„Alles korrupt“? / Eurobarometer-Umfrage: 68 Prozent der Europäer vermuten Korruption im eigenen Land
Die EU-Kommission hat vorige Woche ihren jährlichen Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten veröffentlicht. Dazu gehörte auch eine Umfrage bei den EU-Bürgern darüber, inwiefern in ihren Ländern Korruption verbreitet ist. Eine Übersicht.
Korruption unterminiert den Rechtsstaat. Aber nicht nur diesen. Auch das Vertrauen in die staatlichen und politischen Strukturen wird schwer in Mitleidenschaft gezogen, wenn korruptes Verhalten die öffentlichen Angelegenheiten befällt. Und das ist schädlich für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft, die sich als Rechtsstaat versteht.
Demnach müsste die Politik bei der jüngst veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage zur Korruption in der EU aufhorchen. Denn im EU-weiten Durchschnitt meinen 68 Prozent der Befragten, dass es in ihrem Land Korruption gibt. Dabei ist es vorerst unerheblich, ob dies tatsächlich so ist, was ohnehin schwer bis kaum zu ermitteln ist. Hier zählt einzig der Eindruck der Befragten. Denn nur 5 Prozent der Befragten gaben an, in den letzten zwölf Monaten selbst in einen Korruptionsfall verwickelt oder Zeuge eines solchen gewesen zu sein. Und nur 18 Prozent gaben an, diesen Fall auch bei den Behörden gemeldet zu haben.
Fast alle Befragten in Griechenland, 98 Prozent, gehen davon aus, dass Korruption weiterhin in ihrem Land grassiert. Nicht minder gerimg sind die Werte in Portugal (96 Prozent), Malta und Slowenien (95), Kroatien (92), Zypern (91) und Spanien (90). Demgegenüber scheint Finnland weitgehend korruptionsfrei zu sei: Nur 18 Prozent der Befragten meinen, dass das Problem in ihrem Land weit verbreitet ist. Es folgt, nach Dänemark (26), Luxemburg, wo immerhin 43 Prozent der Befragten davon ausgehen, dass im Land Korruption herrscht. Nur noch in Schweden ist mit 49 Prozent eine knappe Minderheit dieser Ansicht.
Allerdings scheint ein Teil der Befragten bereit zu sein, im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung, auf Korruption einzugehen. Zwar findet immer noch eine Mehrheit, dass es „niemals akzeptabel“ ist, Geld (77 Prozent) oder Geschenke (68) zu geben bzw. andere Gefälligkeiten (65) zu machen, wenn man etwas von Beamten aus dem öffentlichen Dienst braucht. Im Umkehrschluss jedoch scheinen jene Befragten, die zu den fehlenden Prozentpunkten zählen, bereit zu sein, auf Korruptionsangebote einzugehen.
Wer ist anfällig für Korruption?
Korruption wird in den EU-Staaten hauptsächlich in der nationalen Verwaltung (71 Prozent) sowie in regionalen und lokalen Institutionen (70) vermutet. Mit 59 Prozent wird in etwas geringerem Maße davon ausgegangen, dass Korruption Teil der Geschäftskultur in der Privatwirtschaft ist.
Wer denn nun am anfälligsten für Korruption ist, darüber gibt es zumindest EU-weit eine mehrheitliche Meinung: Es sind die politischen Parteien, glauben 53 Prozent der Befragten (allerdings mit fallender Tendenz). In Luxemburg sind nur 46 Prozent dieser Ansicht. Folgerichtig stehen an zweiter Stelle die politiktreibenden Frauen und Männer unter Korruptionsverdacht: 50 Prozent in der EU, 38 Prozent in Luxemburg. Es folgt die Beamtenschaft, erst jene, die sich mit den öffentlichen Märkten befassen (EU: 37; LU: 28), anschließend jene, die Bauvorhaben genehmigen (EU und LU: 36).
In Sachen Korruptionsbekämpfung sind die EU-Bürger skeptisch: 65 Prozent der Befragten meinen, dass Korruptionsfälle auf den höchsten Ebenen nicht ausreichend verfolgt werden. 57 Prozent der EU-Bürger sind der Ansicht, dass die Bemühungen der Regierungen zur Korruptionsbekämpung nicht wirksam genug sind. Und nur 49 Prozent gaben an, dass Maßnahmen gegen Korruption unparteiisch angewendet werden.
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