt.
Gladio and Go between is back.
Dovu geet emol net riets. De Code, déi militäresch Ziler, asw. Den Deckel bleiwt op der Affär!
Hosen runter, Karten auf den Tisch! Aber mittlerweile gibt es schon welche, die keine Hose mehr brauchen und andere, die nicht wissen, dass sie eine haben. In ein paar Jahren wird sich die brisante Angelegenheit sowieso biologisch gelöst haben. Und die “ Herrschaften“ haben ihren Spass gehabt.
Wann werden endlich Harpes und Prinz Jean vor Gericht verhört ?
Ennerem Teppech ass nach ë bësschen Plaatz ??