Parlament / EU-Lieferketten-Richtlinie: „Im Prinzip gut, aber …“
„Dieser Text ist in seiner Zielsetzung richtig, muss aber noch verbessert werden.“ So hat Premierminister Luc Frieden (CSV) am Mittwoch im Parlament die Haltung der Regierung zum derzeitigen, zur Diskussion stehenden EU-Richtlinienentwurf zur Lieferkettenproblematik erklärt.
Seit Jahren wird über eine EU-weite Regelung diskutiert, wonach Unternehmen ihre Lieferanten auf Verstöße gegen die Menschenrechte und Umweltstandards kontrollieren müssten. In die Pflicht genommen würden Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro. Im Dezember 2023 hatten sich EU-Kommission, EU-Ministerrat und EU-Parlament über einen Entwurf zu diesem Lieferkettengesetz geeinigt. Der Text wurde jedoch nachträglich abgeändert. So fallen auch nicht operative Beteiligungsgesellschaften (Soparfi) erneut darunter. Luxemburg habe sich bei Abstimmungen im Ausschuss der Ständigen EU-Vertreter in Brüssel (Coreper) enthalten, sodass der letzte Kompromissvorschlag keine Mehrheit fand, lautete am Mittwoch ein Vorwurf seitens der Opposition.
Eine Aktualitätsstunde, von „déi gréng“ beantragt, sollte Klarheit zur Haltung der Regierung bringen. Sam Tanson („déi gréng“) warf der Regierung vor, die Einhaltung der Menschenrechte gegen die Interessen der Unternehmen aufwiegen zu wollen. Dabei dürfe es bei der Frage der Menschenrechte kein Wenn und Aber geben.
Noch viele juristische Unsicherheiten
Diesen Vorwurf wies Premierminister Luc Frieden (CSV) vehement zurück. Die Regierung setze sich voll und ganz für die Achtung der Menschenrechte ein. Sie spreche sich für die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Prinzipien aus. Der aktuelle Text enthalte jedoch viele juristische Unsicherheiten. Auch sei der den Unternehmen auferlegte administrative Aufwand zu groß. Und ja, ein Lieferkettengesetz würde auch kleine und mittlere Betriebe betreffen. So müsse ein Kleinbetrieb als Zulieferer eines Großunternehmens erklären, ob er alle Nachhaltigkeitskriterien erfülle.
Bisher habe noch keine Abstimmung zum Text stattgefunden, betonte Frieden. Es liege noch kein abschließendes Dokument vor. Lediglich eine Minderheit in der EU habe sich bisher dafür ausgesprochen. Bedeute dies nun, dass eine Mehrheit EU-Länder gegen Menschenrechte und Umweltschutz sei? „Dieser Text ist in seiner Zielsetzung richtig, muss aber noch verbessert werden.“ Der Text sei noch nicht reif, so Frieden. Er werfe noch etliche Fragen auf. Luxemburg wolle eine europäische Lösung, weshalb man auch weiterhin mit dem EU-Vorsitz darüber verhandle.
Zuvor hatte bereits der CSV-Abgeordnete Christophe Hansen darauf hingewiesen, dass das EU-Lieferkettengesetz noch nicht vom Tisch sei. Sorgen bereite ihm jedoch, dass es sich hier um eine Richtlinie und nicht um ein EU-Reglement handelt. Im Unterschied zu einem EU-Reglement kann eine Direktive in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich umgesetzt werden. Die Folge wäre eine Zersplitterung des Binnenmarktes, was vor allem kleinen Ländern zu schaffen mache. Einheitliche Sorgfaltspflichtregeln forderte auch André Bauler (DP).
Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament im Juni sieht Franz Fayot (LSAP) den Richtlinienentwurf gefährdet. Zwar sei der Text nicht perfekt, doch könne man damit leben. Der Rückzug kurz vor den Wahlen habe das Projekt torpediert, gab auch Sven Clement (Piraten) zu bedenken. Er kritisierte die mangelnde Transparenz in der Arbeit des Coreper. Eigentlich müsste die Regierung vor wichtigen Sitzungen das Parlament über ihre Haltung informieren. Die Debatten dürften nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Parlamentarier hätten die Regierung vergebens eingeladen, sich im Ressortausschuss des Parlaments zu äußern, so Marc Baum („déi Lénk“). Die Diskussionen um das Lieferkettengesetz zeigten, dass die Menschenrechte im Kapitalismus verhandelbar sind, so seine Schlussfolgerung.
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