Logement / Experte: „Das Thema Wohnen kann nicht dem freien Markt überlassen werden“
Ob Apartment oder Einfamilienhaus: Wohnen oder ein Dach über dem Kopf ist ein Menschenrecht. Gleichzeitig ist Eigentumserwerb die größte Investition im Leben. Manuel Aalbers (45) forscht an der Universität Leuwen zu diesem Spannungsfeld. Der gebürtige Niederländer hat Soziologie, Stadtplanung und Geografie studiert. Am 14. Juni hat er in Luxemburg einen Vortrag mit dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ gehalten.
Tageblatt: Ihr Vortrag hat den Titel „Wem gehört die Stadt?“. Wem gehört sie denn nun?
Manuel Aalbers: Das ist eine gute Frage. Eine Stadt sollte den Bewohnern gehören. In der Praxis gehören aber weite Teile von Städten heute Hausbesitzern, Vermietern und großen Investmentfonds.
In Luxemburg ist Wohnungsnot ein großes Problem. Viele finden keine Wohnung, die sie bezahlen können, weil die Preise steigen und steigen …
Dies ist ein internationaler Trend, wir sehen das in vielen Ländern. Luxemburg ist also keine Ausnahme. Vielleicht ist es ein extremeres Beispiel dafür. Fast überall steigen Hauspreise und Mieten schneller als das Einkommen. Jedes Jahr wird es schwieriger, die Miete bezahlen zu können oder ein Haus zu finanzieren.
Es hat nie einen unregulierten Immobilienmarkt gegeben, der einer Mehrheit von Menschen Wohnraum in guter Qualität zu bezahlbaren Preisen anbietet. Es gab, im Gegenteil, immer viele Menschen, deren Nachfrage nicht vom Angebot gedeckt wurden.
Vielfach wird damit argumentiert, der Markt regelt das schon. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht so ist. Ein Systemfehler im Denken?
Ja. Ich denke, die ganze Idee, dass Märkte sich selbst regulieren, ist problematisch. Historisch gesehen gibt es auch wenig Anhaltspunkte, dass sie das tun. Es hat nie einen unregulierten Immobilienmarkt gegeben, der einer Mehrheit von Menschen Wohnraum in guter Qualität zu bezahlbaren Preisen anbietet. Es gab, im Gegenteil, immer viele Menschen, deren Nachfrage nicht vom Angebot gedeckt wurden. Wir alle brauchen einen Platz zum Schlafen und einen Platz, wo die Intimsphäre gewahrt wird. So ein wichtiges Bedürfnis kann nur ein regulierter Markt befriedigen. Das kann man nicht dem freien Markt überlassen.
Was kann die Politik gegen die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt tun? Und wo ist ihre Verantwortung in dieser Frage?
Die Verantwortung der Politik in dieser Angelegenheit ist groß. Wohnen ist ein Menschenrecht. Jeder Einzelne hat ein Recht darauf. Eine Wohnung ist die Voraussetzung für ein gutes Arbeits- und Privatleben. Menschen, die gut untergebracht sind und sich keine Gedanken über Wohnkosten, schlechte Wohnqualität oder unzumutbare Arbeitswege machen müssen, sind nicht nur glücklicher, sondern sicher auch produktiver.
Graswurzel-Initiativen unterstützen
Was schlagen Sie denn vor, um das sicherzustellen?
Das Erste ist ein staatlicher Mietdeckel für private Vermieter, gepaart mit Vorgaben zum Standard des Miet- oder Kaufobjektes. Das kostet gar nichts. Viele staatliche Lösungen für den Immobilienmarkt kosten Steuergelder. Diese Regulierung kann man sofort machen. Das Zweite ist verstärkter sozialer Wohnungsbau angesichts der Provisionen, die auf dem Immobilienmarkt fließen. Der Staat kann es selbst machen oder Non-Profit-Organisationen einbinden. Der Staat muss eine starke Rolle spielen, aber das kostet Steuergelder.
Der Staat muss Graswurzel-Initiativen unterstützen. Es gibt Beispiele dafür quer durch Europa, aber auch auf anderen Kontinenten.
Eine dritte Maßnahme?
Der Staat muss Graswurzel-Initiativen unterstützen. Es gibt Beispiele dafür quer durch Europa, aber auch auf anderen Kontinenten. In der Schweiz gibt es Kooperativen für das Wohnen, in den skandinavischen Ländern ebenfalls, in Deutschland machen das unter anderem auch Gewerkschaften oder Treuhandgesellschaften. Was sie alle gemeinsam haben, ist, dass die Mieter und Besitzer sich selbst organisieren und sie werden von der Regierung unterstützt.
Wie denn?
Da gibt es Leute, die durch den gesetzlichen Dschungel helfen, durch die Planungsverfahren im Bauwesen, beim Landerwerb und bei der Finanzierung. Eine Voraussetzung, dass Graswurzel-Initiativen erfolgreich sein können, ist, dass der Staat Land bezahlbar abgibt und steuerliche Bremsen einbaut. Mein Vorschlag dazu ist: mehr staatlicher sozialer Wohnungsbau und private Initiativen gleichzeitig.
Genossenschaftliches Wohnen, Wohngemeinschaften oder Graswurzel-Initiativen genießen kein hohes Ansehen hier im Land … Auf substantielle Unterstützung können sie nicht zurückgreifen.
Das muss sich ändern. Ein Problem, das Initiativen haben, ist, sie müssen sich erst einmal gründen. Wenn der Staat aber jemand abstellen würde, der bei Gründung und Planung hilft, wäre das ein großer Schritt.
In Luxemburg sind nach Angaben von NGOs 621 Immobilienfonds registriert. Sie finden diese Fonds problematisch, warum?
Die meisten dieser Fonds kaufen bestehende Immobilien auf – für gewerbliche Zwecke. Das sind Büroräume, Lagerflächen usw. Sie haben außerdem kein Interesse daran, neuen Wohnraum zu schaffen. Nur 9 Prozent der Fonds, die hier registriert sind, investieren in bestehenden Wohnraum, aber im Ausland. Sie sind aus einem offensichtlichen Grund in Luxemburg registriert: Steuervorteile. Diese 9 Prozent haben deshalb ein Interesse daran, nach dem Kauf, wo es möglich ist, die Mieten in die Höhe zu treiben.
Auch wenn Sie wahrscheinlich keine Glaskugel zu Hause haben, was passiert in Ihren Augen, wenn diese Entwicklung so weitergeht?
Ich habe eine Glaskugel und wenn ich dort hineinschaue, dann sehe ich sehr klar, dass es für große Teile der Bevölkerung sehr schwierig werden wird, Wohnraum zu finden. Das betrifft aktuell nicht nur die kleinen Einkommen, auch der Mittelstand gerät zunehmend in Not. Für Regierungen heißt das, sie müssen intervenieren. Die beste Zeit dafür wäre schon vor ein paar Jahrzehnten gewesen, die zweitbeste Zeit dafür wäre heute oder morgen.
Also eine Spaltung der Gesellschaft?
Wir müssen über Einkommensunterschiede sprechen. Ein CEO hat 20-mal mehr Einkommen als ein durchschnittlich bezahlter Facharbeiter und 100-mal mehr als ein durchschnittlich bezahlter Arbeiter. Diesen Sachverhalt kennen wir über die Medien. Wenn wir auf die Zahlen schauen, stellen wir fest, dass Einkommensungleichheiten in einigen Ländern ein wenig steigen, aber nicht stark. Was aber stark steigt, sind die Unterschiede im Reichtum. Teile der Gesellschaft sind einfach nicht mehr in der Lage zu sparen, um sich überhaupt ein Haus leisten zu können. Andere haben ein Haus oder etwas zu vermieten und bauen ihren Reichtum aus. Wohnen ist eine soziale, gesellschaftliche Frage.
Der Vortrag
Die öffentliche Debatte am 14. Juni im „Sang a Klang“ in der Hauptstadt wurde von mehreren NGOs wie Etika, „Luxembourg under destruction“, Mieterschutz Luxemburg oder „Stoppt de Bagger“ und der Partei „déi Lénk“ organisiert.
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Keng greng Diktatur um Wunnengsmaart !
Keen Kommunismus um Wunnengsmart !
Dazu passt ja dann auch der neue „obligatorische“ Sparfonds für Renovierungsarbeiten in Wohnungen „Le Fonds de travaux obligatoire“ (Ministère de Logement – logement.lu) welcher ab dem 1.8.2023 zahlbar wird für alle Wohnungseigentümer und welcher nach der Klasse des bestehenden Energiepasses und den Millièmes berechnet wird.
Wurde darüber eigentlich in der Presse berichtet?
@ Jill :
Stop der grenger Diktatur !
Den Privaatbesetz muss onantastbar bleiwen, an nemmen de Propriétaer decidei’ert iwert Invest oder net !
Dei‘ EnergiePass Kategori’en sinn och egal waat, well dei‘ Consultants kommen mol net ob d’Platz fir sech daat Gebai unzekucken an ze evalu’ei’eren !
Et ass nemmen „Money making „
@Nomi – Genau sou ass et!
An wann d‘Wieler dann (zu Recht) Gréng ofwielen, dann heescht et am Tageblatt dass d‘Leit op Greenbashing eran gefall sin! Et ass baal net méi ze gleewen!
Gestern noch ein Youtube Video gesehen wo ein Politiker gesagt hat: die Gehälter sind zwar kleiner als damals, die Einkommen aber grösser.