Luxemburg / Euthanasie und Beihilfe zum Suizid: Ein geschriebenes, aber nicht beachtetes Gesetz
Menschen auf die Existenz eines Gesetzes rund um das Thema Sterbehilfe aufmerksam machen – das war das Ziel einer Pressekonferenz der gemeinnützigen Vereinigung „Mäi Wëllen, Mäi Wee“ (MWMW) am Dienstagmorgen. Denn im Großherzogtum wissen viele nicht, dass sie unter bestimmten Bedingungen ein Recht darauf haben, Euthanasie oder Beihilfe zum Suizid anzufragen. Zwei Aktionen der MWMW sollen das nun ändern.
Es ist Sommer, Feiern und Feste finden wieder statt und ganz bestimmt will sich in solchen Momenten niemand mit dem Thema Tod beschäftigen. Dass der Tod und damit einhergehende Fragen in Luxemburg immer noch ein Tabuthema sind, sieht man bei der Vereinigung „Mäi Wëllen, Mäi Wee“ (MWMW) als Problem. Denn: „Es ist wichtig, wie man auf die Welt kommt aber auch, wie man wieder von dieser geht“, sagte der Präsident von MWMW, Jean-Jacques Schonckert, am Dienstagmorgen bei einer Pressekonferenz in Strassen.
Ziel davon war es unter anderem, auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der vielen Menschen in Luxemburg nicht bewusst ist: Nämlich, dass es seit 2009 im Großherzogtum ein Gesetz gibt, das unter strengen Bedingungen Sterbehilfe sowie Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt. Darin ist unter anderem festgehalten, was überhaupt unter den genannten Begriffen zu verstehen ist und unter welchen Umständen Ärztinnen sowie Ärzte zum freiwilligen Ausscheiden einer Person aus ihrem Leben beitragen dürfen.
Besser informieren
Laut einer im November 2019 erhobenen Studie des Instituts für Sozialforschung (Ilres) wissen nur 43 Prozent der Menschen über die Existenz dieses Gesetzes Bescheid. Zu wenige, findet man beim als gemeinnützig anerkannten Verein MWMW, dessen Mission es ist, dass Menschen in Würde sterben können. „Wir hatten vor einigen Wochen die Anfrage für Euthanasie von einer älteren Frau, die sehr gelitten hat. Als sie erfuhr, dass es gehen wird, war sie richtig erleichtert. Das hat ihr den Druck genommen.“
Die Gesetzeslage
Sterbehilfe sowie Beihilfe zum Suizid sind in Luxemburg über ein Gesetz von 2009 geregelt. Unter Sterbehilfe oder auch Euthanasie werden dabei die medizinischen Maßnahmen verstanden, die auf ausdrücklichen und freiwilligen Wunsch einer Person erfolgen, deren Wunsch es ist, ihr Leben zu beenden. Die Beihilfe zum Suizid bezeichnet indes den Umstand, dass das medizinische Fachpersonal zum selbstgewählten Tod beiträgt, indem es die Mittel zur Verfügung stellt, damit die Person sterben kann. Der Gesetzestext hält auch fest, wann überhaupt Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid geleistet werden darf – ohne dass Ärztinnen und Ärzte strafrechtliche Folgen dafür fürchten müssen. So kommen dafür nur volljährige und nicht unter Vormundschaft stehende Erwachsene infrage, die sich wegen eines Unfalls oder aufgrund von Krankheit in einer ausweglosen medizinischen Situation ohne Aufsicht auf Besserung befinden und ständig und in unerträglicher Weise darunter leiden. Betroffene müssen zum Zeitpunkt der Äußerung des Anliegens bei Bewusstsein sein. Die Entscheidung muss ohne Druck von außen getroffen werden.
Wie im Gesetz vorgesehen, wurde ein zweiter Arzt zu Rate gezogen. Er erklärte der Frau, sie müsste für Sterbehilfe in die Schweiz. Eine Fehlinformation, die Jean-Jacques Schonckert als „dramatisch“ bezeichnet. Der Kollege wurde über die gesetzliche Lage aufgeklärt und der Bitte der älteren Dame – die trotz ihres Leidens noch sehr klar im Kopf war – wurde laut Schonckert stattgegeben. Solche Situationen, aber auch die Nachfrage von Ärztinnen sowie Ärzten zeigen, dass es oft an Informationen fehlt. Um das zu ändern, wird MWMW nun eine überarbeitete Broschüre von 2011 zum Thema Euthanasie an das medizinische Fachpersonal verteilen.
Zum Nachdenken anregen
Anderseits sollen aber auch die Menschen darüber unterrichtet werden, dass sie unter den im Gesetz vorgegebenen Bestimmungen ein Recht darauf haben, um Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung zu bitten. Ein in den Kinos sowie in sozialen Medien ausgestrahlter Spot soll in den kommenden Wochen dazu beitragen, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und zum Nachdenken zu bringen. „Was ist mein letzter Wille und was passiert, wenn ich durch einen Unfall nicht mehr imstande bin, diesen auszudrücken?“, sollen sich die Menschen laut Jean-Jacques Schonckert dadurch fragen.
Bei MWMW ist man sich bewusst, dass man damit ein kontrovers diskutiertes Thema anspricht. Denn aus ganz verschiedenen Gründen – beispielsweise aufgrund der Religion – sehen viele Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung kritisch, andere lehnen diese kategorisch ab. Bei MWMW sieht man Euthanasie allerdings als Möglichkeit, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen und diesem die Möglichkeit zu geben, in Würde zu sterben.
Wer mehr Informationen zum Thema erhalten will oder nach Unterstützung sucht, kann sich an den „Service d’écoute et d’accompagnement“ (SEA) von MWMW wenden. Der mit dem Familienministerium konventionierte Dienst bietet unter der Nummer 26 59 04 82 Sprechstunden per Telefon und – wenn Menschen sich nicht mehr fortbewegen können – Hausbesuche an. Mehr Infos gibt es auf der Webseite mwmw.lu, per Mail unter info@mwmw.lu oder unter der genannten Telefonnummer sowie auf der Seite der Luxemburger Gesundheitsbehörde sante.public.lu unter dem Suchbegriff „Euthanasie: Assistance au suicide“.
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Um das partielle Desinteresse und dementsprechend die partielle Nichtaufgeklärtheit der lux. Bevölkerung zu verstehen, muss man wissen, dass es eine Zeit in Luxemburg gab, in der die Ausscheidung eines Menschen aus seinem Leben auf einer ideologischen Basis geschehen konnte. Seit dieser Zeit herrscht in Luxemburg zu diesem Thema ein „weißes Schweigen“.
MfG
Robert Hottua
Dann wird’s mal Zeit, dass ein paar Ärzte in den Knast kommen.