Ukraine-Krieg / EU-Parlamentarier wollen Putin zur Kasse bitten
Der Rat der EU-Staaten hat eine Beschlussvorlage vorliegen, nach der eingefrorene russische Gelder zur Unterstützung der Ukraine genutzt werden sollen. Viele EU-Parlamentarier wollen jedoch mehr, wie aus einer Debatte am Dienstag hervorgeht.
Die Diskussionen über die Nutzung der in der Europäischen Union eingefrorenen russischen Vermögenswerte zur Unterstützung der von Moskau angegriffenen Ukraine geht weiter. Einer am Dienstag im EU-Parlament geführten Debatte ist zu entnehmen, dass sich viele EU-Parlamentarier der großen Fraktionen von EVP, S&D, Liberalen und Grünen dafür aussprechen, alle russischen Einlagen in der EU der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Auffallend war, dass sich weder die Fraktion der Linken noch die Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) der Rechtsextremen und Rechtspopulisten an der Debatte beteiligten.
Ein erster Schritt für die Nutzung dieser Gelder sei bereits getan worden, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Denn am 12. Februar hat der EU-Rat entschieden, dass alle Stellen, die russische Staatsgelder verwalten, die aus diesen entstammenden Zinsen und Gewinne getrennt von den Einlagen verwalten müssen. Nach Angaben des EU-Rates sind Einlagen im Wert rund 260 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in den G7-Staaten, der EU und Australien mit Beginn des russischen Angriffskrieges eingefroren worden, mehr als zwei Drittel davon in der EU. Es werde davon ausgegangen, dass diese Einlagen in der EU jährlich etwa drei Milliarden Euro an Gewinnen generieren, so Josep Borrell. Doch: „Diese Einnahmen gehören nicht Russland“, das hätten konsultierte juristische Dienste erklärt, sagte der EU-Außenbeauftragte während der Debatte. „Das ist juristisch wasserdicht“, so Josep Borrell weiter, der nun den EU-Mitgliedstaaten vorgeschlagen hat, diese Gewinne für die militärische Unterstützung der Ukraine zu nutzen.
Demnach würden die Gelder in die sogenannte europäische Friedensfazilität fließen, die ein zwischenstaatliches Finanzierungsinstrument der EU-Staaten ist, mit dem Staaten zur Wiederherstellung ihrer Sicherheit unterstützt werden. 90 Prozent der Gewinne sollen für Militärhilfe, die restlichen zehn Prozent über den EU-Haushalt für den Wiederaufbau in der Ukraine genutzt werden. Ursprünglich sei geplant gewesen, die gesamten Gelder für den Wiederaufbau zu nutzen. Doch bevor es zum Wiederaufbau kommt, müssten die Zerstörungen in der Ukraine vermieden werden. Denn, so Josep Borrell weiter: „Je weniger Zerstörung, desto weniger muss aufgebaut werden.“
Der EVP-Abgeordnete Abdrius Kubilius bezifferte den bisher durch den russischen Angriffskrieg entstandenen Schaden in der Ukraine auf mehr als 400 Milliarden Euro. „Russland muss dafür zur Kasse gebeten werden“, forderte der Litauer und sprach sich dafür aus, dazu auch die Einlagen der russischen Zentralbank zu beschlagnahmen. Dafür sprach sich auch der Redner der S&D-Fraktion, Wlodzimierz Cimoszewicz aus. „Moralisch“ seien sich alle einig und auch das US-Repräsentantenhaus habe diesen Schritt am vergangenen Samstag eingeschlagen, als es die rund 60 Milliarden Dollar an Hilfen für die Ukraine freigegeben habe. „Wenn wir warten, wird es nie geschehen“, so der Pole, der die Befürchtung, China und andere Staaten würden dann ihre Vermögenswerte aus der EU abziehen, verwirft. „Der Aggressor muss zahlen“, meint auch der litauische Liberale Petras Austrevicius. „Wir dürfen nicht mehr zögern.“
Josep Borrell: Halten uns ans Völkerrecht
Während die slowakische EP-Abgeordnete der Putin-freundlichen SMER-Partei, Katarína Roth Nevedalova, Zurückhaltung in der Sache forderte, gingen andere Redner weiter und meinten, dass auch die Vermögen russischer Oligarchen in der EU für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden sollten. Jan van Overtfeldt von der konservativen EKR-Fraktion wiederum meinte, die Gelder der russischen Zentralbank sollten als Faustpfand für Darlehen an die Ukraine einbehalten werden. Sein polnischer Fraktionskollege Ryszard Czarnecki wies darauf hin, dass Russland auch die Eigentumsrechte in den besetzten Gebieten in der Ukraine, Georgien und Moldawien nicht respektiere und fragte sich, warum dann russisches Eigentum unantastbar bleiben soll. Und auch die lettische EVP-Abgeordnete Sandra Kalniete versteht nicht, inwieweit hier ein „Präzedenzfall“ vorliege. Denn Russland enteigne rechtswidrig europäische Unternehmen.
Doch Josep Borrell bestand darauf, dass „zum jetzigen Zeitpunkt“ lediglich die Zinserträge genutzt werden. Völkerrechtlich sei das in Ordnung. Das gesamte russische Kapital werde noch nicht beschlagnahmt. „Völkerrecht ist Völkerrecht, das gilt für alle“, so der EU-Außenbeauftragte. „Wir müssen uns daran halten, was für uns möglich ist.“
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