/ „Et gëtt vill Chichi, mee nëmmen ee Chiche“: Besuch im neuen Lokal auf Limpertsberg
Das Leben des beliebten sozialen Pop-up-Restaurants „Chiche!“ in Hollerich wurde auf unbegrenzte Zeit verlängert. Das libanesische Lokal hat sich in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Pizzeria an der Hausnummer 20 in der avenue Pasteur auf Limpertsberg niedergelassen. Die Einrichtung mit besonderer Liebe zum Detail in Verbindung mit der orientalischen Speisekarte macht den Besuch zu einer Reise für die Sinne.
Jede Ecke des 500 Quadratmeter großen Restaurants hat ihre Bestimmung, jeder Gegenstand seine Geschichte. Die Einrichtung ist bunt und zusammengewürfelt, aber nicht durcheinander. Die Atmosphäre laut, aber ohne Lärm und die Gerüche der Gewürze aus fernen Ländern regen schon beim ersten Einatmen den Appetit an.
Die Einrichtung, die von der luxemburgischen Künstlerin Isabelle Dickes stammt, sieht nicht nur schön aus. Es steckt ein durchdachtes Konzept dahinter. Über der Eingangstür hängt ein Mobile aus alten Schlüsseln. „Sie symbolisieren die Migration und die Heimat, die diese Menschen hinterlassen haben.“ Menschen, die aus Syrien, Eritrea, Tansania, Serbien oder anderen Ländern kommen und jetzt im „Chiche!“ arbeiten. An der linken Wand sind zerschnittene Türen durcheinander wieder angebracht.
Menschen eine Chance geben
Die Türen stammen aus dem alten Gebäude, in dem das „Chiche!“ sich früher befand. Das Haus dort wird abgerissen und Isabelle Dickes wollte einigen Objekten ein neues Leben schenken. Die Schlüssel und die Türen symbolisieren die neue Chance, die den Flüchtlingen durch die Arbeit im „Chiche!“ geboten wird.
Das „Chiche!“ wurde 2017 von Marianne Donven, Pitt Pirrotte, und Chadi Bekdach ins Leben gerufen. Das Konzept: Menschen, denen es schwerfällt, Arbeit zu finden, den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern. Chadi, der 2015 aus Syrien nach Luxemburg kam, war von Anfang an bei dem Projekt dabei und leitet das Restaurant. Seine orientalischen Köstlichkeiten prägen die Speisekarte, die erneuert und erweitert wurde.
Der Weg übers Meer
Ein Teil der Wand neben den Türen ist mit der grünen Retrotapete verziert, die das alte Lokal ausgemacht hat. „Ein Wiedererkennungsmerkmal, damit sich die Kunden sofort wiederfinden“, erklärt Dickes. An der rechten Mauer, kurz vor dem Empfang, hängen mehrere Bilder, auf denen das Meer abgebildet ist. Die Künstlerin und Stilistin hat dabei an den Weg gedacht, den die Flüchtlinge hinter sich haben. Fast alle sind übers Meer gekommen.
Das „Chiche!“ in der Escher Straße in Hollerich war anfangs als vorübergehendes Projekt geplant. „Dank des riesigen Erfolgs konnten wir uns anmaßen, jetzt ein Lokal von 500 Quadratmetern aufzumachen“, so Pirrotte . Denn das Restaurant war von Anfang an immer voll. „Wir haben lange nach einem Ersatz für das Lokal in Hollerich gesucht“, sagt Pitt Pirrotte. Dass die Pizzeria auf Limpertsberg frei wurde, war ein glücklicher Zufall, denn kleiner werden sollte das „Chiche!“ nicht. „Dann hätten wir Personal auf die Straße setzen müssen und das war keine Option“, so Pirrotte.
Das ist auch am neuen Standort nicht anders: „Seit wir am 19. Oktober geöffnet haben, hatten wir jeden Abend 200 Gäste oder mehr“, sagt Pirrotte. Seit Anfang November hat das Restaurant auch in der Mittagsstunde geöffnet. Dazu musste sich das Team am neuen Ort erst einarbeiten, denn mittags muss alles viel schneller gehen als am Abend. In den nächsten Wochen soll auch das Take-away-Fenster für die Limpertsberger Schüler öffnen, die dann Falafel oder Schawarma, ein arabisches Fleischgericht, mitnehmen können. „Wir bieten auch vegetarische und vegane Gerichte an. Die junge Generation weiß das zu schätzen“, sagt Pirrotte.
Wie ein Haus aufgebaut
„Die Migranten wurden von der Musik gerufen“, erklärt Dickes ihren Ideengang bei der Einrichtung weiter. „Sie reisen um die Welt, auf der Suche nach einem Punkt, an dem sie sich niederlassen können.“ Diese Musik wird durch die alten Partituren hinter der Bar symbolisiert. Dickes stellt sich vor, wie Meerjungfrauen im offenen Meer rufen. Die Lichter der Bar bestehen aus verschiedenen Globen. Dahinter zaubert Tom Herber am Abend kreative Cocktails, die zum After-Work einladen.
Das gesamte Restaurant ist wie ein Haus aufgebaut. Der riesige Raum ist in verschiedene Zimmer aufgeteilt. Es gibt das Wohnzimmer, das Esszimmer, die Küche, den Garten und ein Zelt. „Das alles so einzurichten, dass es zusammenpasst, war eine echte Herausforderung und hat mich viel Zeit gekostet“, sagt Dickes. Ihr Konzept geht auf: Wer öfter im „Chiche!“ isst, kann sich jedes Mal fühlen, als sei er in einem anderen Restaurant, nur weil er in einer anderen Ecke sitzt. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken.
Inzwischen arbeiten 35 Personen im „Chiche!“. Am alten Standort waren es zuerst 30. „Wir planen, noch mehr einzustellen“, sagt Chadi, der gerade in der Küche dabei ist, das Mittagessen vorzubereiten. Diese ist jetzt viel größer als zuvor und bietet dem Chefkoch mehr Möglichkeiten, sich auszuleben.
Einrichtung mit Geschichte
Isabelle Dickes hat sechs Monate vor der Eröffnung angefangen, Gegenstände und Möbelstücke für ihr Gesamtkunstwerk zu sammeln. Dazu war sie teilweise auf Flohmärkten. Zudem bekam das Restaurant einige Spenden. „Es ist eine Mischung aus alten Dingen und solchen, die aufgewertet wurden. Jedes Teil soll seine Geschichte erzählen“, sagt sie. Nur die Tapeten sind etwas zeitgenössischer und umrahmen das Gesamtbild.
Neben den Türen stammen noch ein paar andere Gegenstände aus dem alten Lokal. Zum Beispiel das Gitter des Balkons, das mindestens aus dem Jahr 1910 stammt und nun den „Garten“-Raum vom „Wohnzimmer“ trennt. Der alte Balkon fügt sich in das Bild ein, als wäre er nie irgendwo anders gewesen.
Außergewöhnliche Gerichte
„Die verschiedenen Orte in diesem riesigen Raum müssen miteinander kommunizieren. Keiner darf dem anderen die Show stehlen“, sagt die gelernte Stilistin, die in Brüssel studiert hat. Dickes hat lange fürs Kino gearbeitet und Schauspieler angekleidet. „Für mich ist es das gleiche Prinzip. Es ist egal, ob ich Menschen oder Wände kleide“, sagt sie. Die Farben des „Chiche!“ hat sie nach orientalischem Muster ausgesucht, sie inspirieren sich an den dort genutzten Gewürzen.
Der mittlere Teil des Restaurants ist von einer flexiblen Trennwand aus Stroh umgeben. Darin hängt eine Lichterkette herab, wie in einem Zelt. Es ist eine besonders gemütliche Ecke, in der sich der Gast geborgen fühlt. Dieser Teil kann je nach Belieben anders eingeteilt und für Hochzeiten oder Geburtstage genutzt werden.
Außergewöhnliche Gerichte wie Lamm-Hoden, Gehirn, Leber oder Zunge laden im „Chiche!“ zum Entdecken ein und stellen für den einen oder anderen vielleicht eine köstliche Herausforderung dar. Weniger Abenteuerlustige bleiben bei Chadis libanesischen Klassikern wie Schawarma, Hummus oder Falafel. Unter den frisch zubereiteten Speisen ist für jeden etwas dabei. Und was die Restaurant-Landschaft im Großherzogtum angeht, ist sich Pitt Pirrotte sicher: „Et gëtt vill Chichi, mee et gëtt nëmmen ee Chiche!“
Chiche kommt nach Esch
Der Süden des Landes kann sich freuen. „Chiche!“ kommt nach Esch. Das Haus ist bereits angemietet. Der zweite Standort des libanesischen Restaurants zieht in die Hausnummer 125 in der Alzette-Straße. Darüber entstehen Zimmer, in denen die Flüchtlinge einziehen können, bis sie sich eigenständig etwas aufbauen können. Wann genau Eröffnung gefeiert wird, steht noch nicht fest. Es wird wohl Anfang des Jahres so weit sein, wenn die letzten administrativen Hürden genommen sind und wenn sich das Team auf Limpertsberg eingespielt hat. Isabelle Dickes sammelt jedenfalls schon fleißig Möbelstücke und Gegenstände, um das kleine Lokal einzurichten. Das Escher „Chiche!“ wird ungefähr 80 Quadratmeter groß sein und Arbeit für fünf weitere Personen bieten.
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