Fairer Handel / Fair Fashion: Der Laden „Akabo“ schließt Ende Mai – das Label geht neue Wege
Die Nachricht verbreitete sich nach der Veröffentlichung sofort: Das Geschäft „Akabo“ in der rue de Bonnevoie schließt seine Türen. Was aus Idealismus gestartet ist, beendet letztendlich die wirtschaftliche Realität. Die ursprüngliche soziale Idee ist an ernüchternden Zahlen gescheitert. Aus dem reinen Handel wird in Zukunft eine Produktion. Betreiber Karel Lambert orientiert sich um.
Die Regale in Karel Lamberts (53) Laden sind leerer als normalerweise. Eine neue Kollektion für 2024 hat er erst gar nicht mehr eingekauft. Seit er seine Kleidung mit 30 Prozent Rabatt oder noch drastischer reduziert anbietet, macht er einen Umsatz, den er sich früher gewünscht hätte. Auf „Alles muss raus“-Schilder hat er bislang verzichtet – auch wenn es dem entspricht, was er derzeit macht. Anfang und Ende des Einzelhandels in dem Hauptstadt-Viertel haben eine lange Geschichte.
Auf einer Weltreise vor 22 Jahren bestätigen eigene Beobachtungen die Geschichten in den Medien über die Produktion von Kleidung. Ökologische Schäden, bittere Armut und unsoziale Arbeitsbedingungen bekommt Lambert auf seiner Reise durch asiatische Länder wie Indien und China mit. Er wird stutzig und macht sich Gedanken. In Düdelingen entdeckt er viele Jahre später einen Laden, der Bio- und Fairtrade-zertifizierte Baby- und Kinderkleidung anbietet. Nachhaltige und zertifizierte Kleidung für Erwachsene gibt es damals noch nicht und eine Idee nimmt in seinem Kopf Form an. Ein Jahr später, 2015, wagt er – mittlerweile verheiratet und drei Kinder – den Sprung in die Selbstständigkeit. Bis dahin ist er in einem völlig anderen Metier, im Bauwesen, unterwegs und arbeitet bei der nationalen Eisenbahngesellschaft CFL.
Von der sozialen Idee zur Ernüchterung
An fünf Tagen die Woche fährt Lambert anfangs in einem eigens dafür umgebauten ehemaligen Linienbus die Parkplätze von Bioläden an. Als Quereinsteiger ohne jegliche Vorkenntnisse bietet er seine Kleidung an, betreibt praktische Marktforschung und bewirbt im Nebeneffekt die Marke Akabo. Es funktioniert, obwohl Lambert sich selbst nicht in der ersten Reihe der Modebewussten sieht.
Es geht ihm auch nicht um ein „Fashion-Statement“. Er will mit seiner Idee viel mehr etwas verändern in der Welt, sie fairer und nachhaltiger machen. Für ihn ist der „Wert“ im Wort Wertschöpfung nicht hoch genug einzuschätzen. Um Ähnliches geht es auch den Befürwortern des Lieferkettengesetzes, das vor nicht allzu langer Zeit EU-weit verabschiedet wurde – nach langen Diskussionen und zahlreichen Versuchen der Lobbyisten, es zu sabotieren.
2017 öffnet Akabo seine Türen in der rue de Bonnevoie im „Garer“ Viertel. Nach sieben Jahren als Einzelhändler hat sich jedoch Ernüchterung eingestellt. „Irgendwann war es nur noch ein Laden“, sagt Lambert. „Mit betriebswirtschaftlichem Zahlenwerk wie Miete, Nebenkosten, Personal und Umsatz.“ Dazwischen geht die „Sache“, der soziale Ansatz, unter. Er verliert die Lust – trotz der hohen Messlatte, die er bei seiner Ware anlegt.
Nachhaltigkeit und Business sind unauflösbarer Widerspruch
Seine Kleidung ist nicht nur „Bio“, sondern auch noch Fairtrade, was nicht dasselbe ist, zertifiziert. Und er macht, was man sich als Kunde wünscht. Er besucht die Produzenten der Baumwolle in Indien und hält Kontakt mit den Weiterverarbeitern, die seine Ware schließlich nach Luxemburg liefern. Das Land ist neben Pakistan, Kirgistan, Tadschikistan, Senegal, Burkina Faso, Uganda und Ägypten eines der Hauptproduzenten von Fairtrade-zertifizierter Baumwolle.
19 zertifizierte Baumwollkooperativen gibt es in den acht Ländern, die insgesamt mehr als 45.000 Baumwollproduzenten repräsentieren. Diese Angaben macht Fairtrade Luxemburg auf Tageblatt-Anfrage. Hört sich gut an, schützt aber die Idealisten nicht vor den Widersprüchen zu Hause. „Es ist schwierig, Nachhaltigkeit mit Business zu verbinden“, sagt Lambert.
Das sagt einer, der es mit einem Laden vor Ort und einer transparenten Wertschöpfungskette probiert hat. Um ihn herum entdecken gerade viele Firmen, dass „nachhaltig“, „Bio“ und womöglich noch Fairtrade gut für das Image sind. Zu „nachhaltig“ gehört allerdings „weniger ist mehr“, was mit der realen Notwendigkeit zu Umsatz kollidiert. „Black Friday, Mid-Season-Sale oder verkaufsoffene Sonntage, um den Umsatz zu steigern, geht gegen meine Ethik“, sagt Lambert.
Da ist es nicht verwunderlich, dass man Sentimentalitäten angesichts der kommenden Schließung bei ihm vergebens sucht – zumal der ideelle Erfolg umso größer ist. Der Laden hat erreicht, weswegen er gegründet wurde: Fair Fashion in Luxemburg bekannt zu machen. Zahlen bestätigen einen Bewusstseinswechsel. Mit geschätzten drei Millionen Euro beziffert Fairtrade Luxemburg den Umsatz im Jahr 2022 und weist darauf hin, dass die Zahl mit dem Online-Handel wahrscheinlich viel höher ist.
Auch das ist etwas, was Lambert beschäftigt. „Einzelhändler wie ich werden wegen des Online-Handels irgendwann wahrscheinlich ganz verschwinden“, sagt er nüchtern und aus eigener Erfahrung. Von Letzterem kann er zehren. Er wird weitermachen und unter dem Label „Akabo“ Berufskleidung für große Arbeitgeber im Land selbst produzieren. Die Kontakte sind da und die ursprüngliche Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein, ist größer denn je.
Das Label Fairtrade
Mit dem Label „Fairtrade“ verbinden Verbraucher Unternehmen und Produzentenorganisationen. Es garantiert, dass die Produzenten, in diesem Fall die Baumwollanbauer, stabile und vom Weltmarktpreis unabhängige Preise erhalten. Außerdem garantiert das Label menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Plantagenarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie für die weiterverarbeitende Industrie. Damit sind Sozialstandards wie Weiterbezahlung bei Krankheit, Gewerkschaften und Kündigungsschutz, um nur ein paar Beispiele zu nennen, gemeint. Die meisten Fairtrade-zertifizierten Textilfabriken gibt es nach Angaben von Fairtrade Luxemburg momentan in Indien. Aus der gleichen Quelle stammt die Aussage, dass es aktuell 35 Geschäfte mit einem Angebot von Fairtrade-zertifizierten Textilien in Luxemburg gibt, darunter Prêt-à-porter, Arbeitskleidung und Druckereien, die Fairtrade-Textilien personalisieren. Am 20. und 21. April finden in der Diekircher „Al Seeërei“ die Fair Fashion Days statt.
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