Privatwinzer / Feierabendwinzer, medizinische Atteste und neue Statuten
Vom Blatt ablesen, wie bei seinem ersten Auftritt als Präsident an anderer Stelle, wollte er am Montagabend (15. Mai) nicht mehr. Deswegen waren die Papiere schnell wieder in der Jackentasche verschwunden. Auf der ersten Generalversammlung, die Guy Krier als neuer oberster Repräsentant der Privatwinzer (Organisation Professionnelle des Vignerons Indépendants Asbl, OPVI) zu leiten hatte, blickte er zurück und nach vorne. 2022 war trotz Trockenheit ein sehr gutes Jahr für die Mitglieder. Und es gibt Problemfelder.
Es ist Wahlkampf. Anders lässt sich die Politprominenz, die am Montagabend in Remich zur Generalversammlung angereist war, nicht erklären. Nicht nur Wohnungsbauminister Henri Kox („déi gréng“), sondern auch zwei amtierende Bürgermeister und eine ehemalige CSV-Kultur- und Justizministerin reihten sich am Montagabend zwischen die Privatwinzer in die Bänke des Ausbildungs- und Seminarzentrums Cefos in Remich.
Landwirtschafts- und Weinbauminister Claude Haagen war ebenfalls angereist, um das Schlusswort zu halten. Schließlich warten alle gebannt auf das neue Landwirtschaftsgesetz, das, so hieß es, jetzt die politischen Prozeduren durchlaufe. Haagen rechnet damit, dass es bis Mitte/Ende Juli verabschiedet und damit in Kraft ist. Sorgen bereitet den Winzern der Begriff „aktiver Landwirt“, denn daran hängen Subventionen.
An der Mosel gibt es viele Winzer, die kurz vor dem Renteneintrittsalter stehen. „Sie können es sich nicht vorstellen, nicht mehr in ihrem Wingert zu arbeiten, und wollen vielleicht viel später die Pension beantragen“, sagt Präsident Krier. Um diese „Feierabendwinzer“ im Rentenalter geht es. An der Mosel ist man froh, sie zu haben. Die Gefahr ist groß, dass Flächen brachliegen, wenn sie aufhören würden, weil es aktuell keine Nachfolger gibt.
Verschiedene landesspezifische Sachlagen
Bei den Landwirten ist es genau umgekehrt. Viele Jungbauern sind daran interessiert, Flächen von pensionierten Bauern zu übernehmen, sagt Privatwinzerpräsident Krier. Und da das Gesetz für Bauern und Winzer gemacht wird, mussten zwei verschiedene landesspezifische Sachlagen unter einen Hut gebracht werden. Der Kompromiss ist, mit 72 Jahren Lebensalter ist definitiv Schluss.
Ein weiteres heißes Eisen ist die Tatsache, dass die Umweltverwaltung beim Wohnen in Grünzonen genau hinschaut. Weinberge gehören zu den Grünzonen und so mancher Jungbauer würde gerne das Wohnen so nah wie möglich an der Produktion realisieren. Nach drei Treffen mit der Umweltverwaltung konnte ein Kompromiss gefunden werden.
Eine kategorische Ablehnung solcher Vorhaben soll es nicht mehr geben, wie aus der Bilanz von 2022 hervorgeht. Jedes Vorhaben wird individuell geprüft und begutachtet. Und wenn es etwas Universelles gibt, was immer ein Aufreger ist – nicht nur im Weinbau – dann ist es das Thema „Simplification administrative“. „Der Schreibkram bringt uns um“, sagt Krier auf Tageblatt-Nachfrage.
Pragmatische „Simplification“
Erntehelfer, die nur für ein paar Wochen oder manchmal für noch kürzere Zeit anreisen, müssen zum Betriebsarzt. Das betrifft schätzungsweise rund 1.200 Menschen aus dem Ausland und ist eine Vorschrift des „Code du travail“. „Wenn ich einem Erntehelfer, der nur zwei, drei Tage hilft, sage, du musst noch zum Arzt, kommt er überhaupt nicht“, befürchtet Krier. Ohne Erntehelfer aber geht es seit vielen Jahren im Weinbau nicht.
Der Ausweg für die Branche war, dass die Helfer ein Attest ihres Hausarztes im Heimatland mitbringen, das ihnen Arbeitsfähigkeit bescheinigt. Die Privatwinzer fürchten, dass die hauseigene „Simplification“ abgeschafft werden könnte. Minister Haagen konnte auch hier beruhigen. Im Jahr 2022 wurden von der ITM 30 Kontrollen durchgeführt, 13 Betriebe waren konform. Bei den restlichen 17 waren Nachbesserungen erforderlich, die schon nach kurzer Zeit erledigt waren.
Die vier austretenden Mitglieder des Vorstandes konnten durch drei neue ersetzt werden, was wohl im Vorfeld das meiste Kopfzerbrechen bereitet hatte. Mindestens drei und höchsten elf Mitglieder schreiben die neuen Statuten der ASBL vor, die nach 57 Jahren endlich aktualisiert wurden. „Es ist nicht leicht, jemanden für den Vorstand zu finden“, so Jeff Konsbrück (34), Vizepräsident der Vereinigung der Privatwinzer. Er hat maßgeblich die neuen Statuten überarbeitet.
Abgeschafft wurde auch die in den alten Statuten geltende Vorgabe, dass die Vorstandsmitglieder nur aus Betrieben, die ihren Sitz im Kanton Remich oder Grevenmacher haben, stammen dürfen. „Damit hätten wir uns noch länger eingeschränkt“, sagt Konsbrück, der seinen Betrieb in Ahnen hat. Die längst überfälligen Änderungen wurden einstimmig verabschiedet. Es ist der erste große Erfolg des neuen Führungsduos, das nur wenige Wochen nach der Wahl umgesetzt zu haben.
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