Corona-Pandemie / Expertengespräch zur Rentrée: „Gefahr einer vierten Welle ist sehr reell“
Mit dem Schulbeginn hält auch so langsam der Herbst Einzug in Luxemburg – und unschöne Erinnerungen an vergangenes Jahr werden wach. Innerhalb von ein paar Tagen explodierten die Corona-Infektionen in Luxemburg. Das Tageblatt hat sich mit Taskforce-Mitglied Alexander Skupin und dem Virologen Claude Muller über die Aussichten für den Herbst und die Möglichkeit einer weiteren Corona-Welle unterhalten.
Die Schule hat wieder angefangen, Pendler strömen wieder zu Tausenden nach Luxemburg und das schlechte Wetter lädt wieder zu mehr Aufenthalten in Innenräumen auf. Doch was bedeutet das für die epidemische Lage in Luxemburg? „Die Inzidenzzahlen werden wieder steigen und der Trend der vergangenen Wochen wird sich fortsetzen“, sagt der Virologe Claude Muller im Gespräch mit dem Tageblatt. Rollt also eine Corona-Welle auf Luxemburg zu? Nicht ganz, denn: Die Inzidenzzahlen sind Muller zufolge nicht der ausschlaggebende Faktor in der Pandemiebekämpfung. „Wichtig ist, wie viele Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden.“
Die Menschen, die potenziell im Krankenhaus oder auf der Intensivstation landen, seien nämlich vornehmlich Ungeimpfte. „Es gab genügend Möglichkeiten, sich in den letzten Monaten impfen zu lassen“, sagt Muller. Den Impffortschritt sieht er bisweilen eher kritisch. „Das Impfangebot wird momentan nicht mehr wirklich in Anspruch genommen.“ Luxemburg liege im europäischen Durchschnitt, was die Impfquote anbelange – obwohl die Politik zahlreiche Hürden zur Impfung abgeschafft habe. „1.200 Menschen, die das Angebot des Impfbusses genutzt haben? Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass das Impfangebot bis vor die Haustür gebracht wurde“, meint der Virologe vom LIH. Auch die Impfquote bei den Jugendlichen – derzeit liegt diese bei 50 Prozent – sei noch deutlich zu niedrig.
Politik für nicht-geimpfte Personen
Einen konkreten Grund will der Experte ebenfalls ausgemacht haben. „Ich glaube, dass wir uns noch immer zu sehr nach den Menschen richten, die sich nicht impfen lassen wollen“, sagt Claude Muller. Aussagen wie die des Bildungsministers Claude Meisch (DP), der verkündete, dass die Maßnahmen in den Schulen existieren, um nicht-geimpfte Erwachsene zu schützen, seien einfach absurd. „Ungeimpfte Personen haben also ein Recht darauf, sich nicht impfen zu lassen, während der Rest von uns sich einschränken muss, um sie zu schützen? Das ist nicht in Ordnung“, findet Muller. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung sei in der Hinsicht kein gleichberechtigter Beschluss. Es hänge zu viel vom guten Willen der nicht-geimpften Personen ab. „Sie halten eine gesamte Gesellschaft in Geiselhaft.“
Bisher sei der Virologe mit den getätigten Lockerungen der vergangenen Monate einverstanden gewesen. „Ein Blick auf die Hospitalisierungszahlen bestätigt den Kurs der Regierung“, sagt Muller. Dennoch befinde sich die Regierung an einem Scheideweg. „Die Politik hat noch nicht realisiert, dass wir uns in einem Stadium der Pandemie befinden, in dem jeder über seine eigene Gesundheit entscheiden kann und muss.“ Die Verantwortung für oder gegen eine Impfung müsse jetzt jeder für sich übernehmen und die entsprechenden Konsequenzen tragen. In der Politik sei hingegen noch immer die Denkweise vorherrschend, dass auch diese Menschen weiterhin geschützt werden müssen.
„Die Maßnahmen differenzieren noch immer nicht genug zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften“, sagt Claude Muller. Testen sei kein Äquivalent und kein Ersatz fürs Impfen. Das treffe insbesondere auf die Schnelltests im stillen Kämmerlein zu. „Ich vermute, dass die, die sich nicht impfen lassen wollen, auch die sind, die regelmäßige Tests ablehnen“, sagt der Virologe im Gespräch mit dem Tageblatt. „Es ist ein nicht hinnehmbares Entgegenkommen an die Nicht-Geimpften, dass sie sich freiwillig freitesten können.“
Es sei deshalb richtig von der Politik, dass kommuniziert werde, dass die meisten Menschen, die im Krankenhaus landen, nicht geimpfte Personen seien, meint Muller – verlangt aber, dass in Zukunft noch differenzierter kommuniziert werde. „Es reicht nicht, zu sagen, dass ein gewisser Prozentsatz der Krankenhausaufenthalte nicht geimpft sei“, sagt Muller. „Das stellt den Impfschutz schlechter dar, als er tatsächlich ist.“ Auch würde das Risiko einer Erkrankung wie auch die Impfquote mit dem Alter steigen, was die Gesamtlage noch undurchsichtiger mache.
Zur Erklärung: In Luxemburg waren dem Wochenbericht vom 8. September der „Santé“ zufolge in der Woche vom 30. August bis zum 5. September 76 Prozent der Hospitalisierungen auf der Normalstation ungeimpfte Personen, 24 Prozent der Patienten mussten trotz Impfung hospitalisiert werden. Am 5. September waren 29 Covid-Patienten auf der Normalstation. Extrapoliert man die Impfrate bei den hospitalisierten Patienten der Woche vom 30. August bis 5. September auf die Hospitalisierungen des 5. Septembers, waren schätzungsweise 22 der 29 Patienten Ungeimpfte, während sieben Patienten vollständig geimpft waren. Die 22 der ungeimpften Patienten stammen jedoch aus einem viel kleineren Pool an ungeimpften Personen – ungefähr 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – als die sieben Patienten, die aus einer viel größeren möglichen Zielgruppe stammen – ungefähr 70 Prozent der Luxemburger Erwachsenenbevölkerung sind nämlich vollständig geimpft. „Daraus ergibt sich ein 7,3-fach höheres Risiko für Nicht-Geimpfte, hospitalisiert zu werden, als für Geimpfte. Und dieser Unterschied vergrößert sich je mehr Personen geimpft sind“, sagt der Virologe. Ergo würde das von der Regierung veröffentlichte Verhältnis die Gesamtlage etwas verzerren.
Claude Muller plädiert ebenfalls dafür, die Zahlen altersabhängig zu analysieren. „In Israel kommt man somit auf Quoten von 89 bis 100 Prozent Schutz vor Hospitalisierung in den Alterskategorien von 12 bis 90“, sagt Muller. „Diese Alterstratifikation ist statistisch notwendig, weil mit dem Alter sowohl das Risiko einer schweren Erkrankung als auch die Impfquote steigt.“
Weit weg von der Herdenimmunität
Taskforce-Mitglied Alexander Skupin schätzt die Gefahr einer vierten Welle als „sehr reell“ ein. „Die Hoffnung ist, dass sie sich dank der Impfungen nicht so stark auf die Krankenhäuser niederschlägt“, sagt er im Gespräch mit dem Tageblatt. „Ich gehe aber davon aus, dass sich die Infektionen aufgrund der Delta-Variante ähnlich entwickeln wie im letzten Herbst.“ Vor allem das Wetter und der Schulbeginn würden zu mehr Interaktionen in geschlossenen Räumen führen. Man sei jedoch weit weg von einer Herdenimmunität, weswegen Skupin mit einem Anstieg der Infektionen rechne. „Wir müssen also die Vulnerablen schützen.“
„Die gute Nachricht ist, dass wir mit der Impfung ein Tool haben, die Pandemie einzudämmen“, sagt Skupin. Damit der ganze Spuk vorbei ist, müssen sich jedoch viel mehr Leute impfen lassen – oder eben infizieren, was es jedoch eher zu vermeiden gelte. „Mit dem Impfen müsste man deshalb noch einen Schub machen.“
Trotz 3G-Modell gebe es gerade bei größeren Menschenansammlungen immer noch ein Restrisiko. „Gerade bei größeren Menschenansammlungen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Person dabei ist“, sagt Skupin. „Das Risiko ist bei der Delta-Variante größer als bei den vorherigen Virus-Varianten.“
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Wir sind in einer Dauerwelle gefangen!
Haben wir ja schon diskutiert.Wer bringt die Krankheiten mit nach Hause? Die Kinder wenn sie aus der Schule kommen. Da sie eben noch nicht geimpft sind ( was sicher eine Nachlässigkeit war ) wird wohl kommen was kommen muß.Jedenfalls für nicht geimpfte Eltern und Bekannte.
C‘est un piège â cons .
na denn, morituri te salutant…
Interessiert doch kaum mehr, es nervt nur noch
Halt ob op ‚t Kanner ze klappen. Et geet duer. Huelt emol ‚t Tomaten vun den Aen a kuckt waat eis Regierung um gaang as ze maachen. Zwietracht Séien an déi Gesond diskriminéieren. Em soss näischt geet et hei. Déi interresséiert sech net déi Boun vir äer Gesondheet