Aktivismus / „Fairtrade Lëtzebuerg“ wird 30 Jahre alt – und will fairen Handel zur Norm machen
Ein besseres Leben für diejenigen erwirken, die unsere Konsumgüter und Nahrungsmittel produzieren: Dafür setzt sich seit 30 Jahren „Fairtrade Lëtzebuerg“ ein. Die NGO hat dabei eine ganz klare Zielsetzung vor Augen.
Die Vision von „Fairtrade Lëtzebuerg“ sei eine Welt, in der jedes Produkt aus fairem Handel stammt, sagte Präsident Jean-Louis Zeien am vergangenen Donnerstag anlässlich der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum im Betzdorfer Kulturhaus Syrkus. Die NGO will darauf hinarbeiten, dass es etwa im Jahr 2052 unmöglich sein wird, Nahrungsmittel zu kaufen, bei deren Produktion Menschenrechte verletzt wurden. Auch Greenwashing – also Verhaltensweisen oder Aktivitäten von Unternehmen, die den Anschein erwecken, dass sie sich mehr für die Umwelt einsetzen, als es tatsächlich der Fall ist – soll bis dahin der Vergangenheit angehören.
Im Hinblick auf die vielen Krisen, die zurzeit herrschten, sei der Moment gekommen, unsere Gewohnheiten zu überdenken und neu zu erfinden, sagte Geneviève Krol, die Direktorin von „Fairtrade Lëtzebuerg“. Diese Krisen veranschaulichten die Zerbrechlichkeit unserer Lieferketten. Sie zeigten auch, wie sehr die globalisierte Welt heutzutage miteinander verbunden sei. 1,9 Millionen Produzenten und Arbeiter in über 70 Ländern würden derzeit durch Fairtrade von einer besseren Lebenssituation profitieren.
Menschenrechte in unseren Lieferketten respektieren, das muss zur DNA der Unternehmen werdenPräsident von „Fairtrade Lëtzebuerg“
Noch immer werden Frauen, Männer und Kinder für die Produktion von Nahrungsmitteln und anderen Gütern durch Zwangsarbeit ausgebeutet. Ein Lieferkettengesetz könnte dem entgegenwirken: „Menschenrechte in unseren Lieferketten respektieren, das muss zur DNA der Unternehmen werden. Dafür braucht es eine Gesetzgebung hier bei uns und in Europa“, so der Präsident. Seit Jahren engagiert sich Zeien für die Schaffung eines solchen Gesetzestextes. „Ein modernes Unternehmen im 21. Jahrhundert könne es sich nicht mehr leisten, in seiner Lieferkette etwas mit Menschenrechtsverletzungen zu tun zu haben“, sagte der Aktivist dazu in einem Tageblatt-Interview im März 2022.
Ein erster positiver Schritt, doch …
Luxemburg arbeite zwar an einem Gesetzentwurf, doch Zeien geht dies alles zu langsam. Ein Richtlinienvorschlag auf europäischem Niveau liege bereits auf dem Tisch. Es sei ein erster positiver Schritt, allerdings gebe es immer noch sehr viele Lücken zu füllen, so Zeien in einem weiteren Tageblatt-Interview.
Kooperationsminister Franz Fayot (LSAP) trug am vergangenen Donnerstag passend zum Thema des Abends ein upgecyceltes T-Shirt der NGO „The Revival“ aus Ghana. Erstanden hatte er das T-Shirt am Abend zuvor im neuen Geschäft „Lët’z Refashion“, das Teil der Kampagne „Rethink your Clothes“ ist. „Die Kampagne ‚Rethink your Clothes‘ weist uns darauf hin, was unser Konsum bewirkt“, so der Minister. Mit diesem Bewusstsein, welcher Schaden unser Konsumverhalten anrichte, fange alles an. Eine faire Lieferkettengesetzgebung, ein Konsum, in dem Fairtrade das neue Normal wird, all dies basiere auf diesem neuen Verständnis. „Ich bin überzeugt, dass wir unsere wirtschaftlichen Modelle grundlegend ändern müssen“, sagte Fayot. So sei man etwa bereits dabei, die Kreislaufwirtschaft voranzubringen.
Ilres-Studie aus dem Jahr 2020
Eine Ilres-Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass 96 Prozent der Einwohner Luxemburgs vom fairen Handel gehört haben. Fast 74 Prozent der Befragten gaben an, Produkte mit dem Fairtrade-Label zu konsumieren oder zu kaufen. Die Mehrheit war der Meinung, dass alle nationalen Akteure, allen voran der Staat, mit gutem Beispiel vorangehen und auf Fairtrade-Produkte zurückgreifen sollten. Die Studie wurde von der NGO „Fairtrade Lëtzebuerg“ in Zusammenarbeit mit dem Institut Ilres durchgeführt.
„Fairtrade Lëtzebuerg“ ist eine staatlich anerkannte Nichtregierungsorganisation. Der gemeinnützige Verein wurde 1992 gegründet und ist Mitglied des internationalen Fairtrade-Systems. Fairtrade hat den Zweck, für mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel zu kämpfen. Das alternative Handelssystem setzt sich für ein besseres Leben für die Produzenten und Arbeiter in Afrika, Asien und Lateinamerika ein. „Fairtrade Lëtzebuerg“ verkauft keine Waren, sondern vergibt das Label an diverse Produkte. Die Produzenten müssen dafür einige Bedingungen erfüllen und unabhängigen Kontrollen zustimmen. Zu den Fairtrade-Vorgaben gehören, den Wasserverbrauch bei der Produktion zu reduzieren, den CO2-Fußabdruck zu verringern, die biologische Diversität zu erhalten sowie die Anpassung an den Klimawandel zu fördern. Zusätzlich dazu müssen faire Preise ausbezahlt werden.
„Fairtrade-Gemeng“ und „Fairtrade School“
Durch den Kauf von Fairtrade-Produkten unterstützen die Verbraucher, Unternehmen und staatlichen Akteure dieses Handelssystem. Die Produzenten und Arbeiter haben dadurch die Möglichkeit, für sich und ihre Familie eine bessere Zukunft aufzubauen. Kleinbauern sind ein wichtiger Punkt im Bereich der Lebensmittelproduktion: Sie produzieren 50 Prozent aller Lebensmittel und über 80 Prozent der in Entwicklungsländern konsumierten Nahrungsmittel. Zu den Fairtrade-zertifizierten Produkten gehören unter anderem Kaffee, Tee, Reis, Bananen, Schokolade, Kakao, Nüsse wie auch Wein, Blumen oder Fußbälle.
Wahl wurde vor kurzem zur 38. „Fairtrade-Gemeng“ in Luxemburg. „Fairtrade-Gemeng“ ist eine Auszeichnung, die Gemeinden verliehen wird, die sich für den fairen Handel einsetzen. Sie verpflichten sich dazu, bei jeder passenden Gelegenheit auf Produkte mit dem Fairtrade-Label zurückzugreifen.
Schulen können ebenfalls die Zertifizierung „Fairtrade School“ erwerben. Die bisher 26 Fairtrade-Schulen im Großherzogtum stellen ihren Schülern Fairtrade-Produkte zur Verfügung und sensibilisieren die Kinder für das Thema.
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