Steuerdeals vor Gericht / EU-Kommission verliert nun auch im Fall Fiat/Luxemburg
Die EU-Kommission hat bislang nicht sonderlich viel Erfolg bei ihrem Vorgehen gegen als illegal erachtete Steuerdeals multinationaler Konzerne. Nach Apple und Amazon darf nun auch Fiat Chrysler jubeln.
Während vieler Jahre hatte Luxemburg, wie auch andere europäische Länder, großen internationalen Konzernen attraktive Steuerdeals angeboten, um sie dazu zu bewegen, ins eigene Land zu kommen. Nach der Finanzkrise von 2008 war diese Praxis immer mehr ins Visier der Kritik geraten. Die Frage lautete nicht mehr, ob das Vorgehen legal sei, kritisiert wurde vor allem die Moral hinter den Deals. So wurde es, in Zeiten steigender Staatsschulden, als nicht mehr hinnehmbar angesehen, dass manche Länder großen Konzernen halfen, ihre globale Steuerlast zu verringern. Mit den im Rahmen des LuxLeaks-Skandals (2014) veröffentlichten Steuervorbescheiden war das Thema ins Licht der Öffentlichkeit geraten.
Unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit nahm sich die EU-Kommission des Themas an. „Steuervorbescheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang. Sie sind illegal“, erklärte die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager damals. „Alle Unternehmen, kleine wie große, multinational oder auch nicht, müssen ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen.“
Zu den ersten konkreten Fällen, bei denen die Europäische Kommission „selektive Steuervergünstigungen“ erkannte, „die gegen das EU-Beihilferecht verstoßen“, zählten Fiat Finance in Luxemburg und Starbucks in den Niederlanden. „In beiden Fällen wurde der Steuerbetrag, den das Unternehmen entrichten musste, durch einen von der betreffenden nationalen Steuerbehörde erteilten Steuervorbescheid künstlich verringert“, schrieb sie im Oktober 2015. In beiden Fällen ordnete die Kommission daher an, dass die Länder „die nicht entrichtete Steuer einfordern müssen, um die von den beiden Gruppen in Anspruch genommenen unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen und die Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, wiederherzustellen“. Jedes der beiden Unternehmen müsste etwa 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen.
Weitere Untersuchungen und Prüfungen von anderen individuellen Steuerdeals folgten. So kam die Brüsseler Behörde beispielsweise im August 2016 zu dem Schluss, dass Irland dem Unternehmen Apple unrechtmäßige Steuervergünstigungen von bis zu 13 Milliarden Euro gewährt hatte. Noch ein Jahr später erklärte sie, dass Luxemburg Amazon unzulässige Steuervergünstigungen von rund 250 Millionen Euro gewährt habe.
Von Apple bis Amazon
Die große Mehrheit der damals von der Kommission angeordneten Steuernachzahlungen landeten vor Gericht. Bisher mit eher wenig Erfolg für die Brüsseler Behörde. Mitte Juli 2020 kam das spektakulärste Urteil: Der iPhone-Hersteller muss nun doch keine 13 Milliarden Euro an Steuern an den irischen Staat nachzahlen, verkündete das EU-Gericht damals. Die Kommission habe nicht ausreichend darlegen können, dass die vom irischen Staat gewährten Steuervergünstigungen ein unangemessener Vorteil nach dem EU-Wettbewerbsrecht sind, begründete das Gericht sein Urteil. Die Kosten für das Verfahren – auch die von Apple und Irland – muss die EU-Kommission tragen. Im Jahr zuvor hatte das EU-Gericht bereits die Steuernachforderung an Starbucks gekippt.
Ein Jahr später, im Mai 2021, urteilte der Europäische Gerichtshof auch im Fall von Amazon in Luxemburg gegen die Sichtweise der EU-Kommission. Die Kommission habe nicht hinreichend nachweisen können, dass Luxemburg Amazon ungerechtfertigte Steuervorteile gewährt habe, so die Richter. Das Gericht erklärte den Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde, für nichtig.
Bei einem anderen Teil der groß angekündigten Untersuchungen kam es nie zu offiziellen Folgen. So etwa im Fall von McDonald’s in Luxemburg. Im Dezember 2015 hieß es: „Die Kommission hat ein eingehendes beihilferechtliches Prüfverfahren zur steuerlichen Behandlung von McDonald’s in Luxemburg eingeleitet. Sie vertritt die vorläufige Auffassung, dass Luxemburg McDonald’s durch einen Steuervorbescheid begünstigt und damit gegen EU-Beihilfevorschriften verstoßen hat.“ Ein paar Jahre später hieß es dann, Luxemburg habe doch nicht gegen EU-Recht verstoßen. Das amerikanische Unternehmen sei nicht bevorzugt behandelt worden. Vielmehr habe McDonald’s ein Schlupfloch in den Gesetzen genutzt, um keine Steuern zahlen zu müssen.
Die Prüfung war „fehlerhaft“
Gewonnen hatte die EU-Kommission bislang lediglich das Verfahren um Steuervergünstigungen für „Fiat Chrysler Finance Europe“ in Luxemburg in Höhe von rund 20 bis 30 Millionen Euro sowie ein Verfahren um eine Steuernachforderung in Höhe von rund 120 Millionen Euro gegen den französischen Energiekonzern Engie in Luxemburg.
Doch seit letztem Jahr sieht es auch aus Sicht der EU-Kommission im Falle Fiat nicht mehr gut aus. Zwar hatte das EU-Gericht im September 2019 der Brüsseler Behörde zugestimmt und erklärt, der Automobilkonzern habe von Luxemburg unerlaubte Steuervorteile erhalten und das Land müsse nun 20 bis 30 Millionen Euro von dem Unternehmen zurückverlangen. Doch dagegen hatte unter anderem Irland Rechtsmittel eingelegt, wohl mit Erfolg.
So hatte der Europäische Gerichtshof bereits im Dezember 2021, mittels Pressemeldung mitgeteilt, dass Generalanwalt Priit Pikamäe den Richtern vorgeschlagen habe, dem Rechtsmittel Irlands stattzugeben und den Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe Luxemburgs zugunsten von Fiat für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde, für nichtig zu erklären. Die sogenannten Schlussanträge sind für den Gerichtshof nicht bindend, zumeist werden sie aber befolgt.
Dies ist nun im November dieses Jahres auch passiert, wie einer Pressemeldung des EuGH von diesem Dienstag zu entnehmen ist. Der Gerichtshof erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig und stellt fest, dass ihre Prüfung des Bezugssystems und damit der Frage, ob dem Unternehmen ein selektiver Vorteil gewährt wurde, fehlerhaft war.
Außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, sei es der betreffende Mitgliedstaat, der in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer bestimmt, so der Gerichtshof. „Deshalb ist bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen. Diese Bestimmung ist wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung nicht nur der Frage, ob ein Vorteil vorliegt, sondern auch der Frage, ob dieser selektiv ist.“
Erfolge nur auf politischer Ebene
Die EU-Kommission hat jedoch, trotz der mauen Bilanz vor Gericht, politische Erfolge und Fortschritte verbucht. So hatte das Luxemburger Finanzministerium, trotz gewonnenen Prozesses, nach dem Amazon-Urteil erklärt, dieses Urteil würde „in keiner Weise Luxemburgs Engagement für Transparenz in Steuerangelegenheiten und den Kampf gegen Steuerhinterziehungspraktiken infrage stellen“. Die Regierung erinnerte daran, dass das Land in den letzten Jahren zahlreiche Reformen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und des Steuerbetrugs durchgeführt habe. Und man werde sich auch weiterhin aktiv und konstruktiv an den laufenden Diskussionen über die internationale Unternehmenssteuerreform beteiligen. Auch Irland hat dem Prozess mittlerweile seine Zustimmung gegeben.
Bleibt noch anzumerken, dass die meisten der in diesem Artikel erwähnten Fälle immer noch nicht endgültig entschieden sind. So wehrt sich beispielsweise Engie weiter gegen die Nachzahlung und die EU-Kommission hat, sowohl bei Apple als auch bei Amazon, den gerichtlichen Kampf für die Steuernachzahlungen noch nicht aufgegeben.
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