Hohe Inflationsrate / Euro-Währungshüter sind sich uneins: Entschlossenes Handeln oder kleine Schritte
Nach der jüngsten Jumbo-Zinserhöhung der EZB gehen die Ansichten der Währungshüter über das weitere Vorgehen der Euro-Notenbank auseinander.
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos plädierte am Donnerstag auf einer Finanzkonferenz in Lissabon für ein weiterhin entschlossenes Handeln im Kampf gegen die ausufernde Inflation. Dagegen sprach sich Portugals Notenbankchef Mario Centeno später auf derselben Konferenz für eine Geldpolitik der kleinen Schritte aus.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangene Woche die Zinsen um ungewöhnlich kräftige 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent erhöht. Es war die stärkste Zinsanhebung seit Einführung des Euro-Bargelds 2002. Der aktuell richtungsweisende Einlagenzins, den Banken für bei der EZB geparktes Geld zahlen müssen, liegt damit inzwischen bei 0,75 Prozent. Die nächste Zinssitzung ist für den 27. Oktober geplant.
Aus Sicht von de Guindos muss die Notenbank energisch vorgehen, damit die Inflationserwartungen in der Spur bleiben. „Wichtig ist, dass wir uns vor Zweitrundeneffekten wie dem Risiko einer anhaltenden Aufwärtsbewegung bei den Inflationserwartungen schützen müssen“, sagte er. Das trage auch zur Gewährleistung von Preisstabilität bei. Die Geldpolitik müsse sich auf Preisstabilität und das mittelfristige Erreichen des Inflationsziels konzentrieren, sagte er.
Die EZB strebt zwei Prozent Teuerung als Idealwert für die Wirtschaft im Euro-Raum an. Im August lag die Inflation allerdings angefacht durch den anhaltenden Energie-Preisschub im Zuge des Ukraine-Kriegs bei 9,1 Prozent. Das ist mehr als viermal so hoch wie das Ziel der EZB. Die Volkswirte der Euro-Notenbank gehen inzwischen davon aus, dass die Inflation selbst 2024 mit dann 2,3 Prozent noch oberhalb des EZB-Ziels liegen wird.
Neutraler Zins bei unter oder nahe zwei Prozent
Anders als der EZB-Vize argumentierte Portugals Notenbankchef Centeno dagegen für eine Zinspolitik der Trippelschritte. „Geldpolitik muss vorhersehbar bleiben und in so kleinen Schritten wie möglich handeln“, sagte er. Selbst bei großen Schocks und unüblich hohen Inflationsraten könne eine Geldpolitik der allmählichen Normalisierung im Einklang stehen mit dem Ziel, die Inflation zurück zur Zielmarke zu bewegen. Anzeichen dafür, dass die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, gibt es Centeno zufolge nicht.
Viele Banken, darunter die Deutsche Bank und das britische Geldhaus Barclays, gehen inzwischen davon aus, dass die EZB im Oktober die Zinsen erneut um 0,75 Prozentpunkte anheben wird. Von Insidern war unlängst zu erfahren, dass Euro-Wächter der EZB es für zunehmend wahrscheinlich halten, dass der Einlagenzins in „restriktives Gebiet“ auf zwei Prozent oder höher gesetzt werden müsse. Das wäre eine Zinshöhe, bei der die Konjunkturentwicklung gebremst würde. Der neutrale Zins, bei dem die Wirtschaft weder gebremst noch angeschoben wird, liegt nach Einschätzung von Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau bei unter oder nahe zwei Prozent. Villeroy zufolge könnte die EZB bis Jahresende dort sein, wie er am Montag in Washington sagte.
Aus Sicht von Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann wird der weitere Zinspfad davon abhängen, wie die Preisentwicklung in den nächsten Monaten ausfallen wird. „Wenn die Preisdynamik weiter so stark ist, wird unsere Entschlossenheit stärker sein und die Zinsen stärker erhöht werden. Wenn es weniger ist, werden wir weniger Zinsen erhöhen müssen“, sagte er am Montagabend zum ORF. Holzmann rechnet damit, dass die Inflation weiter ansteigen wird.
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