Außenministerrat / EU droht Moskau mit „hohen wirtschaftlichen Kosten“
Die EU-Außenminister haben bei ihrer Ratstagung gestern in Brüssel Russland mit harten Maßnahmen gedroht, sollte die Führung in Moskau es nicht mehr nur beim Schüren von Spannungen in der Grenzregion zur Ukraine belassen und tatsächlich militärisch in das Land einrücken. Nur am Rande wurde die Frage eines eventuellen politischen Boykotts der Olympischen Winterspiele in China aufgeworfen.
Der militärische Aufmarsch russischer Truppen an der ukrainischen Grenze und die damit vom russischen Präsidenten Wladimir Putin absichtlich provozierten Spannungen in der Region beschäftigten gestern die Runde der EU-Außenminister. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, die EU-Staaten seien sich weiter darin einig, die Ukraine bei der Wahrung ihrer Souveränität und territorialen Integrität zu unterstützen. „Jede Aggression gegen die Ukraine wird politische Konsequenzen und hohe wirtschaftliche Kosten für Russland haben“, drohte der Spanier. Konkrete Maßnahmen wurden allerdings noch keine in die Wege geleitet. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn zieht es vor, dass vorerst geredet und verhandelt wird. „Mit militärischen Mitteln wird die Ukraine-Krise nicht gelöst“, meinte er und warnte dennoch davor, dass ein Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu einer „totalen wirtschaftlichen Isolation“ Russlands führen könne.
Der luxemburgische Außenminister wies darauf hin, dass beim Gipfelgespräch zwischen Putin und dem US-Präsidenten Joe Biden Letzterer angeboten habe, der Kreml könne seine Sorgen vorbringen. Zudem könne das sogenannte Normandie-Format (Gespräche zwischen Russland, Ukraine, Deutschland und Frankreich) wieder aktiviert werden. „Das hängt aber vom politischen Willen ab“, so Jean Asselborn, der daran erinnerte, dass es 1975 in Zeiten des Kalten Krieges möglich war, sich auf eine Sicherheitsarchitektur für Europa zu einigen. „Russland sagt jeden Tag, dass es nicht vorhat, die Ukraine anzugreifen. Find’ ich gut!“, meinte der luxemburgische Außenminister. Es bedürfe jetzt des politischen Willens, das hinzubekommen. Die Spannungen an der ukrainisch-russischen Grenze werden ebenfalls das am Donnerstag stattfindende Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel beschäftigen, sagte Josep Borrell.
Russland sagt jeden Tag, dass es nicht vorhat, die Ukraine anzugreifen. Find’ ich gut!Luxemburgs Außenminister
Sanktionen wurden gestern dennoch von den 27 EU-Außenministern verhängt, und zwar gegen die russische Söldnertruppe „Wagner-Gruppe“. Die Truppe sei „für schwere Menschenrechtsverstöße in der Ukraine, Syrien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik, Sudan und Mosambik verantwortlich, darunter Folter und außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen und Tötungen“, heißt es in der entsprechenden EU-Verordnung. Insgesamt acht Personen, drei Unternehmen sowie die Söldnertruppe selbst sind von den Sanktionen betroffen. Sie werden mit Einreisesperren in die EU belegt, zudem werden ihre Vermögen in der EU eingefroren.
Olympische Winterspiele und Afghanistan
„Unterschiedliche Haltungen“ gibt es in der Frage eines politischen Boykotts der Olympischen Winterspiele in China, erklärte die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Das Thema sei nur am Rande der Tagung erörtert worden. Die Grünen-Politikerin plädierte aber für eine möglichst einheitliche Haltung der EU-Staaten. Die jedoch schwierig zu erreichen sein wird. Denn Litauen hat sich bereits entschieden, es den USA, Großbritannien, Australien und anderen Staaten gleichzutun und keine politischen Vertreter zu den Spielen nach Peking zu entsenden. Jean Asselborn seinerseits bevorzugt die französische Haltung. Die Europäer sollten sich in China einbringen und Themen wie die Menschenrechte, die Unterdrückung der Uiguren oder den Verbleib der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai vor Ort zur Sprache bringen, so der luxemburgische Außenminister.
Mit dem katarischen Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani sprachen die 27 über Afghanistan. Katar spiele „eine strategische Rolle im Umgang mit der Situation in Afghanistan“, sagte Josep Borrell. Über das Land wird einerseits die Evakuierung von afghanischen Ausreisewilligen, andererseits die humanitäre Unterstützung für Afghanistan abgewickelt. Die EU wolle künftig nicht nur für Gehälter von Lehrern und Ärzten in Afghanistan zahlen, die EU-Kommission werde zudem die Umsiedlung von 40.000 Menschen aus Afghanistan vorbereiten, sagte Jean Asselborn. Er hatte bereits Ende August in einem Interview die Forderung erhoben, die EU solle in etwa so viele Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen. Luxemburg habe seit der Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban am 15. August 54 Menschen aus Afghanistan aufgenommen, so der Außenminister. Die Prozeduren für weitere Aufnahmen würden laufen.
Sanktionen gegen Wagner-Gruppe
Der Wagner-Gruppe, eine Södnertruppe, die auch schon mal als „Russlands Schattenarmee“ bezeichnet wird, werden schwere Menschenrechtsverstöße in verschiedenen Konfliktregionen der Welt vorgeworfen. Unter den acht Einzelpersonen, die gestern von der EU mit Sanktionen belegt wurden, ist unter anderem Dmitri Walerjewitsch Utkin. Der ehemalige Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU wird als Gründer der Wagner-Gruppe angeführt. Ihm werden unter anderem Folter sowie außergerichtliche Tötungen vorgeworfen. Im Juni 2017 soll er persönlich angeordnet haben, einen syrischen Deserteur zu Tode zu foltern. Daran könnte Stanislaw Jewgenijewitsch Dyschko beteiligt gewesen sein. Zumindest wird ihm von der EU eine solche Tat im syrischen Gouvernement Homs im Juni 2017 vorgeworfen. Zu den Sanktionierten zählt ebenfalls Waleri Nikolajewitsch Sacharow, ein ehemaliges Mitglied der russischen Staatssicherheit FSB, er war unter anderem Sicherheitsberater in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Dort habe er sich „schwerer Menschenrechtsverstöße“ wie etwa außergerichtlicher Tötungen und Hinrichtungen schuldig gemacht. Er soll ebenfalls für die Ermordung von drei russischen Journalisten im Jahr 2018 in der ZAR verantwortlich sein, die dort über die Aktivitäten der Söldnertruppe recherchiert hatten.
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