Integrationsfest / FNCTTFEL ist nun Teil des OGBL: Ein historischer Tag für die Gewerkschaftsbewegung
Fast ein halbes Jahrhundert nach den ersten Gesprächen und Verhandlungen zum Beitritt in den damals als Einheitsgewerkschaft aller arbeitenden Menschen geplanten OGBL wurde die Integration des FNCTTFEL-Landesverbandes in den „Onofhängege Gewerkschaftsbond Lëtzebuerg“ nun Realität. Die Mitglieder werden künftig in drei OGBL-Syndikaten organisiert sein und somit noch stärker für ihre Belange kämpfen können.
Spätestens seit dem außerordentlichen Kongress des Landesverbandes vom 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem hundert Prozent der Delegierten für die Integration stimmten, war klar, dass ein neues Kapitel in der Sozialgeschichte des Landes geschrieben werden würde.
Am 10. Januar 1909 wurde der Generalverband der Eisenbahner des Luxemburger Landes gegründet, eine Gewerkschaft, die später zur „Fédération nationale des cheminots, travailleurs du transport, fonctionnaires et employés luxembourgeois“ werden sollte. 115 Jahre lang vertrat diese Gewerkschaft, auch Landesverband oder Eisenbahnergewerkschaft genannt, die Interessen der Bahnangestellten, aber auch jene von Angestellten bei Staat und Gemeinden und den Pensionären. Die am Mittwoch feierlich begangene Integration in den OGBL beendet keineswegs die Geschichte dieser gewerkschaftlichen Institution – dies betonten alle Redner –, sondern schlägt ein neues Kapitel in ihrer Geschichte auf.
1979: Referendum gegen Beitritt
Während der Verhandlungen zur Gründung des OGBL, die 1978 u.a. unter der Leitung von John Castegnaro stattfanden, wurde die vorgeschlagene Fusion von vielen Mitgliedern des Landesverbandes abgelehnt. Mit mehr als 70 Prozent sprachen sie sich bei einem Referendum gegen die Mitgliedschaft aus. Wie es dazu kam, darüber gehen die Meinungen der beiden Ehrenpräsidenten Josy Konz und Nico Wennmacher auseinander. Immerhin arbeiteten OGBL und Landesverband während der kommenden Jahrzehnte eng zusammen; so im Rahmen der CGT („Confédération générale du travail“), aber auch bei gemeinsamen Aktionen, Erster-Mai-Feiern, Kundgebungen usw.
Erst 2017 sollte es dann zu erneuten Fusionsgesprächen kommen, die damals mit einer ersten diskreten Unterredung zwischen Nico Wennmacher und dem damaligen OGBL-Präsidenten André Roeltgen im Escher Restaurant „Acacia“ stattfanden. Dem Vernehmen nach mussten beide erst einmal um einen anderen Tisch bitten, da u.a. Jean Spautz, ehemaliger LCGB-Präsident und CSV-Arbeitsminister, am Nachbartisch saß; Diskretion in Luxemburg ist so eine Sache …
Die Gespräche wurden fortgeführt und intensiviert, so Nico Wennmacher während seiner Ansprache am Mittwoch, und nach einer Unterbrechung während der Sozialwahlperiode 2019 kam es zu ersten Absichtserklärungen und Beschlüssen. Nach einer Testphase der engen Zusammenarbeit war die Fusion eigentlich erst für Ende dieses Jahres geplant; aufgrund der anstehenden Sozialwahlen wurde allerdings beschlossen, dies vorzuziehen.
Drei der ehemaligen Präsidenten des Landesverbandes ergriffen während der Integrationsfeier im Casino das Wort. Den Anfang machte Josy Konz, der – so Generalsekretär Josy Bourggraff, der die Redner kurz vorstellte – die Gewerkschaft von 1985 bis 1998 präsidierte.
Konz, der nie einen Hehl daraus machte, dass er bereits 1978 für die Integration in den OGBL eintrat, dies gemeinsam mit seinen Kollegen aus der CGT-Jugend, René Bleser, Roby Meis und insbesondere John und Mario Castegnaro, sieht die Schuld des damaligen Scheiterns des Projektes Teilnahme an der Einheitsgewerkschaft hauptsächlich beim FNCTTFEL-Präsidenten dieser Epoche, Jeannot Schneider.
Nach seinem historischen Exkurs rief Konz, der bereits vor wenigen Tagen anlässlich seiner Auszeichnung für 70 Jahre aktive Gewerkschaftsarbeit unterstrichen hatte, mit der Fusion gehe für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung, rief er dazu auf, Gewerkschaften nicht als reine Lohnmaschine zu sehen, sondern auch als Instrument der gesellschaftlichen Einflussnahme. Er beendete seine Intervention mit einem Plädoyer zur Solidarität unter allen arbeitenden Menschen, gegen jedwede Form von Korporatismus.
Nico Wennmacher, Präsident von 1998 bis 2009, beleuchtete die Jahre 1978 und 79 aus seiner Sicht. Ohne das Referendum und die Berücksichtigung der Stimmung unter den Mitgliedern würde es keinen Landesverband mehr gegeben haben, der heute in den OGBL integriert werden könne, so seine Meinung. Er beleuchtete Erfolge der Gewerkschaft in den Jahren nach 1980, insbesondere die Rettung der Nordstrecke der Eisenbahn und den erfolgreichen Index-Streik 1982, und ging auf die Entwicklungen der letzten Jahre ein, die schlussendlich zur Fusion geführt haben.
Nach der Feier müsse nun wieder konsequente Gewerkschaftsarbeit folgen, dies besonders angesichts der neuen neoliberalen Regierung, die u.a. das bewährte nationale Rentensystem bedrohe. Diese Regierung müsse ernsthaft gewarnt werden und dies könne u.a. durch ein gutes Resultat des OGBL bei den Sozialwahlen geschehen. Wie die weiteren Redner rief er deshalb dazu auf, die Liste 2 zu wählen.
Als Sohn des Eisenbahners und aktiven Gewerkschaftsmilitanten Henri Greivelding sei er ganz natürlich zum Verband gestoßen, so Guy Greivelding, Präsident der FNCTTFEL von 2009 bis 2015. Auch Greivelding erinnerte an die Kämpfe der Gewerkschaft, an die große Kundgebung zum Erhalt der Nordstrecke in Ulflingen, an die Aktionen zum Erhalt des Indexsystems, an die vielen Gehälterverhandlungen und die Verteidigung des Rentensystems. Gemeinsam mit europäischen Kollegen habe der Landesverband in der europäischen Transportföderation ETF gegen die Liberalisierung und Privatisierung der Bahn gekämpft.
„Tränen der Freude weinen“
Die Mitglieder des Landesverbandes könnten stolz auf die 115-jährige Geschichte zurückblicken, dürften aber auch stolz sein, nun ein Teil des OGBL zu sein. Schließlich sprach auch der elfte und letzte Präsident des Landesverbandes, Georges Merenz, zu den Gästen der Feier. Gemeinsam mit dem OGBL werde die Gewerkschaft nun weiterleben: größer und stärker. Es sollten deshalb keine Tränen der Trauer, sondern Freudentränen vergossen werden. Die Gewerkschaft wird in den OGBL-Sektionen „Schinn“, SEW (Syndikat Erziehung und Wissenschaft) und SÖD (Syndikat öffentlicher Dienst) weiterbestehen.
OGBL-Präsidentin Nora Back, die zu Beginn der Fusionsgespräche nicht dabei war, sieht den Prozess der Zusammenführung noch nicht als komplett abgeschlossen an und dies sei auch nicht das Ende des Landesverbandes. Es sei vielmehr der Anfang von etwas Großem, so die Vorsitzende jener Gewerkschaft, die das Ziel der Einheitsgewerkschaft in Luxemburg nie aufgegeben hat.
Der restliche Abend im Casino gehörte den anwesenden Militanten, die sich bei Speise und Trank annäherten und so auf die gemeinsame Zukunft im OGBL vorbereiteten.
- Politiker, Gewerkschafter, Freigeist: Nick Clesen ist im Alter von 67 Jahren gestorben - 3. Oktober 2024.
- Konsequent gegen die autoritär-liberal-konservative Rechte - 14. Juli 2024.
- Streit der Form wegen: Klimabonus rückwirkend verlängert - 26. Juni 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos