Industrie und Klimawandel / Europa auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht
Die Europäische Union hat sich einen Plan zur Förderung einer klimafreundlichen Industrie gegeben. Am Dienstag hatte die Kommission nun einen Vertreter nach Luxemburg geschickt, um im Rahmen einer Diskussionsrunde eine Reaktion aus dem Großherzogtum zu erhalten. Zur großen Stoßrichtung gab es dann auch viel Zustimmung – im Detail wurden aber viele Sorgen und Bedenken geäußert.
„Europa muss sich die Mittel geben, um die Herausforderungen anzugehen“, so Anne Calteux von der Vertretung der Europäischen Kommission in Luxemburg zu Beginn der Veranstaltung. Es gelte, den Klimawandel zu bekämpfen, den grünen Wandel voranzutreiben, weniger abhängig von wichtigen Importen zu sein und gleichzeitig auch wettbewerbsfähig zu bleiben. „Wir müssen unseren eigenen europäischen Weg ausarbeiten.“
Mehr im Detail erklärte dann Merete Clausen von der „Direction générale du marché intérieur, de l’industrie, de l’entrepreneuriat et des PME“ der Brüsseler Behörde dann den noch jungen Plan zur Dekarbonisierung der europäischen Industrie. Hindernisse gebe es viele, hob sie hervor. Etwa fehlende Fachkenntnisse, hohe Kosten, langwierige Prozeduren bei den Genehmigungen, Lieferkettenschwierigkeiten und Abhängigkeiten von Drittländern bei gewissen Produkten.
„Das ist schon eine echte Herausforderung“, so Merete Clausen weiter. Zudem gelte es aufzupassen, dass man die Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe nicht einfach durch eine neue Abhängigkeit beim Import von Clean-Tech-Technologien ersetzt. Dabei denkt sie an Rohstoffe wie Seltene Erden oder auch Technologien wie etwa für die Herstellung von Solarmodulen, Batterien oder an Teile von Stromnetzen. Ein Großteil dieser Importe kommt heute aus China, unterstreicht sie. Neues europäisches Ziel ist nun, bis 2030 in einigen strategisch wichtigen Bereichen wenigstens 40 Prozent des Bedarfs auf dem Kontinent selber herzustellen.
Um das selbst gesetzte Ziel zu erreichen, will die Kommission mit dem „Net Zero Industrial Act“ nicht einfach finanzielle Zuschüsse verteilen, sondern vornehmlich die Rahmenbedingungen für die europäische Industrie verbessern. „Im Bereich der Solarenergie müssen zusätzliche 60.000 Fachkräfte ausgebildet werden. Beim Wasserstoff sind es 180.000“, so die Vertreterin der EU-Kommission. Zudem sei es nicht annehmbar, wenn es beispielsweise fünf Jahre dauert, um alle Genehmigungen für eine Batteriefabrik zu erhalten. Die Mitgliedsstaaten müssten nun zentrale Anlaufstellen für Genehmigungen, die nicht länger als 18 Monate dauern sollen, einrichten.
Auch will man den Firmen bei Finanzierungen beratend zur Seite stehen, Ausbildungsprogramme unterstützen, internationale Partnerschaften aufbauen, mehr Innovation ermöglichen und gleichzeitig flexibler bei Staatshilfen sein. Alles soll „schneller und effizienter“ werden, um die Industrie beim Investieren zu unterstützen, so Merete Clausen. Um eben diese strategischen Bereiche voranzubringen.
Ein zersplitterter EU-Binnenmarkt
„Eigentlich gibt es an einer derartigen Initiative nichts, was man nicht gerne haben könnte“, reagierte dann Franz Fayot. „Die Richtung ist richtig. Und die Ziele auch.“ Es gelte, Industrie nach Europa zurückzubringen, und die Wirtschaft des Kontinents so widerstandsfähiger zu machen.
Damit der Plan aufgehe, müsse Europa sich jedoch erst über die Details einigen, so der Wirtschaftsminister weiter. Dabei denkt er an Fragen wie: Sind aus Gas hergestellter Strom, oder Atomstrom, grün? Ohne gemeinsame Regeln gebe es das Risiko einer Zersplitterung des europäischen Binnenmarktes, so der Minister. „Und das würde die EU schlussendlich schwächen.“
Weiter gab Fayot gegenüber der EU-Kommission zu bedenken, dass bei der Umsetzung von solchen Initiativen auch an kleine Länder gedacht werden müsse. Immerhin gebe es hierzulande keinen geeigneten Platz für bspw. die Errichtung einer Giga-Fabrik. „Für Luxemburg ist es schwierig, in solchen Programmen seinen Platz zu finden“, so der Minister. Viele dieser Initiativen seien einfach nur für große Länder gedacht.
Noch etwas härter fielen die ersten Bemerkungen von Energieminister Claude Turmes aus: „Endlich hat Brüssel gehandelt. Zehn Jahre zu spät.“ Beim Wegschmelzen der europäischen Solarindustrie habe man einfach nur zugeschaut. Dafür gibt es ihm zufolge aber „einen einzigen Schuldigen“: die ehemalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel. „Sie hatte eine Einigung unmöglich gemacht. (…) Für sie waren die Marktanteile von BMW und BASF in China wichtiger.“
Westafrika wurde vergessen
Dass die USA nun mit einem nationalistisch verpackten „Inflation Reduction Act“ endlich auch in Clean-Tech investieren, findet er gut. „Biden hat gemacht, was er machen musste.“ Dass das Programm jedoch so auf das eigene Land ausgelegt ist, sieht er als Chance für Europa, um sich globaler aufzustellen und internationale Partnerschaften einzugehen. Wundern tut er sich jedoch, warum sich Europa scheinbar nicht für Westafrika interessiert und es Russland überlasse. Da gibt es dort sehr viel Potenzial für grüne Energie, was deren Wirtschaften stärken könnte und somit gut für alle sei, so der Minister.
Als weiterer Beteiligter an der Diskussionsrunde war René Winkin von der Fedil eingeladen. Er sieht die traditionelle Klimapolitik der EU eher als „einschränkendes Regelwerk“ für die Unternehmen. Dass nur europäische Firmen CO2-Zertifikate kaufen müssen, erkläre, warum in den letzten Jahren auf dem Kontinent nicht so viel investiert wurde. „Das war nicht gut für den Wettbewerb.“
Jetzt sei man aber in einer neuen Lage, so Winkin weiter: „Jetzt müssen riesige Investitionen gemacht werden. (…) Es ist noch nicht zu spät. Die Geschwindigkeit muss aber erhöht werden.“ Wie Franz Fayot plädiert auch er für mehr EU-Binnenmarkt. Wenn jedes Land seine eigenen Vorgaben ausarbeitet, steige der Aufwand für die Firmen, warnte er. „Wir riskieren, den Binnenmarkt in einiger Bereichen zu verlieren.“ Vor allem für kleine Länder sei das ein wichtiger Faktor, so der Wirtschaftsminister.
Claude Turmes hob zwei Sektoren hervor, in denen nun gezielt an einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes gearbeitet wird. So könnten Öfen von großen Bäckereien schnell von Öl- und Gas-Brennstoff auf Strom umgestellt werden. Im Bauwesen, das für einen großen Anteil des Luxemburger CO2-Ausstoßes steht, arbeite man nun an einer Ausschreibung, wo sich nur Firmen mit klimafreundlichen Baumaschinen bewerben können.
Ein „Green Tech Valley“ für Luxemburg?
Franz Fayot unterstrich weiter, dass man erst die hierzulande bestehende Industrie beim Wandel unterstützen müsse. Weiter wirft er die Frage auf, ob sich Luxemburg vielleicht ein „Green Tech Valley“ errichten solle. Eine Industriezone mit einem Fokus auf Clean-Tech, ähnlich wie der Space Campus oder der Bio-Health-Campus. Eine Idee, an der auch René Winkin und Claude Turmes Gefallen finden.
Im „Green Tech Valley“ könnten dann besondere Genehmigungsprozeduren eingeführt werden, so Fayot weiter. Es gelte, ein gutes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Regulierungen und ihren Zielen zu finden. Es sei derweil nicht eine Industriezone, die zum Problem für die Biodiversität wird, so Claude Turmes. „Seit 50 Jahren verliert die Biodiversität gegen die intensive Landwirtschaft.“ Die müsse man in die Rechnung miteinbeziehen.
„Ein ,Green Tech Valley‘ würde zeigen, dass wir es ernst meinen“, so Winkin.
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„Ein Großteil dieser Importe kommt heute aus China, unterstreicht sie.“
Und das wird uns früher oder später zum Verhängnis.
Haben sie schon mal von chinesischen „Skrupeln“ gehört, ich nicht.
Man braucht nur nach Afrika rüberschauen.
@Grober J-P – Dir hutt vollkome Recht. China huet an hat jo esou vill Länner an Afrika Kolonialiséiert. Skrupellos sinn déi Chinesen awer och.