Turnen / Fehlende Einnahmen, keine Wettbewerbe: Wie die Vereine mit der Corona-Pandemie umgehen
In kaum einer anderen Sportart in Luxemburg ist das Programm bei den Vereinen so vielfältig und umfasst so viele Altersklassen wie im Turnen: vom Leistungs- bis zum Freizeitsport, vom Kunstturnen über das Eltern-Baby-Turnen, Zumba- und Pilates-Kursen bis hin zu Fitnesseinheiten für Senioren. Die Corona-Pandemie stellt die Vereine vor ganz spezielle Herausforderungen, nicht nur in finanzieller Hinsicht.
Überbrückung: Fast genau ein Jahr ist es inzwischen her, dass die Kunstturner in Luxemburg mit dem Christmas Gym Cup in Bettemburg ihren letzten großen Wettkampf bestreiten konnten. Auch für die Sportler des Allgemeinturnens standen die letzten Wettkämpfe, die Qualifikationsrunden der Coupe de Luxembourg, in den ersten Wochen des laufenden Kalenderjahres auf dem Programm. Seither herrscht in der luxemburgischen Turnwelt – zumindest, was das Wettkampfgeschen betrifft – absoluter Stillstand und bis mindestens Januar 2021 wird sich daran auch nichts ändern. Nicht einfach, die Moral der Betroffenen aufrechtzuerhalten. „Zwei Tage vor der Austragung der Einzelmeisterschaften im Allgemeinturnen, die wir organisieren sollten, erfolgte die Absage. Das war für die Turner schon enttäuschend. 2020 wird es zudem keinen Christmas Gym Cup geben, für uns einfach eine Prestigesache, und auch die Gala, für alle Turner in unserem Verein das Highlight des Jahres, kann zu Beginn des Jahres erst einmal nicht stattfinden“, erklärt Sylvie Jansa, Präsidentin des Réveil Bettemburg, die frustrierende momentane Situation.
„Für die Turner war es ein abrupter Einschnitt, denn der Cut folgte ja von heute auf morgen“, fasst Max Lehnen, Präsident des Sporting Club Beles, die Situation im März zusammen. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch und so stellte man in Beles schnell auf „digitales Training“ um, wie der Präsident weiter erklärt: „Die Trainer haben individuell Kontakt mit den Kindern aufgenommen, sodass sie die Möglichkeit hatten, zu Hause weiter in Bewegung zu bleiben.“ Dabei griff man vor allem auf Challenges zurück, die die Kinder darin unterstützen sollten, kreativ zu werden, beispielsweise selbst Geräte zusammenbauen oder Übungen in Kostümen ausführen. „Für die beste Idee gab es von uns dann auch einen Preis“, betont Lehnen.
Saison 2020/21: Froh waren die Vereine demnach, als im Sommer wieder etwas Normalität aufkam und sie für die neue Saison im September planen konnten, dies jedoch unter den strengen sanitären Maßnahmen: „Wir mussten natürlich die Anzahl an Kursteilnehmern reduzieren“, sagt Camille Schneider, Sekretärin der Union Düdelingen. In Bettemburg ging man sogar noch einen Schritt weiter: „Neueinschreibungen waren in diesem Jahr leider keine möglich.“ Dabei ist das Turnen eine der Grundsportarten, wichtig für die Entwicklung des Körpergefühls und der Koordination bei Kindern, und auch viele andere Sportarten profitieren von der „Grundausbildung“, die junge Sportler beim Turnen erhalten. Wartelisten sind bei den Vereinen auch ohne Corona oftmals keine Seltenheit mehr.
„In der Luft hängen gelassen“
Die Ende Oktober eingeführten neuen Maßnahmen gestalten sich dann einmal mehr als ganz neue Herausforderung. In Düdelingen hat man über Stunden hinweg ein neues Konzept ausgearbeitet und so werden die Kinder ab heute Montag in Vierer-Gruppen eingeteilt, von denen jede ihren eigenen Trainer erhält und drei zur gleichen Zeit trainieren dürfen: „Die verschiedenen Gruppen werden sich jedoch nicht kreuzen“, betont Schneider. Für den Verein ein zusätzlicher Mehraufwand, denn wo sonst bis zu 20 Kinder zur gleichen Zeit trainieren, muss unter den neuen Bedingungen auch der Trainingsplan komplett umgeschmissen werden, auch für die Trainer bedeutet dies demnach einen gewissen Mehraufwand. Etwas anderes kam für die Verantwortlichen jedoch nicht in Frage: „Der Zusammenhalt im Verein ist für die Kinder einfach so wichtig, da hört man von Kindern, die weinten, weil sie nicht zum Training durften. Bleibt zu hoffen, dass nicht gleich wieder eine neue Regelung eintritt und dieses Konzept nicht mehr angewandt werden kann.“ Was mit den Fitness- oder Pilates-Kursen passiert, weiß man in Düdelingen hingegen noch nicht: „Da fühlt man sich doch ein wenig in der Luft hängen gelassen.“
Auch in Bettemburg haben die Trainer ein neues Konzept erstellt: „Die Turnerinnen und Turner trainieren immer in der gleichen, kleinen Gruppe. Der Turnsaal ist dabei in zwei geteilt, doch die verschiedenen Gruppen kommen immer mit einem Zeitunterschied von 30 Minuten rein.“ Die Gruppen, die sonst in einer Trainingseinheit zusammen sind, werden auf die gesamte Woche über verteilt. „Das ist einfach ein riesiger Aufwand“, sagt Jansa.
Beim Sporting Club Beles ruht zurzeit hingegen der Trainingsbetrieb: „Man hat gemerkt, dass die Verunsicherung in den letzten Wochen bei Trainern und Turnern zunahm. Deshalb wollten wir uns für ein neues Konzept erst einmal etwas Zeit lassen und abwarten, ob der Regierungsrat noch einmal über neue Maßnahmen entscheidet.“ Lehnen gibt sich aber optimistisch, dass man mit dem Ende der Allerheiligenferien auch bald wieder in den Trainingsbetrieb übergehen kann.
Finanzen: Aus finanzieller Sicht bedeutet die Pandemie für die Vereine eine ganz neue Situation. Eine der wichtigsten Einnahmequellen ist per se der Jahresbeitrag, den die Turner oder Kursteilnehmer an den Verein zahlen. Dieser variiert und liegt bei der Union Düdelingen beispielsweise zwischen 120 und 350 Euro (Fitnesspass für sämtliche Kurse). „In der letzten Saison haben wir die Beiträge nicht zurückgezahlt, da wir schon im dritten Trimester angekommen waren“, erklärt Schneider, die betont, dass die große Mehrheit der Betroffenen Verständnis für diese Entscheidung hatte. Doch sollte die aktuelle Corona-Lage einen weiteren Lockdown oder eine Schließung der Einrichtungen erfordern, würde man dieses Mal nicht mehr drum herumkommen, die Beiträge zu erstatten: „Die Saison lief gerade einmal sechs Wochen, ein Lockdown wäre eine Katastrophe. Das wären in unserem Fall zwischen 13.000 und 15.000 Euro, die dann wieder weg wären.“ In Beles besteht der Jahresbeitrag hingegen aus 70 Euro: „Wir haben uns schon die Frage gestellt, ob wir den Beitrag kassieren sollen oder nicht, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass wir mit 70 Euro sowieso bereits nicht so hoch liegen.“
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Galas, die die Vereine ausrichten und wo in Düdelingen und Bettemburg ein Gewinn zwischen 16.000 und 20.000 Euro herausspringt. „Der Turnverein ist schon etwas wie eine kleine Firma“, erklärt die Präsidentin des Réveil Bettemburg.
Da man in der neuen Saison sowieso bereits weniger Einschreibungen vornehmen durfte, ergibt sich aus finanzieller Sicht dann noch ein weitreichenderes Problem, wie Camille Schneider erklärt. Denn eine geringere Mitgliederzahl bedeutet gleichzeitig nicht nur weniger Beiträge, sondern auch weniger Zuschüsse und auch beim sogenannten „Qualité+“ – einer Basisbeihilfe von 150 Euro pro Kind bis 15 Jahre für die Vereine, die Trainer mit einem gewissen Qualifikationsniveau einstellen und so für eine optimale Betreuung sorgen können – wird die geringere Anzahl an Einschreibungen sich noch bemerkbar machen, wenn auch erst im kommenden Jahr.
Bei den Düdelingern sind zurzeit anderthalb vollberufliche Trainerstellen besetzt, in Bettemburg sind es zwei, in Beles jedoch keine. Einen großen Umfang macht bei allen drei Vereinen jedoch die Anzahl an weiteren Trainern aus, oft ehemalige Turnerinnen und Turner, die aus dem Klub stammen und sich als „Bénévole“ engagieren und pro Stunde bezahlt werden. „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Trainer die bestmögliche Ausbildung haben und ermutigen sie demnach auch, sich beim Eneps weiterzubilden.“ Für einen bestandenen Trainerkurs gibt es in Düdelingen dann auch eine Prämie und eine höhere Aufwandsentschädigung. Dass sich gerade in einer solchen Situation die hohe Qualifikation der Trainer in einer gewissen Weise negativ auf die Vereine auswirkt, bedauern die Betroffenen.
In Düdelingen fehlen zurzeit Einnahmen von um die 40.000 Euro, für einen kleinen Verein keine unbedeutende Summe. Da kommt der globale Zuschuss der Gemeinde von 1.600 Euro eher einem Tropfen auf den heißen Stein gleich. Auch die 20 Euro, die von Sportminister Dan Kersch für jede „Wettbewerbslizenz“ versprochen wurden, sind in Düdelingen noch nicht im vollen Umfang eingetroffen. „Wir sind froh, dass wir in den letzten Jahren eine kleine Reserve für schwere Phasen angelegt haben. Ich hätte aber nicht gedacht, dass mal so etwas wie eine Pandemie auf uns zukommen würde“, sagt Schneider, die betont, dass man das Jahr 2020 damit überbrücken könne – wenn sich die Krise jedoch noch bis zum nächsten Sommer hinziehe, dann werde es schwer, weiter über die Runden zu kommen. Auch in Bettemburg wird man dieses Jahr überstehen, doch bei einem weiteren Corona-Jahr weiß man bei einem der größten Vereine in Luxemburg ebenfalls nicht, wie es weitergehen soll.
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