Thema Spionage im Parlament / Fliegendes Pferd und eine Naturkatastrophe
Eine Aktualitätsstunde, Fragen an die Regierung und eine Interpellation standen am Dienstag auf der Tagesordnung des Parlaments. Vor der knapp fünfstündigen Plenarsitzung am Nachmittag fand am Morgen bereits im Rahmen des Petitionsgesetzes eine öffentliche Debatte zur Ausbildung der Erzieher statt.
Pegasus, ein mythologisches fliegendes Pferd, aber eben auch eine Spionagesoftware, die von der israelischen Firma NSO entwickelt wurde und vertrieben wird, sorgte aufgrund der Recherchen des Journalistenverbundes Forbidden Storys in Zusammenarbeit mit Amnesty International im Frühsommer für einen weltweiten Skandal. Dies, nachdem aufgedeckt wurde, dass das Programm dazu genutzt wurde, Menschenrechtler, Politiker, Journalisten mittels ihre Smartphones auszuspionieren.
Marc Goergen (Piraten) wollte nun im Rahmen dieses Skandals während einer Aktualitätsstunde eine Reihe von Antworten seitens der Regierung, dies auch und besonders, weil die Firma NSO über zwei Filialen und sieben Holdings in Luxemburg verfügt. Die Schadstoffware, so das Infame, könne ohne Zutun des Nutzers auf sein Endgerät (meist ein Handy) geladen werden und dann Gespräche abhören, Mails lesen und selbst schreiben, Kamera und Mikrofon nutzen, selbst wenn diese ausgeschaltet sind.
Goergen erinnerte daran, dass prominente europäische Politiker (wie etwa der französische Staatspräsident Emmanuel Macron) Opfer des Programms wurden, aber auch europäische Staaten, wie etwa Ungarn, die Software zum Ausspionieren von regimekritischen Journalisten und Regierungskritikern nutzten.
Zu geheime Infos
Ob der Luxemburger Staat dieses Programm oder andere kaufte und nutzte, auf diese Fragestellung verzichtete Goergen bewusst, da er sich im Klaren darüber sei, aus Geheimhaltungsgründen hierauf keine Antwort zu bekommen. Er verlangte aber in einer Motion (die später mit 56 Gegenstimmen abgelehnt wurde), dass Abgeordnete in einer eventuell geheimen Kommissionssitzung hierüber informiert werden sollten.
Weiter wollte er wissen, ob auf ein Schreiben von Außenminister Jean Asselborn an die NSO-Tochterfirmen in Luxemburg – in dem er darauf aufmerksam machte, dass keine Software-Exporte, die gegen die Menschenrechte verstoßen könnten, von Luxemburg aus kommerzialisiert werden dürfe – eine Antwort vorliege.
Die CSV lehne, so Laurent Mosar, der sich in einem schlechten Krimi wähnte, informatische Programme ab, die gegen Datenschutz und Menschenrechte verstoßen, gab aber auch zu bedenken, dass solche Software etwa beim Einsatz gegen Pädophile und Terroristen durchaus ihren Nutzen habe. Allerdings sieht die Partei keine Verfehlungen Luxemburgs in diesem Dossier.
Gusty Graas (DP) stellte allgemeine Überlegungen zur Spionage an und verdeutlichte deren Nutzen durch das Zweite-Weltkrieg-Beispiel Enigma. Britischen Spionen gelang es damals, die Nazi-Kommunikation zu dechiffrieren, was das Ende des Krieges beschleunigt habe. Luxemburg, so Graas, brauche mehr technische Mittel und Experten, um der Problematik gegebenenfalls begegnen zu können.
Verbesserte Kontrolle auf EU-Ebene
Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sind laut Yves Cruchten (LSAP) Prämissen für Freiheit und Demokratie. Er verwies auf ein neues EU-Reglement (seit dem 9. September in Kraft), das eine verstärkte Kontrolle von Cyber-Überwachung und mögliche Exportverbote erlaube. Allerdings müsse jetzt politischer Druck auf jene EU-Staaten, wie Ungarn, ausgeübt werden, die sich nicht an die Regeln halten. Eventuell müssten auch nationale Kontrollmechanismen für Exporte geschaffen werden.
Für Stéphanie Empain („déi gréng“) stellen solche Programme eine Gefahr für die Demokratie dar, für Fernand Kartheiser (ADR) sind die Instrumente notwendig im Krieg gegen brutale Extremisten.
Nathalie Oberweis („déi Lénk“) wollte wissen, ob der Luxemburger Geheimdienst (SRE) mit solchen Spionageprogrammen ausgestattet ist. Die Regierung habe im Rahmen des Skandals den Kopf in den Sand gesteckt und gehofft, die Karawane ziehe schnell weiter.
Vertrauliches vom Außenminister
Am 21. Juli, also nach Bekanntwerden des NSO-Skandals, hatte Jean Asselborn einen Brief an die Filialen in Luxemburg gesandt, in dem er auf die Exportregeln verwiesen und Aufklärung darüber verlangt hatte, ob von Luxemburg aus solche Software geliefert worden sei. Eine Antwort habe er auch bekommen, diese sei mit der Aufschrift „confidentiel“ geschmückt gewesen, dennoch wolle er dem Parlament den Inhalt mitteilen.
Pegasus, so die NSO in ihrer Antwort, würde vom Hauptsitz in Tel Aviv vertrieben, dies unter Kontrolle des israelischen Staates, in Luxemburg würde nur Back-Office-Arbeit erledigt. Sollte ein Gesetz, das auf EU-Ebene in Vorbereitung ist, um den Schutz der Menschenrechte bei Firmenaktivitäten zu garantieren, nicht umgesetzt werden können, so werde Luxemburg national gesetzgeberisch aktiv werden, so Jean Asselborn.
Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) erläuterte, dass informatische Überwachung mit entsprechenden Programmen in Luxemburg nur im Fall von Terrorismus und bei Angriffen auf die Sicherheit des Staates erlaubt ist.
Im Rahmen der anschließenden Fragestunde wollte Marc Spautz (CSV) u.a. wissen, wie sich der aktuell hohe Preis von Baumaterialien auf die Baupreise auswirke, und zitierte einen Architekten, der im L’essentiel von 15 Prozent gestiegenen Kosten für Hausbauer berichtet hatte. Mittelstandsminister Lex Delles (DP) sieht bereits eine leichte Beruhigung beim Baumaterial Holz, das wegen Lieferproblemen (teils Corona-bedingt) zeitweise gar nicht mehr zu erhalten war. Der Minister räumte aber auch Probleme bei den Arbeitskräften im Bauwesen ein, die augenblicklich – ähnlich wie im Horeca-Bereich – fehlen würden.
Sozialminister Romain Schneider (LSAP) vermittelte in seiner Antwort auf eine Frage von Nathalie Oberweis Hoffnung in Bezug auf die Rückerstattung der Kosten von Psychotherapien. Nach schwierigen Verhandlungen mit der Vereinigung der Professionellen in dem Bereich, der Fapsilux, könne zeitnah mit der Rückerstattung durch die Gesundheitskasse gerechnet werden.
Kritik im Rahmen der Hochwasserkatastrophe
Gilles Roth (CSV) interpellierte zum Abschluss der gestrigen Sitzung die Regierung im Rahmen der Hochwasserkatastrophe, die am 14. und 15. Juli zu schweren Überschwemmungen in praktisch allen Regionen des Landes geführt hatte. Die Vorwarnung der Bevölkerung, der Alarm, habe nicht gut funktioniert, die Zusammenarbeit zwischen CGDIS (professionelle Hilfskräfte) und Gemeinden habe außerdem nicht optimal geklappt, so der Co-Fraktionssprecher der CSV, der weiter auf die hohen Schäden und eventuell steigende Versicherungsprämien verwies, die Frage der legalen Verantwortung aufwarf und im Rahmen einer Motion einen unabhängigen Bericht zur Katastrophe und ihrer Bewältigung forderte. Die Motion wurde von der gesamten Opposition mitgetragen und später von der Mehrheit verworfen.
Eine Mehrheitsmotion, von Max Hahn (DP) eingereicht, die weitere Verbesserungen beim Katastrophenschutz seitens der Regierung im Rahmen der Kommunikation und weitere technische Problemlösungen anregte, wurde später hingegen angenommen. Die Piraten unterstützten übrigens beide Motionen. Sollte der Bericht über diese Fortführung ihrer Arbeit in dem Bereich nicht zufriedenstellend sein, so werde ein externer Bericht angefordert werden können.
Die Mehrheitsabgeordneten Max Hahn, Dan Biancalana (LSAP) und François Benoît („déi gréng“) räumten zwar einige Fehler bei der Bewältigung der Krise ein – es gebe Verbesserungspotenzial –, verwiesen aber auch auf die außergewöhnliche, nie dagewesene Situation und darauf, dass es keine Opfer während der Katastrophe gegeben habe.
Die Abgeordneten Jeff Engelen (ADR), Myriam Cecchetti („déi Lénk“) und Marc Goergen sahen die Bekämpfung der Überschwemmung und ihrer Auswirkungen kritischer, die Regierung (Staatsminister Xavier Bettel ging auf die Geschehnisse des vergangenen Juli ein und befürchtete im Zusammenhang mit dem Klimawandel, es sei nicht die letzte Naturkatastrophe gewesen, die von dieser Regierung bewältigt werden müsse, Innenministerin Taina Bofferding und Umweltministerin Carole Dieschbourg gaben weitere Erklärungen) verteidigte das Vorgehen der staatlichen Stellen, kündigte Verbesserungen etwa bei der Applikation GouvAlert an und gab Auskunft über einige aufgeworfene Fragen.
Alle lobten allerdings den Einsatz der Hilfskräfte, wenn auch einige mit den erwähnten kritischen Zwischentönen.
Am Mittwoch wird sich das Parlament mit einem ersten Kapitel der Verfassungsreform beschäftigen.
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