/ Filmkritik: „It Chapter Two“ will verstörender sein – und lässt den Zuschauer ratlos zurück
Wurde das erste Kapitel von Stephen Kings Clown-Horror-Verfilmung noch durch die Rahmenhandlung über eine Freundschaft zwischen einer Bande von Verlierern aufgewertet, will der zweite Teil, der 27 Jahre später spielt, mehr von allem und bläst sich dabei wie eines der für den Film charakteristischen roten Luftballons auf – nach dem Knall bleibt konsequenterweise dann auch nur warme Luft.
27 Jahre nachdem sich die Verliererbande des ersten Teils geschworen hatte, den mordenden Clown noch mal gemeinsam zu erledigen, falls dieser erneut für blutige Schlagzeilen sorgen würde, trommelt Mike (Isaiah Mustafa), der als Einziger das Kaff im Maine nie verlassen hat, seine Jugendfreunde wieder zusammen.
Nach einer Sequenzaneinanderreihung, in der wir sehen, wie die mittlerweile fest im professionellen Leben verankerten Freunde auf den Anruf von Mike reagieren – einer erbricht sich, ein weiterer hat einen Autounfall, noch ein anderer schneidet sich die Pulsadern auf, das Ganze hat was von einer morbiden Variante des Blues-Brothers-Motivs –, findet dann (fast) die ganze Bande von damals beim Asiaten in Derry zusammen, feiert die Rückkehr und grübelt über die verstrichenen Jahre nach, bevor es dann ernst wird und Pennywise der Clown in Erscheinung tritt.
Handlung so dünn wie Zigarettenpapier
Zuerst will jeder abhauen, dann halten plötzlich alle zusammen, weil Mike Bill was ins Glas gekippt hat (Stockholm-Syndrom, anyone?) und dieser in einer halluzinogenen Sequenz gesehen hat, wie man Pennywise ein für alle Mal bezwingen kann. Mike meint, man könne den bösen Clown nur zusammen besiegen, weshalb er die Gruppe denn auch auffordert, sich zu trennen, damit jeder auf eigene Faust nach einem persönlichen Artefakt suchen kann – so habe der indianische Stamm der Schokopiwah es ihm erklärt (jeder amerikanische Film braucht seinen indianischen Stamm mit grimmig-gleichgültigem Häuptling, der den naiven Weißen mit Drogen füttert und in esoterisch-magische Rituale einführt).
Man merkt es unschwer: Die Handlung ist so dünn wie Zigarettenpapier, der Plot so kohärent wie die Zeugenaussagen eines Mythomanen. Obwohl Clown Pennywise weiterhin mordet und meuchelt, scheint das in Derry niemanden zu interessieren. Auch der Verliererklub stört sich nicht daran, sondern folgt weiterhin seinem Leader Mike und dessen verschwurbeltem Exorzisierungsplan. Die zusammenhanglose Suche nach Artefakten führt dazu, dass jede Figur ihren ganz eigenen Ängsten ins Gesicht schauen muss, die Sequenzen sind allerdings sinnfrei (einige scheinen reine Flashbacks zu sein, andere spielen in der Gegenwart, ohne dass man wirklich versteht, wieso), punkten zwar erfolgreich mit Schreckmomenten, nehmen dem Film dafür aber, weil diese Vignetten die Hälfte des Streifens ausmachen, jede Kohäsion und Subtilität.
Arrivierte Verlierer
Dass die sieben Jugendfreunde sich weiterhin als Verliererbande feiern, ergibt auch deswegen keinen Sinn, weil uns bereits die Anfangssequenz jeden Einzelnen als arrivierten Bürger dargestellt hat – im Grunde sind diese erfolgreichen Erwachsenen längst nicht mehr die ängstlichen Verlierer von damals, immerhin haben sie am Ende des ersten Teiles ein übernatürliches Monster mit Superheldenkräften in die Knie gezwungen.
Konnte man dem Erstling noch etwas abgewinnen, weil er als Enid-Blyton-Hommage mit viel Blut und Morden eine gewisse Nostalgie einfing, ist dieser Charme nun endgültig verflogen, die Figurenzeichnung und das Schauspiel der erwachsenen Pendants erstaunlich karikaturenhaft und lieblos. Bill (James McAvoy, der sich in letzter Zeit zu sehr auf Horrorfilme fokussiert) ist ein Schriftsteller und Drehbuchautor, dem die Enden nicht gelingen (Achtung: Metaebene und selbsterfüllende Prophezeiung), Beverly (Talentverschwendung, die zweite: Jessica Chastain) hat den misshandelnden Vater gegen einen missbräuchlichen Ehemann ausgetauscht und schreit, weil sie die einzige Frau der Bande ist, auch immer am lautesten auf (Frauen sind eben schreckhafter als Männer und offenbar grundsätzlich hysterisch, suggeriert der Film).
Viel zu lang
Stand-up-Comedian Richie (Bill Hader) hat ein dunkles Geheimnis – er liebt eigentlich Männer. Weil er das nicht eingestehen will, zieht ihn der fiese Pennywise damit auf. Da macht die Anfangssequenz, in der ein schwules Pärchen auf einem „Schueberfouer“-ähnlichen Jahrmarkt verprügelt wird, als Kritik eines homophoben Amerikas mehr Sinn als das staubige Versteckspiel von Richie.
Der übergewichtige Ben ist immer noch in Beverly verliebt, die ihrerseits im ersten Teil in den stammelnden Autor Bill verliebt war. Damit die Dreiecksbeziehung plausibel wird, hat der erwachsene Ben (Jay Ryan) natürlich gut 30 Kilo verloren und sieht jetzt aus wie Assorted-Nails-Sänger Bob Wintersdorff – nur deswegen bekommt er (Achtung Spoiler!) dann im dämlich-kitschigen Ende auch einen Unterwasserkuss ab.
Mit drei Stunden Laufzeit ist der Film viel zu lang geraten, der Showdown fällt aufgrund seiner zu großen Ähnlichkeit zum ersten Teil eher langweilig aus. Zudem will er dem Zuschauer krampfhaft eine Moral aufdrängen (Deine Ängste kannst du bewältigen, indem du einfach nicht daran glaubst) – wobei der Film mit seinen zahlreichen den Erzählfluss hemmenden Flashbacks, die die jugendlichen Schauspieler des ersten Kapitels erneut inszenieren, viel eher zeigt, dass in der Vergangenheit alles besser war. In dem Sinne ist das Konsequenteste an „It Chapter Two“ sein Scheitern selbst.
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Nur sind die Luftballons mit Helium gefüllt und nicht mit warmer Luft.