Geldpolitik / Europas Zentralbank legt eine Zinspause ein – nach Serie von zehn Anhebungen in Folge
Die Europäische Zentralbank (EZB) legt im Kampf gegen die Inflation nach einem Zinserhöhungsstakkato von zehn Anhebungen in Folge erstmals eine Zinspause ein.
Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag angesichts einer schwächelnden Konjunktur und rückläufigen Inflationszahlen auf ihrer auswärtigen Zinssitzung in Athen, die Schlüsselzinsen nicht anzutasten. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit weiterhin bei 4,00 Prozent – das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Der Leitzins bleibt bei 4,50 Prozent. „Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“, erklärten die Eurowächter.
„Es wird nach wie vor erwartet, dass die Inflation zu lange zu hoch sein wird, und der binnenwirtschaftliche Preisdruck bleibt hoch“, erklärte die EZB. Die bisherigen Zinserhöhungen schlügen weiter stark auf die Finanzierungsbedingungen durch. „Dies dämpft zunehmend die Nachfrage und trägt so zu einem Rückgang der Inflation bei.“ Die inzwischen geltenden Schlüsselzinsen leisteten einen erheblichen Beitrag, um die Inflation zeitnah auf das Notenbankziel von zwei Prozent zu drücken – sofern sie lange genug aufrechterhalten würden, erklärten die Währungshüter.
Erste Reaktionen von Volkswirten fielen positiv aus. Der Chefökonom von HQ Trust, Michael Heise, erklärte: „Mit dem Verzicht auf eine weitere Zinserhöhung dürfte nun eine Phase stabiler Zinsen begonnen haben.“ „Das ist eine gute Entscheidung“, erklärte der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest. „Die schnellen Zinserhöhungen seit etwa einem Jahr haben dazu beigetragen, die Inflation zu dämpfen und die Inflationserwartungen zu stabilisieren, und diese Entwicklung wird sich voraussichtlich in den kommenden Monaten fortsetzen.“ Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die EZB erneut signalisiert, die Zinsen vermutlich nicht weiter anzuheben. „Das ist riskant, weil der Einlagensatz mit 4,0 Prozent mit Blick auf das unterliegende Inflationsproblem nicht sehr hoch ist.“ Umso wichtiger sei es, dass die EZB nicht vor der schwachen Konjunktur einknicke und die Zinsen möglichst lange auf dem erreichten Niveau belasse.
Inflation geht deutlich zurück
Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft war zuletzt deutlich zurückgegangen. Im September sank sie auf 4,3 Prozent von 5,2 Prozent im August. Noch im Herbst 2022 hatte die Rate zeitweise über zehn Prozent gelegen. Die Teuerung liegt aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der Euro-Notenbank.
Bei der Entscheidung der EZB dürfte auch die eingetrübte Konjunktur im Euroraum eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Wirtschaft hatte einer Umfrage zufolge zuletzt ihre Talfahrt beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Service-Sektor zusammen – sank im Oktober um 0,7 auf 46,5 Zähler. Das ist der tiefste Stand seit rund drei Jahren. Zudem dürfte die Wirtschaft in Deutschland im Sommerquartal laut Bundesbank geschrumpft sein. Geht die Wirtschaftsleistung im laufenden vierten Quartal abermals zurück, wird von einer „technischen Rezession“ gesprochen.
Darüber hinaus ist für die Währungshüter der eskalierte Nahost-Konflikt als neuer Unsicherheitsfaktor hinzugekommen, der sich unter anderem auf die Energiepreise auswirken könnte. Laut einer jüngst erhobenen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters rechnet eine Mehrheit der Volkswirte damit, dass die EZB den Einlagensatz bis zur Jahresmitte 2024 konstant halten wird.
Zinssenkungen sind laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde derzeit kein Thema für die Europäische Zentralbank. Diese Frage sei auch nicht diskutiert worden, sagte Lagarde am Donnerstag nach der auswärtigen EZB-Ratssitzung in Athen. Selbst eine Debatte über niedrigere Zinsen zu führen, wäre aus ihrer Sicht „völlig verfrüht“.
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