Politische Rentrée / Frage der Gerechtigkeit: UEL und ACEL bringen sich für Rentendebatte in Stellung
Die groß angekündigte und breit angelegte Rentendebatte soll im Oktober beginnen. UEL-Präsident Michel Reckinger bringt in einem RTL-Interview die Arbeitgeberseite in Stellung – was wiederum bei der Studentenvereinigung ACEL auf wenig Gegenliebe stößt.
Die von Ministerin Martine Deprez (CSV) angekündigte Rentendebatte soll im Oktober beginnen. Entsprechende Einladungen seien bereits an die verschiedenen Verbände und Organisationen verschickt worden, heißt es beim Radiosender RTL. Die jeweiligen Parteien warten jedoch nicht, sich mit ihren Forderungen bereits in Stellung zu bringen. Patronatsvertreter Michel Reckinger meinte etwa im RTL-Interview am Montagmorgen, dass eine Erhöhung der Beitragszahlungen für die „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL) nicht infrage käme. Das sei eine Frage der Generationengerechtigkeit, das müssten ja dann „die Jungen bezahlen, damit die Alten nichts abgeben müssen“.
Gleichzeitig meint der UEL-Präsident jedoch, dass nur dann aus der Rentenkasse ausbezahlt werden solle, wenn auch tatsächlich einbezahlt werden würde. Konkret spielte Reckinger damit auf Studienjahre, Babyjahre und den „Chômage“ an. „Bis zum Alter von 27 Jahren werden einem die Studienjahre angerechnet, während andere arbeiten gehen und tatsächlich einzahlen“, sagt Reckinger. Das sei eine veraltete Maßnahme aus den 70er-Jahren, als deutlich weniger Menschen studierten. Das sei heute nicht mehr der Fall und demnach ein unnötiger Vorteil. Babyjahre oder „Chômage“-Zeit wolle man nicht aberkennen – jedoch sollten diese nicht aus der Rentenkasse, sondern beispielsweise vom Familienministerium übernommen werden. Auch stellte der UEL-Präsident die Frage nach einer Höchstrente. Zwar wolle man keine Hungerrente in Luxemburg auszahlen, jedoch bestehe beim „taux de remplacement“ im Vergleich zum OECD-Durchschnitt durchaus Spielraum. Auch müsse in der kommenden Diskussion über die hohen Renten im öffentlichen Dienst debattiert werden.
Reaktion der ACEL
Die „Association des cercles d’étudiants luxembourgeois“ (ACEL) findet hingegen Anstoß an der Äußerung des UEL-Präsidenten. „Die Aussage, dass die Studentenjahre dazu führen, dass man nachher etwas kriegt, für das man nicht einbezahlt hat, ist so nicht richtig“, sagt Kimon Leners, ACEL-Präsident auf Tageblatt-Anfrage. Man könne sich diese Jahre zwar anrechnen lassen, um mit 60 Jahren in Rente gehen zu können – jedoch würden sich die Studienjahre im Endeffekt nicht rentensteigernd auswirken. Man könne dann nur den Arbeitsmarkt mit 60 Jahren und einer kleineren Rente verlassen. „Zudem bezieht sich diese Regelung nicht nur auf ein Studium an einer Universität, sondern gilt auch im Falle einer Berufsausbildung – vorausgesetzt, man hat in der Zeit nichts verdient.“
„Der ACEL ist es wichtig, diese Bildungsförderung auch zukünftig beizubehalten“, sagt Leners. In Luxemburg und im Ausland zeichne sich ein immer größer werdender Fachkräftemangel ab. „Um den Standort Luxemburg wettbewerbsfähig zu gestalten, ist es wichtig, Anreize zu setzen, damit Studierende auch nach dem Studium den Weg zurück nach Luxemburg finden.“ Die Herausforderungen der Zukunft würden ein für geschultes Personal attraktives Luxemburg voraussetzen.
Debatte mit Vorlauf
Die Ministerin für Soziale Sicherheit, Martine Deprez, hatte bereits kurz nach Beginn der neuen Legislaturperiode angekündigt, eine groß angelegte Debatte um das Rentensystem in Luxemburg führen zu wollen. Im Tageblatt-Interview im Januar 2024 meinte Deprez: „Das System hat drei Säulen. Für die erste sind die Sozialpartner zuständig, die müssen also auf jeden Fall am Tisch sitzen. Aber nicht nur die. Es geht auch darum, die aktuellen Rentner mit ins Gespräch zu bringen. Und die Akteure, die wissen, wie lange man den Leuten zumuten kann, zu arbeiten. Man muss auch schauen, was alternative Finanzierungsquellen sein könnten. Damit sind wir bei der zweiten und dritten Säule. Da gehört dann der ganze Banken- und Versicherungssektor dazu, die Steuern, der Finanzminister. Das sind viele Akteure, die an so einem großen Haus mitbauen müssen.“
Wie schwierig die Debatte werden wird, zeigt sich unter anderem am Gutachten des „Conseil économique et social“. Um eine gemeinsame Basis für die Diskussion zu haben, wurde der „Conseil économique et social“ zur Erstellung eines „Avis“ gefragt. Herausgekommen sind zwei grundsätzlich verschiedene Texte. Selbst in dem Gremium, das die Zusammenarbeit als grundlegende Mission hat, haben es die Sozialpartner nicht fertiggebracht, einen gemeinsamen Text zur Lage des Systems zu verfassen. Sylvain Hoffmann, der Direktor der „Chambre des salariés Luxembourg“ (CSL), warnte im Gespräch mit dem Tageblatt vor ähnlichen Langzeitverschlechterungen wie bei der Reform 2012.
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