Sonderparteitag / „Fokusianer“ sehen sich gut aufgestellt
Wie steht es um eine Partei, die sich in der politischen Mitte verortet, aber in der Opposition zur neuen Mitte-rechts-Regierung von Luc Frieden steht? Und die bei den jüngsten Chamberwahlen leer ausging, während die CSV-DP-Koalition mit 35 Parlamentsmandaten vor Kraft strotzt? Fokus geht es gut, lässt sich nach dem außerordentlichen Nationalkongress der Partei am Samstagmorgen in Vichten sagen. Dies hat mehrere Gründe.
„Wir sind eine Partei der Mitte, die den Nagel auf den Kopf trifft“, sagte Bürgermeister Luc Recken zur Begrüßung. Etwa 90 Mitglieder von Fokus haben sich in dem Festsaal der Gemeinde eingefunden. Diese kann durchaus als Hochburg der „Fokusianer“ bezeichnet werden, weil sie hier das Gemeindeoberhaupt stellt. „Wir stehen stabil auf festen Füßen“, fügte Recken hinzu und betonte, dass die im Februar 2022 gegründete Partei über wenig Mittel verfüge, aber bei den Wahlen ein gutes Resultat erzielt habe. Das Ergebnis von knapp 2,5 Prozent habe schließlich zu der „glücklichen Situation“ geführt, „dass wir die staatliche Parteifinanzierung bekommen“, sagte das frühere DP-Mitglied Gary Kneip, zu diesem Zeitpunkt noch Generalsekretär. Fokus steht demnach eine Wahlkampfkostenerstattung von 170.000 Euro zu. Kneip wies darauf hin, dass die Partei schnell gewachsen sei und mittlerweile über 251 Mitglieder verfüge. Davon kommen die meisten zwar aus den Wahlbezirken Süden und Zentrum. Die größten Erfolge beim Urnengang am 8. Oktober erzielte Fokus im Norden und nördlichen Zentrum: Neben Vichten (6,31 Prozent) waren dies vor allem Heffingen (7,86), Colmar-Berg (5,86), Putscheid (5,78) und Tandel (5,66).
„Wir sind gekommen, um zu bleiben“
Für eine politische Gruppierung, die es vor zwei Jahren nicht gab und die neben dem Spitzenkandidaten und einstigen CSV-Parteipräsidenten Frank Engel, den früheren DP-Generalsekretär Marc Ruppert und den Ex-Grünen Luc Majerus zu ihren Gründern zählt und mit Fernand „Bim“ Diederich einen ehemaligen LSAP-Abgeordneten in ihren Reihen hat, kann dies durchaus als guter Start gewertet werden. Dementsprechend gut war auch die Stimmung im Vichtener Festsaal. Marc Ruppert fühlte sich an den Song „Wir sind gekommen, um zu bleiben“ der Band Wir sind Helden erinnert. Er warf die Frage auf, was Fokus zu bieten habe und stellte die Partei als innovativ und modern, „ohne fixe Ideologie“ und „ohne billige Polemik“, dafür aber mit Inhalten dar – und die ihren Platz in der politischen Landschaft schon gefunden habe. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, wiederholte Ruppert und fügte hinzu: „und um zu machen“. Denn in der Partei stecke mehr Potenzial. Die nächste Herausforderung seien die Europawahlen Anfang Juni 2024.
Dass Fokus dabei auf die Erfahrung des langjährigen Europaabgeordneten Frank Engel zähle, gab der Parteipräsident unumwunden zu. Während nach der Wahl der verschiedenen Parteiführungsposten und des Nationalvorstands die Stimmen ausgezählt wurden, ergriff Engel selbst die Gelegenheit. Nachdem er am 8. Oktober den anvisierten Parlamentssitz verfehlt hatte, sei er noch „maßlos enttäuscht“ gewesen. Doch er habe keine Lust aufzugeben, „sondern ich habe Lust zu beweisen, dass wir mehr können als 2,5 Prozent“. Engel klang beim Sonderparteitag selbstbewusster denn je. Der Ex-Parteichef der CSV ließ es sich nicht nehmen, gegen die neue Regierung zu sticheln, und kritisierte, dass die Koalition nicht einmal die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigen konnte, aber über eine Mehrheit von 35 Mandaten verfüge. Engel nannte es eine „fundamentale Ungerechtigkeit“. Das Wahlgesetz müsse geändert werden, forderte er. Dies stehe allerdings nicht in der Koalitionsvereinbarung. Wie schon am Vortag im RTL-Radiointerview sprach er von einer „unendlichen Ambitionslosigkeit“ der Regierung, die er festgestellt habe, als er einen ersten Blick in das Abkommen geworfen hatte. „Dreißig Seiten hätten gereicht“, lautete Engels Kommentar zu dem mehr als 200 Seiten umfassenden Übereinkommen. Außerdem nahm er das Vorhaben der Regierung aufs Korn, gerichtliche Schnellverfahren einzuführen. Damit würde der Rechtsstaat in der Strafjustiz abgeschafft.
Nächstes Ziel Europawahlen
Zu den Kernpunkten von Fokus gehört nicht zuletzt die Kritik an der Dysfunktionalität der staatlichen Institutionen und des Beamtenapparats sowie an demokratischen Defiziten. Dies brachte Engel – „wir möchten eine Modernisierung des Staates“ – mit seiner rhetorischen Brillanz auf den Punkt und erntete dafür lauten Beifall. „Wir bleiben am Ball“, so der Politprofi. Inwiefern der langjährige Europaabgeordnete seine Erfahrung für Fokus in die Europawahlen einbringen wird, ist noch nicht völlig geklärt. Dass diese für ihn eine Herzensangelegenheit ist, war schnell zu erkennen: „Die Wahlen sind ein wesentlicher Moment für unseren Kontinent.“ Dies gilt vor allem angesichts der multiplen Herausforderungen wie Klimawandel und die unter anderem damit verbundene Migration sowie die kriegerischen Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten.
Weiter ausholen konnte Engel nicht, schließlich waren die Stimmen ausgezählt – mit folgendem Ergebnis für das Exekutivkomitee: Zum Parteipräsidenten wurde mit gut 98 Prozent der Stimmen und ohne Gegenkandidat Marc Ruppert wiedergewählt; Ervin Zaljević löst Georges Keipes als Schatzmeister ab; Generalsekretärin wird Anne Winter aus Tandel, die bei den Chamberwahlen als Spitzenkandidatin im Norden ein gutes Ergebnis geholt hatte; als Sprecher wurde Frank Engel bestätigt; Vizepräsidenten sind Luc Majerus und Anne Lecuit. Im Nationalkomitee sind künftig: Anne Winter, Luc Majerus, Ervin Zaljević, Françoise Kirsch, Gary Kneip, Anne Lecuit, Garry Assel, Jeff Steichen, Patrick Gengler, Philippe Kirsch, Franky Klein, Mike Bonomi.
Das Interesse an der Partei scheint nicht abzureißen – auch wenn Teile der Presse seine Partei teils unfairerweise ignoriert hätten, stichelte Engel gegen die Medien. Als positives Zeichen wertete die Parteiführung, dass 500 Sympathisanten den Newsletter abonniert haben und sich zum Ende des Parteikongresses eine Jugendsektion gründete: „de jonke Fokus“. Nun gelte es, die Parteistrukturen zu vertiefen, indem etwa Bezirkssektionen aufgebaut werden, weiß Fokus-Präsident Marc Ruppert, um „den guten Score in die Höhe zu schrauben“. Und sich inmitten des politischen Spektrums zu etablieren.
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Es ist halt gut, dass die fokusianer noch an sich selbst glauben.
An diese partei der mitte ,wo ja inzwischen jeder stehen will, duerfte kaum ein nicht fokusianer noch glauben.
Engels chancen bei der Europawahl duerften auch minimal sein,da eine liste mathematisch um 16% der stimmen braucht um 1 sitz zu erringen.
Und fokus startet bei 2,5%.
Dachte Engel würde nach eigenen Aussagen nicht weitermachen. Nun also der Rücktritt von dem Rücktritt. Wieder ein unglaubwürdiger Politiker, einer unter vielen.