EU-Spitzenposten / EVP-Verhandler Donald Tusk sieht die 27 „sehr nah an einem Kompromiss“
Bereits zum zweiten Mal trafen sich am Dienstag der luxemburgische Premierminister Luc Frieden und der polnische Regierungschef Donald Tusk in ihren beiden bislang kurzen Amtszeiten zu bilateralen Gesprächen. Beide Länder wollen gemeinsam ausloten, inwiefern sie in den Bereichen Sicherheit und erneuerbare Energie zusammenarbeiten können.
Noch in der Nacht zuvor saßen die beiden Regierungschefs zusammen mit ihren europäischen Amtskollegen im EU-Ratsgebäude in Brüssel zusammen, wo nach den Europawahlen über die Verteilung von Spitzenposten in den EU-Institutionen beraten wurde. Der Pole war dort allerdings in einer herausgehobeneren Mission unterwegs. Gemeinsam mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis verhandelte Tusk für die Europäische Volkspartei (EVP) mit den beiden Sozialdemokraten, dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und dem spanischen Premierminister Pedro Sanchez, sowie mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem scheidenden niederländischen Regierungschef Mark Rutte, die die Liberalen vertraten, über die EU-Spitzenpersonalien.
Dass die deutsche EVP-Politikerin Ursula von der Leyen von den EU-Staats- und Regierungschefs für eine zweite Mandatsperiode an der Spitze der EU-Kommission nominiert wird, scheint weitestgehend Konsens zu sein. Vor allem da die EVP als stärkste Fraktion aus den Europawahlen hervorging und, wie die Präsidentin des Europäischen Parlaments (EP) Roberta Metsola beim EU-Sondergipfel erklärte, das EP zum System der Spitzenkandidaten steht. Für die beiden anderen Spitzenposten, die von den EU-Chefs vergeben werden, soll der ehemalige portugiesische Regierungschef und Sozialdemokrat Antonio Costa als künftiger Präsident des Europäischen Rates ernannt werden; für das Amt des Hohen Vertreters für die gemeinsam Außen- und Sicherheitspolitik ist die estnische Regierungschefin Kaja Kallas vorgesehen, die den Liberalen angehört.
Europa vor Extremisten schützen
Eine Entscheidung wird erst kommende Woche, am 27. und 28. Juni, beim ordentlichen Gipfeltreffen der 27 getroffen. Doch es sei „sehr wahrscheinlich“, dass es dabei zu einer Zustimmung für die drei Genannten kommen werde, sagte Donald Tusk. Die Gespräche in der kleinen Runde seien „sehr konstruktiv“ gewesen und er habe „gute Gründe, optimistisch“ zu sein. Sie seien „sehr nah an einem Kompromiss“, sowohl über die politischen Prioritäten, als auch über die Posten, sagte der polnische Regierungschef weiter. Es gehe darum, Europa vor dem Populismus und allen Arten des Extremismus zu schützen. Die EVP habe sich entschieden, die Verhandlungen vorerst mit den beiden pro-europäischen und dem Zentrum angehörenden Parteien zu beginnen, auch wenn andere Vertreter im EP ebenfalls respektiert würden. „Die Verantwortung, Europa vor den Extremisten zu schützen, liegt in der Hand aller pro-europäischen Parteien“, sagte Donald Tusk. Dies könnte durchaus als ein Signal vor allem an die Grünen verstanden werden, die zum einen nicht im Europäischen Rat vertreten sind, da sie keinen Staats- oder Regierungschef stellen. Zum anderen aber könnten die Grünen unter Umständen gebraucht werden, um eine möglichst breite Mehrheit bei der Abstimmung im EP für von der Leyen zu erhalten.
Die Verantwortung, Europa vor den Extremisten zu schützen, liegt in der Hand aller pro-europäischen Parteienpolnischer Regierungschef
Bereits am Montag hatte Luc Frieden deutlich gemacht, dass er die gegenwärtige EU-Kommissionspräsidentin für eine zweite Amtszeit unterstützt. Zu der beim Sondergipfel offenbar erhobenen Forderung der EVP, Antonio Costa nur eine Mandatszeit von zweieinhalb Jahren zuzugestehen und die restlichen zweieinhalb Jahre der Legislaturperiode das Amt des EU-Ratspräsidenten einem EVP-Politiker zu überlassen, wollte sich Frieden gestern nicht äußern. Im Gespräch dafür ist der kroatische Regierungschef Andrej Plenković, der in jüngster Zeit innenpolitisch in Bedrängnis geraten war. Frieden versicherte hingegen, dass er neben von der Leyen auch Antonio Costa und Kaja Kallas zustimmen wolle. Die drei seien eine „exzellente Lösung“. Zu den Korruptionsvorwürfen, mit denen der ehemalige portugiesische Regierungschef derzeit noch belastet ist, sagte Frieden, dass die Justiz ihre Arbeit tun müsse. „Doch aufgrund dessen, was ich gesehen habe, ist das in meinen Augen kein Problem“, sagte Luc Frieden.
Zusammenarbeit ausloten
Zu den bilateralen Beziehungen mit Polen sagte der luxemburgische Premierminister, dass die beiden Länder Pisten für eine engere Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit und erneuerbaren Energie ausloten wollten. Kein Land könne in diesen Bereichen allein weiterkommen. Sowohl bei Investitionen in die Verteidigung als auch in erneuerbare Energien will Luc Frieden „zum Teil auch mit gemeinsamen europäischen Geldern“ vorankommen. „Denn kein Land ist reich und stark genug, das allein zu tun“, so der luxemburgische Premier.
Donald Tusk hob seinerseits hervor, dass Frieden als einer der ersten westlichen Regierungschefs erkannt habe, dass die Probleme an der polnischen Grenze mit Belarus ein europäisches Thema sei. Polen sei das einzige EU-Land, das Grenzen mit Belarus, Russland und der Ukraine habe. Diese Außengrenzen müssten in der gemeinsamen Verantwortung der EU liegen, sagte Donald Tusk.
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