Bis 2030 / Europa-Experten schlagen umfassende Reform der EU vor: Worum es dabei geht
Eine Expertengruppe schlägt umfassende Reformen der EU vor, um diese aufnahmefähig für neue Mitglieder zu machen.
In einem am Dienstag in Brüssel von den Europaministerinnen Deutschlands und Frankreichs vorgestellten Papier schlagen die Europa-Experten unter anderem eine Verkleinerung der EU-Kommission, mehr Mehrheitsentscheidungen und flexible Beitrittsverhandlungen mit Kandidatenländern vor. „Die Empfehlungen des Berichts zielen auf drei Ziele ab: Erhöhung der Handlungsfähigkeit der EU, Vorbereitung der EU-Erweiterung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der EU“, heißt es in dem Papier.
Die deutsche und die französische Europaministerinnen Anna Lührmann und Laurence Bonne hatten die Studie im Januar in Auftrag gegeben und begrüßten die Vorschläge. Angesichts der Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkan-Staaten sowie der Zusage einer europäischen Perspektive für die Ukraine und der Republik Moldau hatten mehrere Regierungen zuvor betont, dass die EU derzeit mit bereits 27 Mitgliedern gar nicht aufnahmefähig sei. „Niemand kann mehr die Augen davor schließen, dass die EU in wichtigen Fragen kaum noch beschlussfähig ist und dringend benötigte Vorhaben oft an nationalen Blockaden scheitern“, sagte auch Lührmann am Dienstag. Die für grundlegende Änderungen nötigen EU-Vertragsänderungen sind aber im Kreis der 27 Regierungen umstritten.
Die zwölf Expertinnen und Experten sprechen sich zwar für flexiblere Formen der Zusammenarbeit in der EU aus, betonen aber zugleich, dass die EU ohne gemeinsame Werte keine Zukunft habe. „Die Rechtsstaatlichkeit ist ein nicht verhandelbarer Verfassungsgrundsatz für das Funktionieren der EU und eine Vorbedingung für den Beitritt zur EU“, wird deshalb gleich zu Beginn mit Blick auf Konflikte etwa mit Polen und Ungarn betont.
Änderungen bei der Finanzierung der EU
Zu den Vorschlägen gehört, die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (EP) auch bei einer Erweiterung bei 751 zu deckeln. Die Zahl der EU-Kommissare sollte entweder auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten reduziert oder ein hierarchisches Modell zwischen den Kommissaren etabliert werden. Vor der nächsten Erweiterung müsse zudem das Entscheidungsverfahren in der EU von der Einstimmigkeit auf Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit umgestellt werden. Das Europäische Parlament soll bis auf die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zudem grundsätzlich mitentscheiden dürfen. Zudem plädieren die Autoren für eine stärkere Differenzierung beim Grad der Zusammenarbeit in Europa. Innerhalb der EU sollte es einen „inneren Kreis“ von Staaten geben, die enger zusammenarbeiten wollen.
Die Experten schlagen zudem gravierende Änderungen bei der Finanzierung der EU vor. So soll der EU-Haushalt künftig im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der EU steigen. Außerdem müsse die Union eigene Einnahmequellen und das Recht zur Kreditaufnahme bekommen. „Die Hauptstädte – auch Berlin – dürfen bei diesen Punkten nicht weiter blockieren“, forderte die Grünen-Politikerin Lührmann. Alle Ausgaben sollten laut Papier zudem überprüft werden, um eine Neugewichtung bei den Aufgaben der EU zu erreichen. Hintergrund ist ein derzeit überproportional großer Ausgabenblock etwa für die Landwirtschaft.
Die EU müsse sich dazu das Ziel setzen, bis 2030 wirklich aufnahmebereit zu sein, „um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen“, mahnen die Autoren. Dazu könnten einige Reformen noch vor der Europawahl 2024 verwirklicht werden. Größere Schritte mit Vertragsänderungen sollten dann mit der neuen Kommission und dem neuen EP von 2024 bis 2029 in Angriff genommen werden.
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