Alternativwirtschaft / Etika: Die erste Plattform für Crowdfunding im Luxemburg
Wo Projekte am traditionellen Banking mit einem Kredit scheitern, kommt Etika ins Spiel. Seit 27 Jahren finanziert die NGO in Luxemburg sozialökologische Vorhaben. Viele haben dazu beigetragen, die Welt ein bisschen besser zu machen. Die erste Crowdfunding-Plattform erweitert das „Portfolio“. Seit Mittwoch, 12. Juni, ist sie mit einem konkreten Projekt online.
„Wir sind in der Tat die ersten im Land mit Crowdfunding“, sagt Pedro Antunes (43). Er ist seit drei Jahren bei Etika, hat die Plattform entwickelt und bringt Erfahrungen aus der Fondsindustrie mit. Die NGO will damit ausdrücklich lokal bleiben und richtet sich an die luxemburgische Öffentlichkeit für ein Projekt im Land.
Das erste Projekt startet mit Nyki auf der Plattform. Die 2018 gegründete „Société d’impact sociétal“ (SIS) in der Hauptstadt hilft Schülern zwischen sechs und 20 Jahren, schulische Lücken zu schließen. Die Webseite der SIS ist voll des Lobes von Schülern und Eltern. Der Bedarf ist da.
27 Prozent der Jugendlichen in Europa haben Schwierigkeiten in mindestens einer der drei folgenden Disziplinen: Mathematik, Wissenschaft oder Lese- und Schreibverständnis. Das geht aus dem „Education and Training Monitor 2022“ der Europäischen Kommission für Luxemburg hervor.
Nachhilfe unabhängig vom Einkommen
Das Besondere bei Nyki: Normalerweise können sich nur Gutverdiener die Einzel- oder in Kleingruppen gehaltenen Stunden bei einem der 15 Tutoren leisten. Die Preise variieren zwischen 38 und 57 Euro – je Einheit und je nach schulischem Level. Bei Nyki haben auch sozial schwache Eltern eine Chance mit ihren Kindern.
Sie zahlen einen reduzierten Preis. 60 Schüler haben allein im Jahr 2023 die Dienste in Anspruch genommen. „Es war mir ein Anliegen, dass auch Kinder aus finanziell schlechter gestellten Elternhäusern eine Chance auf Förderung haben“, sagt Laure Talavet-Omont (29), die Gründerin. Das ist aber nicht das einzig Spezielle.
Sie setzt mit dem Einzel- und Kleingruppenunterricht vor allem auf Methoden zum Lernen. Das ist in ihren Augen essenziell. Wenn Fragen wie „Wie lerne ich richtig?“ oder „Was für ein Lerntyp bin ich?“ beantwortet sind, geht es mit dem Lernstoff schnell aufwärts. Daraus ist die Idee zur „Learn’box“ entstanden.
Lokale Plattform für lokale Projekte
Das pädagogische Material enthält Lernmittel, die Kindern dabei helfen sollen, effizient die Lücken auszugleichen, weil es personalisiert ist. 30.000 Euro braucht es, um die ersten 300 Exemplare der „Box“ auf den Weg zu bringen und zu vermarkten. Das Crowdfunding aller bei eticrowd veröffentlichten Projekte läuft exakt einen Monat.
Die Plattform hat mehrere Besonderheiten. Etika nimmt keine Kommission auf die gespendete Summe, wie andere Plattformen auf dem Markt. Bei Ulule.fr, Kisskissbankbank.fr oder startnext.com sind nach Angaben von Etika zwischen fünf und 15 Prozent üblich. Die Projekte selbst werden sorgfältig geprüft und von der NGO begleitet. Sie müssen sozial und/oder ökologisch orientiert sein. Maximal drei Crowdfunding-Kampagnen wird es pro Jahr geben.
Mit der gründlichen inhaltlichen Arbeit und der sorgfältigen Auswahl der zu finanzierenden Projekte hat die NGO seit Jahren Erfolg. 300 Projekte, darunter der Biohändler und -produzent Naturata oder „Life asbl“, die Wohngemeinschaften fördert und dafür Gebäude kauft, hat sie im Laufe der letzten 27 Jahre mit rund 100 Millionen Euro unterstützt und auf den Weg geholfen.
Ergänzung zum „alternativen Sparkonto“
„Wir unterstützen per se Wirtschaftsformen, die die Ressourcen für morgen garantieren“, sagt Julian Bernstein (42), Projektleiter bei Etika, zum Selbstverständnis der Organisation. Mit dem „alternativen Sparkonto“ und der Zusammenarbeit mit der „Spuerkeess“ ist bereits ein erprobtes Instrument vorhanden. Das Modell ist so einfach wie wirkungsvoll.
Rund 1.000 Sparer verzichten aktuell mit Einlagen in Höhe von 54 Millionen Euro auf am Markt geltende Zinsen. Sie bekommen weniger auf ihre Einlagen als jeweils üblich ausgezahlt. Die „Spuerkeess“ zahlt aber den am Markt üblichen Zins. Mit der Differenz finanziert Etika Projekte.
Bei der Sparsumme kommen jährlich zwischen vier und zehn Millionen Euro zusammen, mit denen Projekte zinsgünstig gefördert werden. Warum jetzt Crowdfunding? „Es schließt eine Lücke“, sagt Bernstein. Die „Lücke“ sind kleinere, weniger Kapital verschlingende, aber dennoch in den Augen von Etika sinnvolle Projekte wie beispielsweise die „Learn’box“.
An den Fall, dass nicht genug Geld über die Crowd zusammenkommt, glaubt derzeit keiner. Die Auswahl ist sehr sorgfältig, ein unübersichtliches Gewühl an Projekten wie woanders wird es bei eticrowd nicht geben. Außerdem ist unerschütterlicher Optimismus am Werk. Das scheint sich auszuzahlen. Das Nyki-Projekt hat in weniger als 24 Stunden bereits 5.040 Euro zusammen.
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