Gemeinderat / Esch ist und bleibt bunt: Konsens über eine „Maison de la diversité“
Die Stadt Esch setzt ein starkes Zeichen gegen die Diskriminierung. So wird eine „Maison de la diversité“ entstehen. Zudem zementierte der Gemeinderat am Donnerstag die Solidarität mit der LGBTIQ-Gemeinschaft.
Recht entspannt ging es am Donnerstag im Escher Gemeinderat zu. Spätestens nach einem freudschen Versprecher von Bruno Cavaleiro (CSV) war alle Anspannung gelöst und die Diskussionen wurden mitunter humorvoll geführt, was durchaus bereichernd war, selbst bei den ernsten Themen. Meinungsverschiedenheiten gab es dennoch, vor allem in Sachen kommunale Wohnungsbaugesellschaft.
Zunächst aber wurde über die Erstausgabe des „Observatoire social“ debattiert. Für den Sozialschöffen Christian Weis (CSV) ist Esch weit von einer Gentrifizierung entfernt. Allgemein fehle es an sozialer Durchmischung. Mit 28.000 Arbeitsplätzen sei Esch zwar der zweite große Arbeitspol im Land, jedoch würden lediglich 13 Prozent der Escher auch in Esch arbeiten. Im Umkehrschluss stellt sich also die Frage, warum die Menschen hier arbeiten, aber nicht hier leben möchten, so Weis. Weitere Erkenntnis: Zwar bekam Esch durch das neue Viertel Belval eine neue Identität, aber das Zentrum profitiere nicht davon. Nicht neu ist zudem die Erkenntnis, dass Esch nach wie vor erste Anlaufstelle für Immigranten sei.
Laurent Biltgen („déi Lénk“) thematisierte die hohe Fluktuation in der Einwohnerschaft. Das müsse stabilisiert werden, was nur mit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu bewerkstelligen sei. Vera Spautz (LSAP), Daliah Scholl (DP) und Mandy Ragni („déi gréng“) machten darauf aufmerksam, dass sich der Bericht auf Vor-Corona-Zeiten beziehe und der nächste wesentlich alarmierender auszufallen drohe. Für Spautz zeige der Report, wie sehr die einzelnen Thematiken miteinander verknüpft seien. Daher regte die frühere Bürgermeisterin die Schaffung eines Zukunftstischs mit Bürgerbeteiligung an. So könne man definieren, welche Themen prioritär angepackt werden sollten. Man müsse aufpassen, dass die Entwicklung der neuen Stadtviertel „Rout Lëns“ und Esch-Schifflingen nicht auf Kosten der sozial Schwachen im Zentrum geht. Bruno Cavaleiro sieht durch den Bericht die aktuelle Politik des Schöffenrats bestätigt. Übrigens auch beim „Schutz der Einfamilienhäuser“, in anderen Worten bei der restriktiven Handhabung von Wohngemeinschaften im allgemeinen Bebauungsplan PAG. Das Zentrum dürfe nicht noch dichter besiedelt werden, so Cavaleiro.
Ein Ort des Zusammenseins und des Dialogs
Einigkeit auf der ganzen Linie herrschte derweil bei zwei Punkten, die die Toleranz Eschs unterstreichen. Als erste Stadt des Landes bekommt Esch eine „Maison de la diversité“. Eigentlich wollte der Schöffenrat das Projekt in der nächsten Gemeinderatssitzung am 9. Juli vorstellen, damit hätte man mitten in der Pride Week (3.-11.7.) ein wichtiges Zeichen gesetzt, so Schöffe Pim Knaff (DP). Mit einer Motion kam die LSAP dem Schöffenrat aber zuvor. Mit ihr soll die Solidarität mit der LGBTIQ-Gemeinschaft zementiert werden. Die „Maison de la diversité“ wird am Brillplatz beheimatet sein. Und zwar dort, wo früher das Friedensgericht war, neben dem Resistenzmuseum. Es soll als Ort des Zusammenseins und des Dialogs sein, wie Christian Weis unterstrich. „Es ist ein kleines Café geplant, allerdings wird es kein Ort für politische, gewerkschaftliche, religiöse oder kommerzielle Veranstaltungen“, so der Sozialschöffe. Das Projekt werde jetzt ausgearbeitet und soll in der Budgetvorlage für 2021 verankert werden.
Mit der Proklamation Eschs als „LGBTIQ Freedom Zone“ kam der Gemeinderat einem Wunsch der Vereinigung „Rosa Lëtzebuerg“ nach, während anschließend die Motion der LSAP angenommen wurde. Zuvor hatten sowohl Mike Hansen (LSAP) als auch Pim Knaff deutliche Worte gegen die „allgegenwärtige Diskriminierung“ gefunden. Was momentan in Ungarn und Polen geschehe sei ein Skandal und dass diese Regierungen auch noch von der EU Geld verlangen, um ihre diskriminierende Politik umzusetzen, sei eine „Riesen-Sauerei“, so Hansen.
Kommunale Wohnungsbaugesellschaft
„Jamais deux sans trois“ gilt derweil für das Projekt der Renault-Niederlassung an der rue de Belval. Mit der Verlegung des Luxemburger Hauptsitzes nach Esch sollen rund 100 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch diesem Vorhaben wurde nun grünes Licht gegeben. Kontrovers ging es dann aber zum Abschluss der Sitzung zu. Im Mittelpunkt stand Martin Kox („déi gréng“), der eine eher unglückliche Figur abgab. Von Vera Spautz bekam der Erste Schöffe der Gemeinde die Leviten gelesen, weil es in einer kurzfristig anberaumten Kommissionssitzung vom Mittwoch keine Vorstellung des nächsten Bauabschnitts in den „Nonnewisen“ von Kox gab und er auch noch verfrüht die Sitzung verließ. „Das ist eine respektlose Haltung gegenüber den Kommissionsmitgliedern“, so Spautz. Fakt ist, dass die Gemeinde die nächsten 41 Wohneinheiten von der „Société nationale des habitations à bon marché“ (SNHBM) bauen und verkaufen lassen will. Das habe sich aus dem Mund von Stadtarchitekt Luc Everling anfangs der Woche noch anderes angehört, bemerkte Stéphane Biwer (LSAP). Seine Partei enthielt sich folgerichtig bei der Abstimmung.
Das war aber erst der Beginn, denn beim nächsten Tagesordnungspunkt unterstrich Martin Kox, dass der Schöffenrat Abstand von der Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft genommen hätte, obwohl dieser Punkt im Koalitionsabkommen aufgeführt war. Der Aufbau würde zu lange dauern, zudem könnten „Fonds du logement“ und SNHBM das besser, so Kox: „Es ist sinnvoller, den zuständigen Gemeindedienst zu stärken.“ Für die LSAP bedeutet das nichts anderes, als dass die Gemeinde sich aus ihrer Verantwortung stiehlt. „Wir müssen die Wohnraumproblematik viel aggressiver angehen. Da hilft es nicht, zwei zusätzliche Beamte einzustellen“, stellte Stéphane Biwer fest. Ziemlich erbärmlich fand er das Vorgehen, Vera Spautz sprach von einer Blamage für den Schöffenrat, der die Verantwortung an einen Koordinator abgeben würde.
Probleme beim Wechsel des TV- und Internetanbieters
Am 1. Juli übernimmt „Südstroum“ die Telekommunikationsaktivitäten der Gemeinde und wird dann Anbieter von TV, Internet und Festnetztelefon. In den letzten Tagen häuften sich Beschwerden von Kunden bei der Gemeinde, dass der Übergang vom bisherigen Anbieter Eltrona zur Südstroum nicht ganz reibungslos verlaufe. Details u.a. über die Kommunikation dazu wollte Jeff Dax (LSAP) zum Schluss der Sitzung vom zuständigen Schöffen André Zwally (CSV) erfahren. Da allerdings kein Punkt „Divers“ auf der Tagesordnung stand, antwortete Zwally nicht.
Plusbus für Senioren ab dem 15. Juli
Nach dem Flexi-, dem „Gaalge“- und dem Sport- und Kulturbus kommt nun der „Plusbus“ für Senioren. Das Konzept des „Plusbus“ wird ab dem 15. Juli ein halbes Jahr lang getestet. Benutzen können ihn Senioren ab 65 Jahren sowie Jüngere mit einem Behindertenausweis. Allerdings ist er nicht zu vergleichen mit dem Adapto-Service, wie Schöffe André Zwally präzisierte. Der Plusbus fährt montags bis samstags von 9.00 bis 19.00 Uhr, bei größeren Veranstaltungen wie z.B. einer „Nuit de la culture“ auch länger. Der von einem Elektromotor angetriebene Bus bringt den Nutzer von Tür zu Tür. Die Fahrt kann bis zu sieben Tage im Voraus reserviert werden und kostet 2 Euro. Sämtliche Fraktionen unterstützen das Konzept, wobei man sich bei der LSAP die Frage stellt, warum sich die Gemeindeverantwortlichen beim Plusbus nicht der Kostenlosigkeit des öffentlichen Verkehrs in Luxemburg angeschlossen haben.
In den Startlöchern steht zudem der fahrerlose Bus, der durch die Alzettestraße verkehren soll, wie Bürgermeister Georges Mischo (CSV) am Rande verriet. Er soll nächste Woche der Öffentlichkeit vorgestellt werden. „Dann wird es an Fahrzeugen nur noch diesen in der Alzettestraße geben“, kündigte Mischo an. In anderen Worten: Die repressive Phase des seit Jahresbeginn geltenden Fahrradverbots in der Einkaufsmeile wird eingeläutet.
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Oh Mischo Total iwwer Fuedert Dann kontrolleier du Velo Mol an de Uelzecht Stross Alles Theorie 😂😂😂😂
Die „Maison de la diversité“, die böse „Gentrifizierung“ sowie eine „allgegenwärtige Diskriminierung“ der LGBTIQ-Community als ganz heisse Eisen und Probleme ersten Ranges für Esch. Ich schätze mal, da ist eine angerostete Kleinstadt mit grosser Vergangenheit und ungewisser Zukunft mit beachtlichem Tempo in Richtung „Berliner Verhältnisse“ unterwegs. Fehlen nur noch ein paar brennende Strassenbarrikaden.