Kunstturn-EM / FLGym will langfristig ein ganzes Team aufbauen
Am morgigen Mittwoch werden mit den Junioren Quentin Brandenburger und Ronan Foley gleich zwei FLGym-Turner bei der Kunstturn-EM im türkischen Mersin im Einsatz sein. Das Tageblatt unterhielt sich vor der Mehrkampf-Qualifikation mit dem Technischen Direktor des Turnverbandes und Trainer des Herren-Nationalkaders, Jacques Renson, über die Herausforderungen der letzten Monate.
Tageblatt: Wie wichtig ist es für die beiden Turner, in einem schwierigen Jahr 2020 doch noch bei einer Europameisterschaft an den Start gehen zu dürfen?
Jacques Renson: Vor allem für die Motivation ist die Teilnahme an der EM in der Türkei von sehr großer Wichtigkeit. Auf diesem sportlichen Niveau ist es einfach wichtig, wenn man auch weiß, wofür man eigentlich trainiert. Da haben Quentin und Ronan schon Glück, denn die anderen Jungs aus dem Nationalkader trainieren seit Monaten, ohne dabei jedoch ein wirkliches Ziel zu haben, das ist schon recht kompliziert.
Lockdown im Frühling, Verlegung der Europameisterschaft vom Mai in den Dezember, neue sanitäre Maßnahmen und schließlich ein weiterer Lockdown für den Sport in Luxemburg. Wie bereitet man Sportler in einer solchen Situation eigentlich auf einen großen Wettbewerb vor?
Man muss einfach „out of the box“ denken, um in einer solch speziellen Zeit Sachen auch möglich machen zu können, die einem unter normalen Umständen vielleicht gar nicht einfallen würden. Dabei gilt es auch, flexibel zu sein und schnell Lösungen zu finden. Wir sind eine Woche vor der Abreise in die Türkei nach Malmedy gefahren, um uns dort noch einmal in Ruhe vorbereiten zu können. In Luxemburg dürfen wir unter dem neuen Gesetz ja die Räumlichkeiten im INS zurzeit nicht an den Wochenenden nutzen, was schon eine sehr besondere Situation ist. In Belgien waren wir total isoliert, hatten die Sporthalle für uns ganz allein. Das waren dann schon ideale Bedingungen, um sich auf eine EM vorzubereiten. Auch sonst wurden alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die Jungs waren in den Wochen vor der EM ebenfalls komplett isoliert, damit man sie maximal schützen konnte. Aber auch wir waren im Frühling 15 bis 20 Tage ohne Training, das war eine chaotische Phase.
Für die beiden Turner geht es nun vom Training direkt ins Wettkampfgeschehen, ohne vorher einmal das Programm unter Wettbewerbsbedingungen getestet zu haben, wie geht man mental damit um?
Mental ist das sicherlich nicht ideal, denn es ist gang und gäbe, sich vor einem großen Event bei kleineren Wettbewerben vorzubereiten. In anderen Ländern, die in der Türkei am Start sind, wurden hierfür extra auf nationaler Ebene Wettkämpfe organisiert. Wir müssen einfach das Beste aus der Situation machen, dennoch habe ich keinen Zweifel daran, dass die Jungs bestmöglich vorbereitet sind.
Ist es in dem Sinn vielleicht sogar ein Vorteil, dass die beiden Turner noch jung sind und sich nicht zu sehr den Kopf über so etwas zerbrechen, oder fehlt es gerade jetzt an Erfahrung?
Ich gehe von dem Prinzip aus, dass das Alter weder von Vor- noch von Nachteil ist. Ich will auch nicht nach Ausreden suchen. Für mich kommt es ganz auf die Vorbereitung an, da spielt das Alter nicht die entscheidende Rolle. Denn jeder Sportler muss da seine eigene Verantwortung übernehmen, auch wenn man im Seniors-Bereich antritt, lernt man immer noch etwas dazu. Meinen Jungs fehlt es sicher noch an Erfahrung, doch bei jedem Wettbewerb sammeln sie mehr davon.
Wurde die Zeit, die Sie seit März zur Verfügung hatten, denn genutzt, um neue Elemente einzustudieren?
Wir haben viel an neuen Elementen und vor allem daran gearbeitet, den Ausgangswert der Übungen nach oben zu schrauben. Leider sind wir wegen der Pandemie und der sanitären Lage noch nicht dort, wo wir eigentlich zu diesem Zeitpunkt hätten sein wollen. Dennoch gab es in dieser Hinsicht in den letzten Monaten eine schöne Steigerung, nur etwas weniger als geplant.
Erstmals seit vielen Jahren treten bei den Männern bei einer EM zwei Turner für Luxemburg an. Ist es für die beiden von Vorteil, nicht alleine in der Türkei an den Start gehen zu müssen?
Auch wenn die Ziele die gleichen bleiben, erlebt man eine EM innerhalb einer Mannschaft ganz anders als alleine. Der Druck ist dabei auch auf mehrere Schultern verteilt, somit war es schon bei meinem Amtsantritt mein Ziel, für die Zukunft ein ganzes Team im Turnsport aufzubauen. In dieser Hinsicht befinden wir uns zurzeit auch auf einem guten Weg.
Welche Ambitionen haben Sie für den Mehrkampf am Mittwoch?
Wir wollen die Arbeit der letzten Monate auch im Wettbewerb umsetzen, dabei wollen die Jungs ihr Bestmögliches zeigen. Die Ambitionen sind dennoch ziemlich interessant, denn wir wollen uns schon gerne unter den Besten platzieren.
Mehrere große Nationen haben auf eine Teilnahme in der Türkei verzichtet. Wie schätzen Sie denn überhaupt das Niveau dieser EM ein?
Statistisch gesehen ist das Niveau schon ein wenig unter dem der letzten Jahre. Dennoch muss man betonen, dass es noch immer sehr hoch sein wird, wir sind schließlich bei einer Europameisterschaft und besonders historische Turnnationen wie die Ukraine oder Rumänien darf man keinesfalls unterschätzen. Auch die anderen Nationen wollen die Chance nutzen und sich zeigen. Wir nehmen den Wettbewerb so, wie er kommt, ohne dabei die Gegner jedoch kleinzureden.
Sie befinden sich seit dem Wochenende in einer sogenannten „Bubble“ in Mersin. Wie gut ist dies organisiert?
Hier in der Türkei ist alles sehr gut organisiert. Direkt nach unserer Ankunft wurde die Delegation auf Covid-19 getestet, mit einem Nasen- und einem Rachenabstrich. Masken sind überall im Hotel und in der Sporthalle Pflicht, nur die Sportler dürfen diese während des Trainings oder Wettbewerbs abnehmen. Jeder Turner hat zudem seine eigene „Magnesia-Box“, sodass nicht mehrere Turner in eine greifen müssen. Es sind schon spezielle Umstände, aber es ist wichtig, dass der Leistungssport weiter stattfinden kann und auch gezeigt wird, dass dies unter strikten Hygienevorschriften möglich ist.
Mit zwei Turnern bei der Junioren-EM
Seit 2015 ist der Belgier Jacques Renson, der 2017 ebenfalls das Amt des Technischen Direktors bei der FLGym übernahm, beim Turnverband als Trainer für den männlichen Nationalkader im Kunstturnen verantwortlich und setzte nach dem Karriereende von Sascha Palgen 2016 auf einen kompletten Neuanfang. Beim Turnverband fing man somit bei null an, begann, eine komplett neue Generation aufzubauen und zu fördern. Langsam fängt die Arbeit der vergangenen Jahre nun auch an, Früchte zu tragen.
Für Quentin Brandenburger (Etoile Rümelingen) wird der Wettkampf in Mersin die zweite Europameisterschaft bei den Junioren sein. 2018 nahm der 16-jährige und somit älteste Turner der neuen Generation bereits in Glasgow teil, wo er als „Einzelkämpfer“ im Mehrkampf Rang 74 mit einer Wertung von 61,331 Punkten erreichte. Eine Premiere wird hingegen Ronan Foley (Aurore Oetringen) feiern, für den 15-Jährigen ist die EM in der Türkei der erste kontinentale Wettbewerb. Somit werden erstmals seit vielen Jahren zwei Turner für die FLGym bei einem großen internationalen Wettbewerb im Einsatz sein. Drei weitere Talente stehen zudem noch in den Startlöchern und wollen bei der nächsten Junioren-EM mit dabei sein, somit wäre Luxemburg dann mit einem ganzen Team vertreten.
Eigentlich hätte die Europameisterschaft 2020 bereits Ende Mai in Baku stattfinden sollen, aufgrund der sanitären Lage wurde der Wettkampf jedoch nicht nur auf Dezember verlegt, sondern auch der Austragungsort im Oktober geändert. Brandenburger und Foley werden morgen in der dritten und somit letzten Subdivision um 16 Uhr (MEZ) in der Mehrkampf-Qualifikation im Einsatz sein, die 24 Bestplatzierten (maximal zwei pro Nation) werden in das Mehrkampf-Finale am Freitag einziehen. (J.Z.)
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