Frankreich vor der Wahl / Ex-Präsident Hollande: „Der Macronismus ist vorbei“ – Umfrage sieht RN vorn
Eine Woche vor dem ersten Urnengang liegt der Rassemblement national in Umfragen vorne. Gefolgt vom Nouveau front populaire. Für das neue Links-Bündnis zieht auch Ex-Präsident Hollande wieder in den Wahlkampf – und verkündet das Ende der Ära Macron.
Die besten Zeiten für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron sind nach Ansicht seines Vorgängers François Hollande vorüber. „Der Macronismus ist vorbei, wenn es ihn überhaupt jemals gegeben hat“, sagte Hollande der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview am Samstag. „Ich meine damit nicht, dass seine Amtszeit als Präsident zu Ende geht, das ist etwas anderes. Aber das, was er vielleicht eine Zeit lang repräsentiert hat, ist vorbei“, sagte Hollande.
Er sage dies ohne Feindseligkeit, betonte der sozialistische Ex-Präsident, der jüngst überraschend seine Kandidatur für die Nationalversammlung angekündigt hatte und derzeit Wahlkampf in seinem zentralfranzösischen Heimat-Département Corrèze macht. „Ich habe keine Rechnungen mehr zu begleichen. Das ist alles Vergangenheit“, sagte er über sein Verhältnis zu Macron. Hollande, der damals unter miserablen Umfragewerten litt, hatte bei der Wahl 2017 nicht für eine zweite Amtszeit kandidiert. Sein ehemaliger Wirtschaftsminister Macron erzielte als zentristischer, wirtschaftsfreundlicher Kandidat einen Überraschungssieg, der die traditionellen Regierungsparteien sowohl des linken als auch des rechten Lagers erschütterte. 2022 wurde Macron für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt, verlor aber im selben Jahr bei der Parlamentswahl seine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung.
Schwere Schäden für das Parteisystem
Macrons Regierungszeit habe „einen hohen politischen Preis“, sagte Hollande. „Die Parteien wurden schwer beschädigt und die öffentliche Moral ebenfalls. Die extreme Rechte war noch nie so stark wie heute“, betonte er mit Blick auf die Europawahl vor zwei Wochen. Bei dieser war der rechtspopulistische Rassemblement national (RN) mit 31,4 Prozent stärkste Kraft geworden, die Liste von Macron erlitt mit 14,6 Prozent der Stimmen eine schwere Schlappe. Macron löste die Nationalversammlung auf und rief Neuwahlen aus.
Hollandes Sozialistische Partei (PS) schloss daraufhin das Wahlbündnis Nouveau front populaire (NFP) mit anderen linken Parteien, darunter die linkspopulistische Partei La France insoumise (LFI), die kommunistische Partei (PCF) und die Grünen (EELV). Der NFP liegt in den Umfragen derzeit an zweiter Stelle hinter dem RN, beide befinden sich demnach deutlich vor Macrons Partei Renaissance. „Es ist Zeit für eine politische Neuausrichtung“, sagte der 69-jährige Hollande. Er räumte ein, dass es ungewöhnlich sei, dass ein ehemaliger Präsident sich in einem Wahlkreis als Abgeordneter zur Wahl stellt. „Ich hatte nicht vor, mich in meiner Position zur Wahl zu stellen, dafür musste etwas sehr Ernstes passieren“, erklärte er mit Verweis auf den Rechtsruck in Frankreich. Hollande war von 1988 bis 1993 sowie von 1997 bis 2012 Abgeordneter der Corrèze. Von 2012 bis 2017 war er Präsident Frankreichs.
Eine Woche vor der Parlamentswahl liegt der RN von Marine Le Pen laut einer Umfrage für die Zeitung „Le Parisien“ und den Sender Radio France deutlich in Führung – mit 35,5 Prozent der Stimmen, gefolgt von dem links-grünen Wahlbündnis NFP mit 29,5 Prozent. Das liberale Lager um Präsident Emmanuel Macron landet in der am Samstag veröffentlichten Umfrage mit 19,5 Prozent abgeschlagen auf dem dritten Platz. An vierter Stelle liegen die konservativen Republikaner mit sieben Prozent. Laut der Umfrage sind sich die RN-Wähler in ihrer Entscheidung am sichersten – nur 13 Prozent unter ihnen gaben an, dass sie sich möglicherweise noch umentscheiden könnten. Beim linken Wahlbündnis lag dieser Anteil bei 19 Prozent.
Die Wahl findet in zwei Runden am 30. Juni und 7. Juli statt. Die Umfrage sagt eine Wahlbeteiligung zwischen 60 und 64 Prozent voraus – das ist deutlich höher als bei der Wahl 2022, als sie bei 47,5 Prozent lag. Macron ist theoretisch frei darin, einen Premierminister zu ernennen. Er ist aber darauf angewiesen, dass dieser in der Nationalversammlung eine Mehrheit bekommt. Das könnte zu einer Kohabitation führen, in der Präsident und Regierungschef unterschiedlichen Lagern angehören. Derzeit gibt es Befürchtungen, dass sich die drei Blöcke – die Rechtspopulisten, das links-grüne Wahlbündnis und das Regierungslager – dauerhaft gegenseitig blockieren könnten.
Macron hält an Präsidentenamt fest
Am Sonntag haben tausende Menschen in Frankreich an einem feministischen Protestmarsch gegen die Rechtsaußenparteien teilgenommen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten in violetter Kleidung zogen vom Platz der Republik im Zentrum von Paris zum Platz der Nation im Osten der Hauptstadt. Sie trugen Plakate mit Slogans wie „Drängt die Rechten zurück, nicht unsere Rechte“.
An der Demonstration beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren 75.000 Menschen. In dutzenden weiteren französischen Städten fanden ähnliche Veranstaltungen statt. Angesichts der guten Umfragewerte des RN müsse daran erinnert werden, „dass sie diejenigen waren, die von ,Abtreibung aus Bequemlichkeit‘ gesprochen haben und die ständig die Familienplanungsdienste angreifen“, sagte die feministische Aktivistin Morgane Legras.
Präsident Macron selbst hat am Sonntag angekündigt, unabhängig vom Wahlergebnis sein Amt bis zum Ende seines Mandats auszufüllen. „Sie können mir vertrauen, dass ich bis Mai 2027 als Ihr Präsident handeln werde“, schrieb er in einem in mehreren Zeitungen veröffentlichten Brief an die Franzosen. Macron räumte ein, dass sich die Art des Regierens nach den Wahlen „grundlegend ändern“ müsse. Er habe den Wunsch der Franzosen, dass sich etwas ändert, wahrgenommen. Macron forderte insbesondere „viel stärkere und entschlossenere Antworten“ auf die „Unsicherheit und Straflosigkeit“ im Land. Der Präsident nannte eine neue Kinderpolitik, den Schutz von Jugendlichen und „den Kampf gegen alle Formen der Diskriminierung“ als Schwerpunkte. Zudem gebe es einen starken Wunsch „nach sozialer Gerechtigkeit“. Die künftige Regierung werde, so hoffe er, „Republikaner unterschiedlicher Gesinnung vereinen, die den Mut bewiesen haben, sich den Extremen entgegenzustellen“, erklärte Macron.
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