Rosige Zeiten / Fairtrade-Umsatz ist 2023 trotz Inflation deutlich angestiegen
Der faire Handel hatte 2023 in Luxemburg ein erfolgreiches Jahr. Der Umsatz, der durch den Verkauf von Fairtrade-Produkten im vergangenen Jahr erzielt wurde, betrug 52,3 Millionen Euro – 34 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das Großherzogtum gehört zu den Ländern mit dem höchsten Konsum von „fairen“ Angeboten weltweit.
Jean-Louis Zeien war sichtlich zufrieden angesichts der Zahlen, die er am Dienstagvormittag am Sitz von Fairtrade Lëtzebuerg in Roodt-sur-Syre präsentierte. Im Durchschnitt 79 Euro pro Kopf gaben die Verbraucher hierzulande für Produkte mit dem Fairtrade-Siegel aus, 19 Prozent mehr als 2022. „Und dies trotz des schwierigen Umfelds“, betonte der Präsident der Nichtregierungsorganisation. Damit meint er eine Inflationsrate von 3,2 Prozent: „Die drückte auf den Geldbeutel.“
Fairtrade-Lëtzebuerg-Direktorin Geneviève Krol verwies auf ein „immer größeres und vielfältigeres Angebot“ an Fairtrade-Produkten, die in Luxemburg 327 Unternehmen unter ihrer eigenen Marke anbieten, darunter 299 internationale und 27 luxemburgische. Die luxemburgischen Akteure boten dabei 47 neue luxemburgische Referenzen an und trugen somit dazu bei, dass sich die Produktpalette weiter vergrößert hat: von Kaffee und Tee über Schokoladenartikel und andere Süßwaren, Ananas und Tomaten, Gebäck und Rosen. Insgesamt sind 453 Fairtrade-Produkte von luxemburgischen Marken auf dem Markt erhältlich. Ende 2023 waren in Luxemburg 5.250 Referenzen von Produkten mit dem Fairtrade-Siegel auf dem Markt registriert, davon 635 neue, was einem Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht. 60 Prozent dieser Referenzen tragen das Bio-Siegel.
Fairtrade-Champions
Zwei Lieferketten sind die Fairtrade-Champions des Jahres 2023. Es handelt sich dabei zum einen um Fairtrade-Rosen, zum anderen um Fairtrade-Cashewnüsse, die neu auf dem luxemburgischen Markt sind. Knapp zwei Millionen Fairtrade-Rosen wurden im vergangenen Jahr verkauft, was ein Anstieg von 273 Prozent bedeutet. Laut einer von Max Havelaar Schweiz und dem Migros-Genossenschaftsbund in Auftrag gegebenen Studie verursachen die Fairtrade-Rosensträuße aus Kenia trotz der Transportdistanzen fast 66 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen als Rosen, die in den Niederlanden in Gewächshäusern angebaut werden. Dies ist wiederum auf den hohen Energieverbrauch für die Beheizung und Beleuchtung der Gewächshäuser in Europa zurückzuführen. Aus einer Studie von Social Policy and Development Consulting Limited geht hervor, dass 69 Prozent der Blumenarbeiter auf Fairtrade-zertifizierten Farmen in Ostafrika höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erhalten als ihre Kollegen auf nicht zertifizierten Farmen.
Der zweite große Shooting Star des Jahres 2023 waren Fairtrade-Cashewnüsse, die in der zweiten Jahreshälfte erstmals von einem luxemburgischen Akteur auf den Markt gebracht wurden. Zwar stammen 60 Prozent der weltweiten Produktion aus Westafrika, doch 90 Prozent der Verarbeitung der Früchte findet in Asien statt, also Tausende Kilometer vom afrikanischen Kontinent entfernt, was neben den negativen Umweltauswirkungen nicht zuletzt dazu führt, dass die afrikanischen Erzeuger nicht vom Mehrwert der Verarbeitung profitieren können. Der luxemburgische Akteur bevorzugte daher eine Fairtrade-Lieferkette, bei der die Verarbeitung der Mandeln in den afrikanischen Erzeugerländern erfolgt. In Bezug auf die Umweltauswirkungen sparen Fairtrade-Cashewnüsse im Vergleich zu jenen, die in Afrika angebaut und in Vietnam geschält werden, fast 20 Tonnen CO2 pro 100 Kilogramm ein.
Zu den führenden Fairtrade-Produkten zählen seit ihrer Einführung in Luxemburg im Jahr 1999 die Bananen. Sie setzten ihre Erfolgsgeschichte mit 2.057 Tonnen verkaufter Bananen im Jahr 2023 fort, was einem Plus von fünf Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht. 89 Prozent dieser verkauften Bananen tragen auch das Bio-Siegel. Jede dritte in Luxemburg verzehrte Banane stammt aus dem fairen Handel.
Derweil verzeichnete Fairtrade-Zucker mit 203 verkauften Tonnen ebenfalls einen starken Anstieg von 28 Prozent, der insbesondere auf die Entscheidung eines luxemburgischen Akteurs zurückzuführen ist, künftig nur noch Fairtrade-Zuckerpads als Beilage zu den servierten Kaffees anzubieten. Derweil wurde bei Fairtrade-Tee mit 2,3 Tonnen eine Steigerung von 24 Prozent festgestellt. Nach Einschätzung der Fairtrade-Verantwortlichen ist Tee noch zu wenig in mittleren und großen Supermärkten und in der Gastronomie vertreten.
Kaffee-Krise
„Für die Kaffeebranche war 2023 ein kompliziertes Jahr“, weiß Jean-Louis Zeien. „Es wurde durch den Klimawandel und die Inflation stark beeinflusst, die zu höheren Transport- und Verpackungskosten geführt hatte. Außerdem hatte die Branche weltweit mit anhaltenden Logistikproblemen zu kämpfen.“ Die Kaffeeimporte nach Luxemburg gingen um 22 Prozent zurück. Mit einem Rückgang des Volumens um sechs Prozent hat das historische Fairtrade-Produkt noch gut standgehalten.
Trotz dieses Rückgangs, der zum Teil auf einen Rückgang des Volumens großer ausländischer Akteure zurückzuführen ist, verzeichnete die Mehrheit der hiesigen Kaffeeröstereien einen Anstieg des Verkaufs von Fairtrade-Kaffee. Der Marktanteil der luxemburgischen Akteure liegt bei 40 Prozent. „Der Verkaufschampion für Fairtrade-Kaffee ist übrigens ein luxemburgischer Akteur“, sagte Zeien. Mit 480 Tonnen verkauftem Kaffee im Jahr 2023 hat Fairtrade-Kaffee im Land einen Marktanteil von zwölf Prozent.
Nach einem außerordentlichen Wachstum zwischen 2021 und 2022 verzeichnete der Kakao 2023 einen Rückgang von 13 Prozent, was vor allem auf die Einstellung der Vermarktung einer ausländischen Marke zurückzuführen war. Mit 552 Tonnen verkauftem Kakao im Jahr 2023 hat Fairtrade-Kakao einen Marktanteil von zehn Prozent. Die luxemburgischen Akteure haben einen Fairtrade-Marktanteil von neun Prozent gegenüber 7,1 Prozent im Jahr 2022. Unter den zehn Akteuren, die den Absatz positiv beeinflussten, sind zwei luxemburgische Akteure, die 2023 einen erheblichen Mengenzuwachs verzeichnen konnten.
„Noch Luft nach oben“
Mit 79 Euro durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Fairtrade-gesiegelte Produkte positioniert sich Luxemburg als einer der führenden Fairtrade-Märkte in Europa. „Dennoch bleibt noch Luft nach oben“, sagte Zeien. Erster bleibt die Schweiz mit fast 110 Schweizer Franken (etwa 113 Euro), die pro Person pro Jahr ausgegeben werden. Zum Vergleich gaben die Österreicher 73 Euro, die Belgier 28 Euro, die Deutschen 30 Euro und die Franzosen 20 Euro pro Kopf für faire Produkte aus.
Fairtrade Lëtzebuerg stützt sich vor allem auf zwei wichtige Netzwerke hierzulande: die 38 Gemeinden, die als Fairtrade Gemeng zertifiziert sind, und 27 Schulen, die als Fairtrade School zertifiziert sind. Zusammen sind es über 300 Menschen aus lokalen Aktionsgruppen, die sich für den fairen Handel einsetzen. Hinzu kommen die Geschäfte, die ihren Kunden Fairtrade-Produkte anbieten: in „Weltbuttek“-Läden, mittleren und großen Supermärkten, Bioläden und kleinen Lebensmittelgeschäften sowie Boutiquen oder bei Großhändlern. Hinzukommen jene Restaurationsbetriebe, die am ONLY-Programm teilnehmen, das das ganze Jahr über nur Fairtrade-zertifizierte und biologische Bananen anbietet.
„Durch die Wahl von Fairtrade-zertifizierten Produkten tragen diese Netzwerke und Partner zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Produzenten und Arbeitern in Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik bei“, erklärte Jean-Louis Zeien. Nach den neuesten Zahlen des Monitoring Reports 2023 von Fairtrade International beläuft sich die Fairtrade-Prämie, die an die über zwei Millionen Produzenten und Arbeiter in 1.910 Fairtrade-zertifizierten Organisationen in fast 70 Erzeugerländern zur Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten gezahlt wird, auf über 222 Millionen Euro.
Erinnerung an Fairtrade-Gründer
Die Produzenten profitieren auch von Instrumenten wie dem Fairtrade-Mindestpreis, damit sie ihre Produktionskosten decken und die steigenden Lebenshaltungskosten bewältigen können. Darüber hinaus bietet die Fairtrade-Bewegung konkrete Programme, die darauf abzielen, die Lebensgrundlagen der Produzenten durch verbesserte landwirtschaftliche Praktiken und Produktivität nachhaltig zu stärken.
„Wir begrüßen, dass einige Fairtrade-Werte in den Koalitionsvertrag 2023-2028 der aktuellen Regierung aufgenommen wurden“, sagte der Fairtrade-Lëtzebuerg-Präsident und erinnerte zudem an den im Februar im Alter von 84 Jahren in Mexiko verstorbenen Frans „Francisco“ van der Hoff, den Mitbegründer der Fairtrade-Bewegung. Der niederländische Priester hatte 1988 zusammen mit seinem Landsmann, dem Wirtschaftswissenschaftler Nico Roozen, das Max-Havelaar-Gütesiegel für fairen Handel ins Leben gerufen. Van der Hoff, so zitierte Zeien, habe immer wieder betont: „Wir haben nicht das Recht, auf Kosten anderer zu leben.“
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