Editorial / Es wird Zeit, umzudenken
„Schön und traurig zugleich ist, dass viele Menschen noch eine hohe Identifikation mit dem Verein haben. Diese ist aber eher in der Vergangenheit gelagert, denn diese Menschen haben Probleme mit der Gegenwart ihrer Vereine“, sagte Hardy Grüne in einem am Montag mit dem Tageblatt geführten Interview. Der deutsche Fußballhistoriker bereiste in den vergangenen zwölf Monaten Luxemburg und führte Gespräche mit vielen Menschen, deren Herz für Fußball schlägt. Darunter waren Köpfe der hiesigen Szene, aber auch Protagonisten, die in der Vergangenheit diesen Sport hierzulande geprägt oder mitgestaltet haben.
Auf der einen Seite konnte Hardy Grüne die neue Fußballbegeisterung im Land entdecken, die durch die Nationalmannschaft ausgelöst wurde. Auf der anderen Seite begegnete er vielen Menschen, die mit ihren Vereinen nicht mehr viel anfangen können.
Ein Blick auf den ersten Spieltag der BGL Ligue kann diese Verdrossenheit durchaus erklären. Die 16 Mannschaften boten insgesamt 56 Spieler in ihrer Startelf auf, die in Luxemburg das Fußball-ABC gelernt haben. Das heißt anders ausgedrückt, dass in jeder Startformation 3,5 Spieler standen, die einen direkten Bezug zum Land haben. Dass so eine geringe Anzahl von einheimischen Sportlern nicht jedermann gut finden kann, ist durchaus verständlich.
Fußball ist ein Sport, der von der Identifikation lebt – wird immer gesagt. Dass sich ein Luxemburger Fußballanhänger stärker mit einem Spieler von Bayern München als mit einem Akteur der Jeunesse Esch identifizieren kann, ist aber genauso unbegreiflich.
Nun, wo liegt denn jetzt eigentlich das Problem? Wahrscheinlich liegt es irgendwo zwischen dem Portemonnaie der Vereine und den Köpfen der Entscheidungsträger.
Während Jahren hat eine Regelung, die den Einsatz von lokalen Spielern fördert, die Gehälter der besten einheimischen Kicker in die Höhe getrieben. Das hat dazu geführt, dass immer mehr günstige ausländische Arbeitskräfte die BGL Ligue überflutet haben. Diese Regelung wurde jedoch vor zwei Jahren abgeschwächt. Die Nachwehen sind wahrscheinlich noch zu spüren, aber der Wert eines lokalen Spielers müsste eigentlich in den Keller gegangen sein. Trotzdem wurden mehr und mehr mittelmäßige Spieler aus den Nachbarländern verpflichtet. Und hier sind wir dann bei den Köpfen der Entscheidungsträger angekommen. Anstatt einen Franzosen aus der sechsten Liga zu holen, wäre es vielleicht angebracht, ein Talent aus den unteren lokalen Ligen zu holen und ihm etwas Zeit zu geben, sich zu entwickeln. Über kurz oder lang würde eine solche Vorgehensweise mit Sicherheit wieder zu mehr Identifikation mit dem Verein führen und für mehr interne Zufriedenheit sorgen.
Aber auch das ist keine Garantie, um wieder mehr Leute ins Stadion zu locken. Erfolg steht nicht über allem, aber ist ein sehr wichtiger Faktor. Denn wer identifiziert sich schon mit einem Verein, der absteigt und fast alle Spiele verliert? Das tun ehrlich gesagt nur Fußballromantiker und davon gibt es keine Tausende in Luxemburg.
Der Fußball hierzulande steckt in einem Dilemma. Es gibt wahrscheinlich keine Lösung, die alle Probleme beseitigt und den Zuschauer wieder ins Stadion bringt. Zeit zum Umdenken sollten sich die meisten Vereinsverantwortlichen aber trotzdem nehmen.
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