/ Ist die EU transparenter als ihre Mitgliedstaaten? Studie kritisiert Vorteile von Unternehmen
Mit einem Lobbyregister und Ethikregeln bemüht sich Brüssel um mehr Transparenz in der EU-Gesetzgebung. Dennoch sind große Unternehmen weiter im Vorteil, kritisiert der Verein „LobbyControl“ in einer Studie.
Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel
Kurz vor der Europawahl haben Experten vor dem Einfluss großer Konzerne auf die EU-Gesetzgebung gewarnt. Die Lobbyisten der Großunternehmen seien gegenüber Verbraucherschützern, Umweltverbänden und Gewerkschaften weiter im Vorteil, heißt es in einer Studie, die der gemeinnützige Verein „LobbyControl“ gestern in Berlin vorgelegt hat.
Von den 25.000 Lobbyisten mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro auf EU-Ebene verträten zwei Drittel die Interessen von Unternehmen, kritisierte Verbandsgeschäftsführerin Imke Dierßen. „Teilweise können sie Gesetze und politische Prozesse regelrecht kapern.“ Die EU müsse daher mehr für Unabhängigkeit und Transparenz tun.
Ethikregeln und Lobbyregister
Dabei gilt Brüssel mit seinem Lobbyregister und speziellen Ethikregeln als vorbildlich. So dürfen sich Mitglieder der EU-Kommission und ihre Mitarbeiter seit Ende 2014 nur noch mit Organisationen oder Konzernen treffen, die in einem freiwilligen Transparenzregister stehen. Diese Treffen müssen nun auch veröffentlicht werden.
Das habe das EU-Register gestärkt, befinden die Autoren der Studie. LobbyControl fordert aber, dass die Registrierung rechtlich verpflichtend wird. Außerdem solle sich auch der Rat, also die Vertretung der 28 EU-Staaten, um mehr Transparenz bemühen. Bisher bleiben Lobby-Treffen mit Ministern unter dem Deckel. Auch das Abstimmungsverhalten der EU-Staaten wird nicht offengelegt.
Deutschland sei in Sachen Transparenz alles andere als vorbildlich, kritisiert LobbyControl. Die deutsche Regierung habe wirksame Abgastests oder bessere Regeln beim Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung verwässert. Andere Staaten wie die Niederlande, Irland oder Luxemburg schützten „ihre“ Konzerne oder verhinderten, dass die Steuergesetze verschärft werden.
Interessenkonflikte und Seitenwechsel
Neben der mangelnden Transparenz der EU-Gesetzgebung bemängeln die Experten von LobbyControl auch Interessenkonflikte und Seitenwechsel. Zwar seien die Regeln unter Kommissionschef Jean-Claude Juncker „entscheidend“ verbessert worden. So gelten nun zwei Jahre Karenzzeit für scheidende Kommissare, drei für den Kommissionspräsidenten. Im Verhaltenskodex wird definiert, was Interessenkonflikte eigentlich sind.
Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten – wie zuletzt bei dem ehemaligen Generalsekretär der EU-Kommission Alexander Italianer. Der Niederländer war vorzeitig aus seinem Amt ausgeschieden, um Platz für den deutschen Juristen Martin Selmayr zu machen. Nun arbeitet der Mann mit dem unbezahlbaren EU-Insiderwissen als „Senior Consultant“ für die amerikanische Lobbyfirma Arnold & Porter in Brüssel.
Es bleibt viel zu tun
Die EU sei in puncto Transparenz zwar wesentlich weiter als viele Mitgliedsländer, resümiert LobbyControl. Dennoch bleibe viel zu tun. In den nächsten fünf Jahren, also der kommenden Legislaturperiode, müssten vor allem die „Machtungleichgewichte“ beseitigt werden, die den Lobbyismus prägen. „Die Institutionen, allen voran die EU-Kommission, müssen die privilegierten Zugänge der Unternehmen beenden“, heißt es in dem Lobby-Report. „Die EU muss auch denjenigen Gehör verschaffen, die sich keine teure Lobbyvertretung in Brüssel leisten können.“
Normalerweise sind genau dafür die Europaabgeordneten zuständig. Doch auch sie stehen unter Einfluss der Interessenvertreter, wie die „Lobbyschlacht“ um das Urheberrecht gezeigt hat. Am Ende setzten sich deutsche und französische Verleger und Urheber gegen Google, YouTube und andere US-Konzerne durch.
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