Gesundheit / Forscherin bestätigt: Männergrippe ist doch „echt“
Männer „leiden“ bei leichten Erkältungssymptomen scheinbar mehr als Frauen. Über diese sogenannte „Männergrippe“ macht sich nicht zuletzt die Frauenwelt lustig. Eine australische Forscherin will nun aber herausgefunden haben, dass Männer vielleicht doch nicht übertreiben.
Wer kennt das Klischee nicht: Der Ehemann liegt auf dem Sofa – stöhnend, mit Wärmflasche, Tee und dickem Schal ausgerüstet. Die sogenannte „Männergrippe“ hat ihn erwischt. Währenddessen arbeitet die Ehefrau, ebenfalls verkühlt und mit laufender Nase, weiterhin von zu Hause aus, erledigt die Hausarbeiten und kümmert sich um den Partner auf dem Sofa.
Der Begriff „Männergrippe“ ist eine humorvolle Anspielung auf Männer mit leichten Atemwegsinfektionen wie Erkältungen, die ihre Symptome – so der allgemeine Glaube – ganz schön übertreiben. Eine australische Forscherin hat nun hinterfragt, ob es diese Männergrippe tatsächlich existiert, es also eine tatsächliche biologische Begründung für die Symptome von Männern gibt oder diese sie tatsächlich nur vortäuschen.
Laut Thea van de Mortel, eine Professorin an der School of Nursing and Midwifery der australischen Griffith University, könnte sich der Begriff „Männergrippe“ auf eine Reihe von Atemwegsinfektionen beziehen – nicht nur auf eine tatsächliche Grippe, sondern auch auf eine Erkältung oder sogar auf einen leichten Fall von Covid. Symptome können neben Fieber, Gliederschmerzen, Frösteln und Kopfschmerzen, Halsschmerzen, eine laufende Nase und Husten sein, wie sie in einer Analyse für die akademische Webseite „The Conversation“ schreibt.
Symptome „nicht übertrieben“
Im Rahmen ihrer Untersuchung verweist van de Mortel zunächst auf eine zwei Jahre alte Studie, die im Fachmagazin „Science Direct“ veröffentlicht wurde. In dieser schauten sich die Forschenden die Symptome einer akuten Rhinosinusitis näher an. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Nasengänge und Nebenhöhlen, die eine laufende oder verstopfte Nase, Kopfschmerzen oder Gesichtsschmerzen erklären würde.
Im Rahmen ihrer Untersuchung fiel den Forscherinnen und Forschern auf, dass die Teilnehmenden zu Beginn der Erkrankung ähnliche Symptome hatten – egal, ob Männer oder Frauen. An den Tagen fünf und acht der Studie hatten die Frauen dann jedoch weniger oder weniger schwere Symptome als die männlichen Teilnehmer. Mit anderen Worten: Die Frauen erholten sich schneller von ihrer Erkrankung. Dies deutete bereits darauf hin, dass die Männer ihre Symptome nicht übertrieben und sich tatsächlich langsamer erholten. Gleichzeitig ergab die Studie aber auch, dass Frauen die Symptome zu Beginn der Erkrankung oft stärker als Männer spürten.
Ein Plus: Zwei X-Chromosome und Östrogen
Van de Mortel fand nun mehrere plausible Gründe, warum Männer tatsächlich länger unter schlimmeren Symptomen leiden. So gebe es deutliche Unterschiede in der Immunantwort zwischen Männern und Frauen, meinte sie. „Beispielsweise produzieren Frauen im Allgemeinen effizienter Antikörper und reagieren daher wirksamer auf eine Impfung“, so die Forscherin. „Auch andere Aspekte des weiblichen Immunsystems scheinen stärker zu funktionieren.“ Teilweise liegt die tendenziell stärkere Immunreaktion von Frauen wohl daran, dass Frauen zwei X-Chromosomen haben, während Männer nur eines besitzen. „X-Chromosomen tragen wichtige Gene für die Immunfunktion“, schrieb van de Mortel. Und weiter: „Dadurch profitieren Frauen von immunbezogenen Genen aus zwei verschiedenen Chromosomen.“ Hinzu komme, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen ebenfalls die Immunantwort zu stärken scheine.
Auch andere Mediziner kamen bereits zu dem Schluss, dass Frauen ein stärkeres Immunsystem haben. So stellte die Medizinerin Utta Petzold auf der Webseite der deutschen Krankenkasse Barmer die These auf, dass Frauen immunstärker seien, weil sie „immerhin für den Erhalt der Menschheit zuständig sind“. „Tödliche Infekte während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren der Kinder wären fatal gewesen“, schrieb sie. Dazu passe, dass das Hormon Östrogen nicht ein Leben lang einen immunstärkenden Effekt habe: Es sei vor allem zwischen Pubertät und Menopause aktiv – in der Lebensphase also, in der Frauen Kinder gebären könnten.
Nicht Geschlechterstereotypen verstärken
Gleichzeitig verwies die deutsche Medizinerin aber auch auf den häufig weniger gesunden Lebensstil von Männern. Diese würden oftmals mehr Alkohol trinken und rauchen, sich weniger gesund ernähren, sich weniger bewegen und oft „bis zum Umfallen“ arbeiten – „alles Angewohnheiten, die die körperliche Abwehr eher drosseln“, wie Petzold meinte. Die Medizinerin führte in diesem Zusammenhang an, dass zumindest laut europäischer Daten Männer auch häufiger und heftiger an einer Grippe erkranken würden. Auch Tuberkulose, Meningokokken, Pneumokokken und Hepatitis B würden Männer schwerer treffen. Sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) als Folge von Infektionen komme bei Männern häufiger vor.
Die australische Forscherin betonte in ihrer Analyse zudem, dass an einigen Infektionskrankheiten wie Covid mehr Männer als Frauen sterben würden. Dies könne jedoch auch daran liegen, dass Frauen eher zu Schutzmaßnahmen wie Händewaschen, Tragen von Masken oder dem Vermeiden überfüllter Innenräume neigen und im Krankheitsfall häufiger medizinische Hilfe aufsuchen würden, schrieb van de Mortel.
Gerade deswegen ist es laut der australischen Wissenschaftlerin nicht hilfreich, Geschlechterstereotypen zu verstärken und von „Männergrippe“ zu sprechen. Dies könne Männer erst recht davon abhalten, ärztlichen Rat einzuholen. Wer aber tatsächlich ohne einen Arztbesuch auskommt, der sollte von Viren ausgelöste Erkrankungen zumindest mit Ruhe und viel Flüssigkeit und bei Bedarf mit Schmerzmitteln, Halstabletten und abschwellenden Mitteln zur Linderung der Symptome behandeln.
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