This Hard Minett Land / For wanting things that can only be found in the darkness on the edge of town
Der Stadtrand liegt oft genau im Stadtkern, oft unerwartet, wie ausgespuckt, oft offenkundig im Dunkeln, weil die Schmelzen Schutzwall waren, mittendrin, in den Händen wie Murmeln zwischen den Fingern umherspielend, die sich aneinander reiben, wie Regentropfen, die sich in die Augen legen, das Augenlid vom Leben im Randbezirk des Alltags, im Zentrum der Familie, etwas nach unten gezogen, die Tränen laufen an den Wangen entlang vielleicht bis zum Mund, um dann nach Salz oder nach Meer oder nach verdorbenem Alzettefisch zu riechen oder einer dahingeworfenen Wurst auf den Bürgersteigen, stets irgendeine Melodie im Hirn zu den Händen hin sich schleichend, ein Akkordeon, ein Daumenklavier, Festa de l’Unità auf dem Galgenberg, im Winter vormals zur Schlittschuhpiste aufgespritzt, dann der Kommunistenlibido anheimgestellt, die Vergangenheit mit dem Blick nach vorne, tanzend, die geschundenen Knie in Lederschuhen, blank, strahlend, ein Marsch, ein Walzer, das Rotweinglas torkelnd, ein paar Tropfen auf die Leinenhose, die einzige, den Rock, der einzige, die Hände mit abgebrochenen, pilzbefallenen Fingernägeln, die Tropfen sich vermischend mit dem Speichel und dem Durchatmen des Glücks, das hatte ja alles seinen Sinn, die Lieder und die elende, revoltierende, sich nach vorne ziehende Karawane der besseren Welt, wenn die Alpen dem Fiat, dem kleinen, dem 500-Kubik-Fiat alles abverlangt haben, mit der kleinen Reisetasche und dem kleinen Selbstwert und dem kleinen Schuhwerk, und der großen Sehnsucht, du mieses Stück Vieh, die gen Norden getrieben wurde wie einst die Kälber, jene weißgefleischten mit zarter Leber und großen Glibberaugen, das wird schon noch, wird schon noch mit dem Grasen und dem Leben, vom Stadtrand aus zum Rathausplatz, sowieso, zur Schlachtbank, dem Schlachter mit der Gummischürze und den hungrigen Kindern zu Hause und der Frau, die Haushaltsschürze um die Brust geschnürt, wann kommt er denn endlich, ob er mich packen wird, davor noch einen ersten, letzten Schnaps und einmal kurz hinuntergespült die ganze Minenscheiße, und noch einen Schnaps und noch einen letzten, aber voll gelacht, vom Pansen heraus gelacht, von der Luxemburgerstraße bis zum Marktplatz hin gelacht, bis in den Vorraum des Bürgermeisters hinein, der noch mit dreckigen Nägeln selbst das eine oder andere Terrain freigegeben hat zum Bau des Eigenheimes, weil der Vater ja schon mit dem eigenen die Schulbank gedrückt hat und dem Lehrer mit Papierschnipseln in der Ledermappe das Mogeln vorgemacht hat, den Kommunionsunterricht und Händchenhalten mit der Nachbarin und ihrem schönen Mund, damals schönen Mund noch, im Dunkeln während der Diapositivvorstellung von Kain und Abel mit Jesusgesicht und dem Prügelstock in der Tasche des Pfarrers, nein, der Religionsschwester, der kleinen jungfräulichen mit von Spinnweben zugeschlossener Scham, die Lust ist nicht von dieser Welt, nein, das werd’ ich euch schon beibringen, was für mich gilt, gilt für euch allemal, den Schweißgeruch des Charly Gaul in den Nasenflügeln noch, den kleinen Serpentinen, mit Stöcken gegen das Gesäß schlagend, die Haut des Ellbogens wie gegerbt, bei herabgelassenem Seitenfenster den Zigarettenrauch hinausgeblasen, sogar etwas Schnee zwischen Nebel und Kälte und elender Hitze und Gesang in der Tasche, die Stimmbänder wie durchgerissen, Lederfetzen, daraus Lieder und Hammer und Meißel, die am Mundwinkel mit dem Zigarettenstummel, dem feucht stinkenden, wärmenden Stummel zwischen Zeige- und Mittelfinger auf dem wenig geteerten Weg kleinlaut schrien, kaum noch zu erkennende Minenarbeiter, Schmelzarbeiter, das muss doch nun irgendwann genug sein, ich meine, das ist doch weg, das ist, als ob es nie gewesen ist, weil nichts mehr da ist, nicht am Rande der Stadt und nicht im Zentrum, wenn überhaupt, dann in den Köpfen und diese werden durch die biologisch bestimmte Chronologie von alleine nach unten hin wegrationalisiert, Wehmut nach gestern, ach wo, eine Kleinstadt ohne Randbezirk, weil der Tod stets von außen sich ins Zentrum zieht, der Stadtrand taumelt gerne im Stadtkern, stets ungehalten, das wissen nur jene Eingeweihte, die sich als Kinder noch im Beichtstuhl den Mund am kleinen Holzrahmen festdrückten, zwischen den Sündern und der gelobten Ewigkeit im schwarzen Talar mit den großen starken Händen, die auch würgen konnten, den kleinen Kinderhals zuschnüren konnten, sodass nur noch Schnipsel, Krümel aus den Kleinen kommen konnten, wenn die sich dann endlich beim Fußballspielen auf dem Schlassgoart die Stimme hinausgeschrien haben, der Tonio ist der beste Stürmer, aber in der Schulklasse, da geht das ja nicht mit dem Deutschen und den vollgerotzten Hosen und den Kagullen im Winter an der triefenden Nase, da sollen die Vokabeln dann schon gemäß dem sozialen Rang aufgesagt werden, dem Schulweg als Passionsspiel zwischen den Ingeniörskindern, hindurchgetragen das Kreuz der gelobten Arbeiterschaft zur Kommunion, die ausgetrockneten Kinderseelen, zwischen dem Gebenedeit bist Du unter den Frauen und unter den Frauen lagen ungeborene Kinder, und in ihnen die Demut und der Schabernack der mit Palmwedeln ausgewehten Feste, und dass die Geometrie sich ändern kann je nach dem Betrachtungswinkel, und dass ja nun alles anders sei und neu und gar nicht mehr alt, weil dem Dunkel der Schlote sich das Dunkel dem wegkomplimentierten Gestern und dem leeren Morgen anstelle setzt, und weil der Fisch vom Kopf her stinkt, wird man vom Rand erst dann Lichter sehen, wenn das Zentrum längst schon zubetoniert stumm liegt.
Darkness on the Edge of Town
I lost my money and I lost my wife
Them things don’t seem to matter much to me now
Tonight I’ll be on that hill ’cause I can’t stop
I’ll be on that hill with everything I got
Lives on the line where dreams are found and lost
I’ll be there on time and I’ll pay the cost
For wanting things that can only be found
In the darkness on the edge of town
In the darkness on the edge of town
(Bruce Springsteen, „Darkness on the Edge of Town“, from the album „Darkness on the Edge of Town“, 1978)
Zum Autor
Michel Clees, 1963 geboren und aufgewachsen in Esch/Alzette. Liedermacher und Autor von Theaterstücken und Kurzgeschichten. Arbeitet als Arzt in Esch.
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