/ Flucht vor der Flucht: Es wäre gut, wenn jemand uns Europäern die Augen öffnet
Fußballer Ribéry lässt sich in Dubai sein Steak in Blattgold wickeln, damit es saftig bleibt. Die Mutter aus Syrien hüllt ihr Kind in Griechenland in Alufolie, um es vor Kälte zu schützen. Klar, was von beidem als größerer Skandal empfunden wird. Und es ist ja auch normal. An in Alufolie gewickelte Kinder hat sich unser Auge längst gewöhnt. An Edelmetall auf Nutztierfetzen nicht.
Wieder irren zwei Schiffe mit insgesamt 49 Flüchtlingen im Mittelmeer umher, da weder Italien noch Malta oder Spanien sie einlaufen lassen. Die Niederlande, Frankreich und auch Luxemburg haben Hilfe signalisiert, wollen aber, dass auch andere helfen. Die solidarische Umverteilung in der EU ist gescheitert. Jetzt geht es noch um eine Restsolidarität unter wenigen. Wobei, auch das muss gesagt sein, jeder EU-Staat 49 Menschen mehr aufnehmen könnte. Auch Luxemburg. In einem sind die Rechten in Europa schon weit gekommen. In der Migrationsfrage haben sie ihre Gegner in die Seile geboxt. Dort zappeln diese jetzt herum, schauen hier und schauen dort nach Verbündeten – und, wenn überhaupt, dauert es Tage und Wochen, bis ausreichend Kräfte gebündelt sind, damit nicht einmal 50 Menschen die Möglichkeit auf einen Asylantrag bekommen.
Wie in Libyen legen mittlerweile auch in Frankreich Schlauchboote ab. Der Ärmelkanal ist zur maritimen Flüchtlingsroute geworden. Schlauchboote im Ärmelkanal sind damit wohl das vorerst letzte in einer Reihe an Bildern, die erst verschrecken, dann zur Normalität verblassen. Davor gab es tote Jungen an Badestränden, Afrikaner in Sandalen auf zugeschneiten Alpenpässen, versklavte Flüchtlinge in Libyen. Die überfüllten Schlauchboote vor Libyens Küste oder hilflos mit den Armen um ihr Leben rudernde Afrikaner im Wellengang sind längst Gewohnheit geworden. Eine Schockwirkung haben sie nicht mehr. Nicht dieselbe wie ein Steak in Blattgold zumindest.
Ist uns das Mitgefühl abhandengekommen?
Dieser Meinung sind das „Global Legal Action Network“ und andere Juristen. Sie wollen Italien verklagen. Ein von der New York Times veröffentlichtes Video zeigt, wie gekenterte Flüchtlinge wahlweise auf ein Boot der libyschen Küstenwache zurückmüssen oder ertrinken. Obwohl auch eine andere Rettung möglich gewesen wäre. Die Videos wurden von einem NGO-Schiff aus gedreht. Die Libyer ließen dieses aber nicht zu den Flüchtlingen. So wurden diese Menschen um ihr Recht auf einen Asylantrag gebracht (ganz abgesehen davon, dass ihnen in Libyen Gewalt und Missbrauch drohen). Und da Italien mit Libyen Abkommen geschlossen hat, eine Aufgabe zu übernehmen, die illegal wäre, würde Italien sie selber ausführen, mache Rom sich rechtlich angreifbar. Sagen die Juristen, die auf Italien zielen, aber ganz Europa im Visier haben.
Eine Aktion, die nicht nur den rechtlich schmalen Grat bloßlegt, auf dem sich die EU bewegt. Sie könnte sich zudem zur schallenden Ohrfeige auswachsen für jenen Kontinent, der stets allen die Augen öffnen wollte, wenn es um Menschenrechte ging. Doch vielleicht braucht dieser Kontinent genau das – jemanden, der ihm einmal die Augen öffnet. Ein Gerichtsurteil könnte dabei helfen.
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Das Blattgold Steak von Ribéry zeigt uns, dass wir an der Talsohle angekommen sind, es erinnert an die Dekadenz der alten Römer kurz vor dem Zusammenbruch ihres Imperiums. Dass der französische Fussballstar bei Bayern München sich bei seinem, mit nichts zu rechtfertigendem, Millionengehalt einen vergoldeten Steak von 1.400 Euro
leisten kann, ist eine Sache, damit aber in den sozialen Medien zu protzen ist pervers und provokant. Nicht allen, aber vermutlich der Mehrzahl der Bürger in der westlichen Hemisphäre ist das Mitgefühl, die Empathie, abhanden gekommen. Die erschreckenden und herzzerreissenden Bilder der vor Krieg, Elend, Hunger und Gewalt flüchtenden Menschen sind leider zur Normalität geworden. An wen sollen sich die Ärmsten der Armen denn wenden? Wenn die Reichen nicht bereit sind mit den Armen zu teilen, wenn die EU nicht handelt und konkrete Hilfsmassnahmen ergreift um diese humanitäre Katastrophe zu beenden, werden wir alle im Endeffekt die Verlierer sein. Wenn Ribérys Goldsteak mehr Beachtung geschenkt wird als der flüchtenden, ausgemergelten Mutter mit ihrem ausgehungerten Kind, läuft irgendetwas schief. Trumps Mauer Manie, um die Wohlhabenden vor den Armen zu schützen, ist ein alarmierendes Zeichen von Herzlosigkeit und Menschenverachtung.
Unverständlich ist, dass zumindest für die zwei Kinder(siehe Bild) mit Eltern keine schnelle Lösung gefunden wird.