Mosel / Fährmann: Pendeln im Dreiminutentakt
Im Dreiminutentakt legt sie ab und pendelt hin und her. Die Fähre zwischen Wasser- und Oberbillig setzt Auto- und Fahrradfahrer sowie Fußgänger täglich über die Mosel über. Für Laien sieht es so aus, als sei es immer die gleiche Strecke. Kapitän Dieter Feldmann (59) macht ganz andere Erfahrungen.
Die Bezeichnung Kapitän ist traumschiffmäßig „oldschool“. Sowieso sieht Dieter Feldmann anders aus. Er trägt kein weißes Hemd mit Schulterklappen und Verzierungen oder gar eine Mütze. Ihm reichen Jeans und T-Shirt. „Schiffsführer“ klingt zwar nach weniger Romantik, ist aber moderner.
Als Dieter Feldmann vor fast 14 Jahren im Fährdienst auf der Mosel anfängt, liegt schon einiges an Erfahrung hinter ihm. Fast drei Jahrzehnte fährt er auf Container-, Fracht- und Personenschiffen, bevor er seinen Dienst antritt. Deswegen lacht er, als sein Kollege ihm am ersten Arbeitstag prophezeit, dass er zehn Tage braucht, bis er die Strecke beherrscht.
Danach wundert er sich und gibt klein bei. „Er hatte recht“, sagt er im Nachhinein. Normalerweise fahren Binnenschiffer geradeaus den Fluss hinunter. Die Strecke der Fähre über die Mosel verläuft quer. Strömung, Wind, vorbeiziehende Schiffe, Wetter, unterschiedliche Ladungen: Alles ist jeden Tag anders, obwohl die Strecke immer gleich ist.
Das muss er als „Schiffsführer“ der „Sankta Maria II“ Im Blick haben. Deren Vorgängerin, die „Sankta Maria I“, fährt er neun Jahre und er wird sie in ein paar Monaten noch einmal steuern. Die Dieselfähre ist seit 2017 auf der Mosel Geschichte und nun unterwegs, um im Oktober in Kamerun nach der „Pension“ eine neue Aufgabe zu erfüllen.
Die Mosel in alle Richtungen immer im Blick
Vor ein paar Tagen wurde die „Sankta Maria I“ verladen und nach Antwerpen transportiert. Nach 52 Jahren kommt sie in Ngoyla zum Einsatz. Die Stadt im Osten des afrikanischen Landes trennt ein Fluss in zwei Teile. Es gibt weder Fähre noch Brücke. Feldmann wird die neuen Besitzer im Navigieren vor Ort in Afrika einweisen.
Spürt er einen Unterschied zwischen alter und neuer Fähre? „Das ist wie der zwischen Trabbi oder Mercedes“, sagt er. „Bei der alten musste ich die Ruder manuell bedienen, hier ist alles automatisch.“ Seiner relaxten Haltung auf dem großen Sessel oben am Steuerstand ist nicht zu entnehmen, dass er jede Sekunde die fünf Monitore vor ihm im Auge behält.
Damit hat er die Mosel aus allen Richtungen im Blick. Den Sessel verlässt er nur, wenn die Fähre mit einem hörbaren „Rums“ an einem der beiden Ufer angelegt hat. Dann springt er die Treppenstufen runter, begrüßt neue Passagiere und kassiert das Geld für die Überfahrt.
Ab neun Uhr morgens ist es ein bisschen ruhiger, dann sind die Pendler auf der Arbeit. Acht Kilometer sparen Pkw-Fahrer mit der Fähre, wenn sie die Brücke in Grevenmacher nehmen würden. Zwölf Kilometer sind es, wenn sie in der anderen Richtung die nächste Brücke bei Trier nähmen.
65.800 Pkws und knapp 150.000 Passagiere
Früher war es tonnenweise Fracht, heute hat er maximal sechs Pkws an Bord der Moselfähre. Hört sich nach wenig an, ergibt aber eine beachtliche Summe pro Jahr. In diesem Zeitraum transportiert die Fähre nach Angaben der Gemeinde Mertert-Wasserbillig im Durchschnitt 65.800 Autos und bis zu 142.500 Passagiere.
Feldmann stammt aus Würzburg (D). Die Stadt liegt am Main. Ohne ein Gewässer in unmittelbarer Nähe zu leben, kann der Binnenschiffer mit Patent sich nicht vorstellen. „Um Gottes willen“, entfährt es ihm schon bei dem bloßen Gedanken daran. Er lebt in Saarburg (D). Als Schiffsjunge fängt er vor 44 Jahren an. So heißen die Lehrlinge in der Schifffahrt.
Als Matrose transportiert er später Kunstdünger, Kohle, Trockenfutter oder andere Fracht über Rhein, Main oder Neckar und steigt nach Jahren der Frachtschifffahrt auf die Personenschifffahrt um. So wenig wie ein Leben ohne Gewässer in der Nähe infrage kommt, so ausgeschlossen ist von Anfang an das Patent zur See.
Sein Bruder hat es. Und was er da während der Ausbildung von ihm hört, bestärkt ihn in seiner Entscheidung. Sein Bruder sieht wochenlang nur Wasser, Himmel, das Schiff und die Kollegen. „Das wollte ich nicht“, sagt Feldmann. Ihm gefällt es, andere Häfen und Städte zu sehen und Menschen zu begegnen.
„Das ist aber heute leider nicht mehr so“, sagt er. Früher wurde zwei, drei Tage lang die Fracht gelöscht. Da war mindestens ein Landgang möglich. „Heute löschen sie in fünf Stunden, dann geht es gleich weiter“, sagt er bedauernd – als schätze er seine jetzige Arbeit deshalb umso mehr.
Sowieso wird er ab September noch mehr zu tun haben. Dann soll der Fahrbahnbelag auf der B 419 zwischen Temmels und Wellen, das an der Grenzbrücke zu Grevenmacher liegt, erneuert werden. Zwischen September und Dezember 2021 gibt es Verkehrsbeeinträchtigungen. Das geht aus Forum-Einträgen bei diegrenzgaenger.lu hervor.
Die „Sankta Maria II“
Die Autofähre „Sankta Maria II“ ist elektrisch betrieben. Bei ihrer Inbetriebnahme 2017 ist es die erste Fähre dieser Art weltweit. Sechs Stunden lang wird sie nach Dienstschluss für 14 Stunden Fährbetrieb aufgeladen. Sie hat rund 1,6 Millionen Euro gekostet und wurde in Stralsund (D) gebaut. Mit 660.000 Euro hat der „Europäische Fonds für regionale Entwicklung“ die Anschaffung unterstützt. Den Rest der Kosten haben sich die Gemeinden Mertert-Wasserbillig (L) und Oberbillig (D) geteilt.
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