Flashback 2020 / Rolgens 42 Euro sind gar nicht so falsch: Was Vertretungslehrer tun und was sie verdienen
Anfang 2020 war noch alles anders. Wie sehr hat das vergangenen Jahr die Welt und Luxemburg verändert? Bis Silvester präsentiert das Tageblatt die interessantesten und bewegendsten Artikel des Jahres der Corona-Pandemie. Dieser Artikel wurde zuerst am 15. Dezember veröffentlicht.
Was bedeutet es eigentlich, Vertretungslehrer in einer Schule zu sein? Ist es wirklich so einfach, wie es Eric Rolgen, YouTuber, in einem Video behauptet? Es sei leicht verdientes Geld und man brauche nichts zu tun, sagt er. Wir haben recherchiert und beim Bildungsministerium nachgefragt, wie die Situation tatsächlich um die Vertretungslehrer gestellt ist.
Eric Rolgen ist YouTuber. Fast eineinhalb Jahre lang war er zudem als Vertretungslehrer für die Grundschulen in der Gemeinde Differdingen im Einsatz. „Das kann ich jedem anraten“, sagt er in einem Video, das seit wenigen Tagen im Netz die Runde dreht und für viel Polemik gesorgt hat. „Das ist geschenktes Geld. Ich glaube, es sind 42 Euro die Stunde, um nichts zu tun“, sagt er. Nun stellen sich folgende Fragen: Stimmt das? Müssen Vertretungslehrer wirklich nichts tun? Wie viel verdienen sie eigentlich? Was ist in der Corona-Krise anders? Das Tageblatt hat recherchiert und beim Bildungsministerium nachgefragt.
Tatsächlich wurden aufgrund der Covid-Krise und des dadurch noch weiter verschärften Lehrermangels die Kriterien zur Einstellung von Vertretungslehrern heruntergeschraubt. Der höhere Bedarf an Vertretungslehrern ist demnach auf die Covid-19-Krise zurückzuführen, so die Pressesprecherin des Bildungsministeriums auf Tageblatt-Nachfrage. Damit hängt auch zusammen, dass schwangere Lehrkräfte seit Anfang des Schuljahres als vulnerabel eingestuft werden und ebenfalls vertreten werden müssen.
Die Bedingungen in Grund- und Sekundarschulen sind allerdings unterschiedlich. Außerhalb der Corona-Krise muss man, um in den Grundschulen Vertretung machen zu können, über eine „Attestation habilitant à faire des remplacements“ verfügen. Diese erlangt man, indem man ein vierwöchiges Praktikum an einer Grundschule absolviert.
Der Kandidat kann allerdings nur zum Praktikum zugelassen werden, wenn er über ein Abiturzeugnis aus einer Luxemburger Schule oder aus einer ausländischen Schule, die vom Bildungsministerium als gleichwertig eingestuft wird, verfügt. Eine weitere Bedingung ist die adäquate Beherrschung der drei Landessprachen. Diese Bedingung ist allerdings durch ein luxemburgisches „Premièresexamen“ bereits erfüllt.
Ein neues Gesetz hat seit Ende Oktober die Bedingung, dass der Kandidat über ein vierwöchiges Praktikum verfügen muss, ausgesetzt. Die zwei anderen Bedingungen (Abiturzeugnis und Kenntnis der drei Amtssprachen) bleiben bestehen. Vorrangig werden allerdings Kandidaten ausgewählt, die über ein Bachelordiplom in Erziehungswissenschaften verfügen. Die Sprecherin des Bildungsministeriums betont, dass die Bedingung des Praktikums zwar ausgesetzt wurde, aber die Möglichkeit weiterhin besteht, einen solchen Stage auch während der Corona-Krise zu absolvieren.
Was ein Vertretungslehrer verdient
Was verdient denn nun ein Vertretungslehrer in der Grundschule? Eric Rolgen spricht in seinem Video von 42 Euro die Stunde. Diese Zahl ist nicht falsch. Das Bildungsministerium nennt für einen „Remplaçant journalier“, der nach dem Prinzip der Deklaration bezahlt wird, den Tarif B. Das sind 5,01 Euro, die mit dem Index 834,76 verrechnet werden. Das ergibt einen Stundenlohn von 41,82 Euro. Hat der Vertretungslehrer Anspruch auf eine „Allocation de famille“, dann steigt die Verrechnungsbasis von 5,01 auf 5,62 Euro. Als „Remplaçant journalier“ gelten Vertreter, die weniger als drei Monate in Folge dieser Arbeit nachgehen. Übersteigt die Dauer drei Monate, wird das Prinzip des „Remplaçant permanent“ angewandt, welches im Gehalt von dem ersteren abweichen kann.
Laut Bildungsministerium können die Vertretungslehrer in den Zyklen 2 bis 4 maximal 24 Unterrichtsstunden geben. Im Zyklus 1 sind es 26 Stunden. Neben den Unterrichtsstunden muss der Lehrer allerdings noch Zeit für die Vorbereitung der Kurse oder Verbesserungen usw. einplanen.
Wie viele Vertretungslehrer gibt es eigentlich? Genaue Zahlen kann uns das Bildungsministerium nicht geben. Demnach wird der Großteil des Bedarfs von den „Remplaçants permanents“ abgedeckt. Als Ergänzung dazu werden diplomierte Lehrer punktuell eingesetzt, die nach dem Prinzip der Überstunden bezahlt werden. Erst nachdem dies ausgeschöpft ist, werden die „Remplaçants journaliers“ gerufen. Der Einsatz Letzterer hängt also stark von der Verfügbarkeit Ersterer ab und variiert demnach von Tag zu Tag, so das Ministerium.
In den Sekundarschulen gibt es kein vergleichbares Prinzip, erklärt die Pressesprecherin. „Hier werden keine einzelnen Stunden durch Vertretungslehrer abgedeckt, sondern CDDs („Chargés d’éducation à durée déterminée et à tâche complète ou partielle“) für bestimmte Situationen eingesetzt.“ Dazu zählen ein längerer Krankenschein sowie Mutterschafts- oder Elternurlaub. Kurzzeitvertretungen werden durch andere Lehrer ausgeglichen, bei denen dadurch unregelmäßige Überstunden anfallen. Auch können pädagogische Assistenten eingesetzt werden, die eine Klasse beaufsichtigen sollen, wenn der eigentliche Lehrer ausfällt.
CDDs können demnach unter dem Status „Employé de l’Etat“ als Vertretungslehrer in einem Lyzeum eingesetzt werden, um länger andauernde Ausfälle abzudecken. CDDs brauchen kein Praktikum abzulegen, wenn sie als solche in den Sekundarschulen eingesetzt werden.
In der Corona-Krise wurden zusätzliche Vertretungslehrer für die Sekundarschulen gesucht. Im Unterschied zu jenen in der Grundschule dürfen diese allerdings keinen Unterricht geben, sondern reine Aufsichtsarbeit verrichten. Dies zum Beispiel in einer Klasse, wo ein vulnerabler Lehrer seinen Unterricht von zu Hause streamt.
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