Luxemburg / Finito, aus und vorbei: Warum Laure Cales ihr Secondhand-Geschäft „Pilea“ aufgeben muss
Silvester steht vor der Tür und für die junge Unternehmerin Laure Cales geht mit 2022 ein Jahr voller Herausforderungen und letztlich einer schweren Entscheidung zu Ende: Vor einigen Wochen hat die 32-Jährige aus Koerich den Entschluss gefasst, sich als Selbstständige aus dem Bereich der Secondhand-Mode zurückzuziehen.
„Es fällt mir unheimlich schwer, dieses Video aufzunehmen, und ich habe das ziemlich lange vor mir hergeschoben“, erklärt Laure Cales und blickt dabei geradewegs in die Kamera. Schweren Herzens teilt die 32-Jährige dann in einem Beitrag in den sozialen Medien mit, dass sie die Selbstständigkeit und ihr Herzensprojekt „Pilea“ aufgibt. „Et ass finito“, sagt die junge Geschäftsinhaberin. Und erklärt geradeheraus, warum sie den Secondhand-Laden aufgeben musste, den sie zuletzt als Pop-up-Store geführt hat: „Ich kann davon nicht leben.“
Ein Rückblick: Die Idee zu einem Laden für Kleidung aus zweiter Hand kommt Laure Cales im Sommer 2019. „Eine Freundin kehrte aus Wien nach Luxemburg zurück und fragte mich, wo sie hier Secondhand kaufen könnte. ‚Nirgends‘, antwortete ich ihr“, erinnert sie sich bei einem Gespräch in ihrem Wohnzimmer in Koerich. So stellt die dynamische Frau damals fest, dass ein Laden mit solcher Kleidung – auch für kleinere Budgets – im Großherzogtum tatsächlich fehlt. „Wäre doch lustig, diese Idee nach Luxemburg zu bringen“, lautet dann die Überlegung.
Laure Cales arbeitet zu dem Zeitpunkt für eine Naturschutzorganisation. Die feste Stelle kündigt sie – trotz Vorbehalte, aber auch mit viel Unterstützung aus dem Umfeld – und wagt den Sprung in die Selbstständigkeit. Die studierte Soziologin absolviert Kurse in Unternehmensführung. Im Januar 2020 werden ihr die Schüssel zu den Geschäftsräumen im hauptstädtischen Bahnhofsviertel überreicht, wo sie im März den nach der sogenannten „Ufopflanze“ benannten Secondhand-Laden eröffnen will. So der Plan. Doch: „Die Kaffeemaschine war installiert, die Kleiderstangen hingen. Dann kam der Lockdown. Wenn man sich selbständig macht, geht man zuvor viele Risiken im Kopf durch – an eine Pandemie denkt man dabei aber nicht“, erinnert sie sich.
Hohe Mietkosten
Doch Laure Cales lässt sich nicht unterkriegen, passt sich wie so viele in der Pandemie der Situation an: Die Kleidung verkauft sie online, außerdem nimmt sie Pflanzen und Vasen in ihr Sortiment auf. „Ich dachte mir, dass die Menschen in dieser Zeit vielleicht Lust haben, es sich zu Hause schön zu machen“, erklärt Cales. Die Idee vom Verkauf von Kaffee und Kuchen – ein wesentlicher Teil ihres ursprünglichen Businessplans – verwirft sie in einer Zeit von Einschränkungen durch die Pandemie wieder. Das Konzept geht auf: Mit den Lockerungen kommt die Kundschaft und der Laden schreibt schwarze Zahlen.
Und doch machen hohe Mietkosten – auch als sie später in ganz Luxemburg auf die Suche nach einem neuen Lokal geht – es ihr schwer. Eine Monatsmiete von 3.000 Euro für eine Ladenfläche um die 80 Quadratmeter in Diekirch ist nur ein Beispiel eines Angebots, das Cales bei der Suche begegnet. Nicht allzu verwunderlich, dass sie sich heute für einen Mietdeckel und höhere Strafen bei ungenutzten Lokalen ausspricht. Und: „Wie bei neuer Kleidung liegt der Steuersatz bei Secondhand bei 17 Prozent“, sagt die Selbstständige und erklärt, dass eine Senkung der Politik als Instrument dienen könnte, um umweltfreundliche Initiativen zu unterstützen.
Denn „Pilea“ ist nicht der einzige Laden der Branche, der zu kämpfen hat. So mussten beispielsweise auch die ersten Unverpacktläden in Luxemburg-Stadt sowie in Düdelingen im Oktober 2022 schließen. Dass die Situation bei anderen in der Branche nicht besser aussieht, findet Laure Cales „dramatisch“. In ihrer Zeit in der Geschäftswelt hat sie den Eindruck gewonnen, dass immer weniger Leute zum Einkaufen in die Stadt oder den Dorfkern gehen. Und stattdessen lieber ein Einkaufszentrum besuchen oder online bestellen. „Bei dem stressigen Lifestyle heutzutage frage ich mich, wann Menschen überhaupt in Geschäfte gehen sollten. Sie arbeiten mindestens acht Stunden am Tag, hinzu kommt das Pendeln“, bemerkt die 32-Jährige. Bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche sei es schwer, noch Zeit zum Bummeln zu finden.
Keine Besserung in Sicht
Hinzu kommt laut der modebewussten Frau, dass einige Menschen kein Interesse an Secondhand haben und Studierende in Luxemburg als Kundschaft fehlen. Und so fällt die Bilanz am Ende des Monats trotz großer Arbeit und Mühen immer nüchtern aus – auch nachdem Laure Cales nach einem Einbruch im Geschäft in der Hauptstadt dieses verlässt und den Laden als Pop-up-Store in Esch, Diekirch oder Düdelingen weiterführt. „Es blieb nie wirklich viel übrig, um mir ein eigenes Gehalt auszuzahlen. Und das Leben in Luxemburg ist teuer“, stellt die Frau fest, die zwar gerne reist, ansonsten aber eher sparsam lebt.
Laure Cales geht zur Bank, zur Steuerberatung und überlegt hin und her. „Man fragt sich dann, inwiefern ein langer Atem Sinn macht und wann es beginnt, einen zu ruinieren. Schon alleine psychisch macht das ja etwas mit einem“, erzählt die Geschäftsinhaberin, die durch die Inflation auch keine Sicht auf Besserung sieht. Und deshalb vor einigen Wochen den schweren Entschluss fasst. „Die erste Frage, die Menschen mir jetzt oft stellen, ist, was ich denn jetzt mache. Aber ich habe noch einiges an Arbeit vor mir – ich muss zum Beispiel das Geschäftsjahr abschließen.“ Und: Auch von dem liebgewonnenen Projekt und der Selbständigkeit muss sich die mutige Unternehmerin verabschieden. Ein Prozess, der Zeit braucht.
Manchmal fragt Laure Cales sich, wie alles ohne Pandemie gekommen wäre oder wie es gewesen wäre, wenn sie sich bis zu Beginn dieser bereits einen Namen in der Geschäftswelt hätte machen können. Sie sieht ihre Erfahrung als Zusammenspiel unglücklicher Faktoren in einer ohnehin für den Handel bereits schwierigen Zeit. Der Politik oder gar der Kundschaft will sie nicht die Schuld geben und sagt selbstbewusst: „Ich kannte die Risiken.“ Laure Cales will sich auf das Positive konzentrieren und stellt fest: „Es war eine tolle Erfahrung und ich würde es immer wieder so tun. Ich vertraue meinem Weg.“
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Es gab schon vor Jahrzehnten den Versuch, Secondhandläden zu betreiben, welche aber auch ohne Pandemie nach wenigen Jahren wieder aufgeben mussten. Es liegt also wohl eher daran, dass kein Interesse an Secondhand-Kleidung besteht.
Öffnungszeiten ab 13.00 Uhr.
Im „Garer Quartier“, wo Tausende zwischen 11.30 und 14.00 Uhr Mittagspause machen.
Ob dies eine gute Geschäftsidee ist, wage ich zu bezweifeln.