/ Experte der eigenen Angst: Jeder Fünfte leidet einmal im Leben an einer Angststörung
Das Herz rast, der Mund wird trocken, es kommt zu Schweißausbrüchen und ein beklemmendes Gefühl setzt sich in der Brust fest: Angst kennt jeder von uns. Sie ist eine normale und oft sogar gesunde Reaktion unseres Körpers, die uns vor potenziellen Gefahren schützt. Ängste können aber auch völlig unbegründet und übertrieben sein. In diesem Fall spricht man von einer Angststörung.
Krankhafte Angst gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation entwickelt etwa jeder Fünfte im Laufe seines Lebens eine Angststörung. Dabei wissen viele Betroffene nicht, dass sie daran leiden – und begeben sich dementsprechend erst spät in Behandlung. Dabei ist die Chance auf einen Behandlungserfolg bei einer Angststörung größer, wenn diese so früh wie möglich entdeckt wird.
Um möglichst vielen Menschen das nötige Wissen über die psychische Krankheit zu vermitteln, präsentierte die „Ligue luxembourgeoise d’hygiène mentale“ am Donnerstag in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium eine Kampagne mit dem Titel „Angst: Lass uns darüber reden“. Dr. Elisabeth Seimetz, Psychologin und Kampagnen-Verantwortliche, macht auf die enge Verknüpfung von Information und Gesundheit aufmerksam. Menschen, die besser über eine Krankheit Bescheid wissen, seien eher dazu bereit, sich helfen zu lassen. Das führt auf lange Sicht zu einer besseren Gesundheit. Die Kampagne gliedert sich in den nationalen Plan der Suizidprävention ein. Denn nicht zuletzt können auch Angststörungen zu Suizidgedanken und im schlimmsten Fall sogar auch zu Selbstmord selbst führen.
Merkmale einer Angststörung
- Die Intensität der Angst ist der Situation nicht angemessen;
- den Betroffenen fällt es oft schwer, die Angst aus eigener Kraft zu überwinden;
- als angstauslösend erlebte bzw. eingestufte Situationen werden gemieden;
- die Dauer und Häufigkeit der Angstzustände nimmt mit der Zeit zu;
- die Ängste verursachen für die Betroffenen bedeutsames Leiden oder führen zu deutlichen Beeinträchtigungen in derem täglichen Leben.
Die Kampagne hat vier Hauptziele: Wissen über Angststörungen vermitteln, über Anzeichen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten aufklären, Anlaufstellen für Betroffene sichtbar machen und der Stigmatisierung psychischer Krankheiten in der Gesellschaft entgegenwirken. Besonders die Stigmatisierung sieht Dr. Seimetz als ein Problem: „Betroffenen wird gesagt, sie seien einfach schwach und selbst schuld an ihrem Leid – sie sollen ihr Leben auf die Reihe bekommen, dann würde sich alles von selbst regeln“, nennt sie einige Beispiele. Dabei ist eine Angststörung keineswegs eine persönliche Schwäche, sondern eine ernst zu nehmende Krankheit. Vorurteile können dazu führen, dass ein Mensch, der unter der Krankheit leidet, zögert, Hilfe aufzusuchen.
Prof. Dr. Charles Pull ist ein auf Angststörungen spezialisierter Psychologe, Psychiater und Psychotherapeut im „Centre hospitalier de Luxembourg“. Eine Angst sei ihm zufolge nicht mehr normal, wenn sie einen Menschen schlimm leiden lässt und in seinem Alltag einschränkt. Um mit einer Angststörung leben zu lernen, müssen Betroffene selbst zu Experten ihrer Angst werden, meint er. Hierzu sollen Betroffene eigene Recherchen im Internet machen, Bücher lesen und sich Filme ansehen. Zudem sei es wichtig, dass man mit der eigenen Angst in einer realen Situation konfrontiert wird – um so zu lernen, dem eigenen Körper zu vertrauen.
Arten von Angststörungen
- Panikstörung: wiederkehrende, unerwartete Panikattacken mit Angst vor weiteren Attacken.
- Agoraphobie: die Angst vor Orten, an denen eine Flucht schwierig wäre.
- Soziale Angststörung: Angst vor negativer Beurteilung durch andere Menschen.
- Generalisierte Angststörung: dauerhafte Angst mit übertriebener Sorge um alltägliche Ereignisse und Probleme.
- Spezifische Phobie: Angst vor klar erkennbaren, eng umschriebenen Objekten oder Situationen (z.B.: Angst vor Spinnen, Höhen- oder Flugangst).
Hat eine Person also schreckliche Angst davor, vor einer Menschengruppe zu sprechen, muss sie sich genau dieser Situation, die ihr derart Angst macht, aussetzen. Nur so kann sie lernen, dass das nicht gefährlich ist. Das ist eine Herausforderung und fordert vom Betroffenen harte Arbeit. Neben einer psychotherapeutischen Begleitung rät Prof. Dr. Pull zu Sport- oder Kunsttherapie sowie zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance.
Dr. Fränz D’Onghia, Direktionsleiter der Ligue, nutzte die Pressekonferenz, um auf Fake News aufmerksam zu machen, die im Bahnhofsviertel der Stadt Luxemburg kursieren. Hier sollen Flyer verteilt worden sein, auf denen behauptet wird, Depressionen könnten innerhalb von drei Minuten geheilt werden – und das ohne Medikamente. Das sei schlichtweg unmöglich. D’Onghia sieht es als Aufgabe der Ligue, solche Aussagen richtigzustellen. Vor allem zerbrechliche Menschen könnten solche Informationen ernst nehmen. Dr. Juliana D’Alimonte, Psychiaterin und Leiterin der Gesundheitsdirektion beim Gesundheitsministerium, wies darauf hin, dass sich das Ministerium dieser Problematik bewusst sei. Derzeit würde man sich Gedanken machen, wie dagegen vorgegangen werden kann.
Info
Weitere Infos zum Thema Angststörung – wie beispielsweise die Definition, die verschiedenen Arten und wie diese sich äußern, die Behandlungsmöglichkeiten und Anlaufstellen – finden Sie unter www.prevention-panik.lu.
Der Informationsservice der Ligue beantwortet ebenfalls Fragen unter der Telefonnummer 45 55 33.
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