Musikfestival „Congés Annulés“ / „Francis of Delirium“: Eine Luxemburger Band mit Star-Potenzial
Auf dem Sommerfestival „Congés Annulés“ lassen es Bands dieses Jahr wieder gehörig krachen. Mindestens ein Juwel kam dabei schon zum Vorschein: die Luxemburger Band „Francis of Delirium“.
Sonne auf der Haut, Musik im Ohr – so verbringt man den Sommer gerne. Besonders, wenn die Musik gefällt, und das scheint sie hier auf dem Rotondes-Gelände offensichtlich zu tun. Die Besucher, die einzeln über den belebten Platz spazieren oder in Grüppchen zusammenstehen, scheinen entspannt. Auf dem einen oder anderen Gesicht ruht ein zufriedenes Lächeln, die Hände halten einen Becher, in dem mit verlockender Klarheit ein schäumendes Kaltgetränk schwappt. So geht Kultur – zumindest auf dem sprühenden Musikfestival „Congés Annulés“, das sich über mehrere Wochen hinzieht und dieses Jahr vom 29. Juli bis zum 24. August stattfindet.
Das jährliche Event sorgt dafür, dass das kulturelle Leben in Luxemburg während der Sommermonate nicht völlig zum Erliegen kommt, auch wenn Hitze und Trockenzeit der schwitzenden Bevölkerung zu schaffen machen. Dafür werden aus dem In- und Ausland Bands und Künstler angeworben, die sich in Musikrichtungen jenseits des Mainstreams zu Hause fühlen. Für relativ wenig Geld können Besucher so Perlen blühender (Sub-)Genres kennenlernen: Die Konzertpreise variieren meist zwischen fünf und 20 Euro, verschiedene Veranstaltungen sind auch völlig kostenfrei – ein Glück für all jene Geldbeutel, die seit Beginn der Inflation geschrumpft sind. Das Line-up ist ein Potpourri der besonderen Art: Egal, ob man sich nun von Melodien berauschen lassen möchte, die zwischen japanischer Ballade und bulgarischem Folk flottieren, oder man doch eher auf nuancenreiche Rockmusik setzt, um den eigenen schwingenden Schopf einmal gut durchzulüften – für (fast) jeden Geschmack ist hier etwas dabei.
Schon für einen Preis nominiert
Unter den genannten Hochglanz-Perlen befindet sich auch die in den Fließgewässern des Indie-Rock schwimmende Band „Francis of Delirium“. Über die Landesgrenzen hinaus hat das in Luxemburg lebende Trio – vormaliges Duo – schon für Aufmerksamkeit gesorgt. Dieses Jahr wurde es gar für die renommierten „Music Moves Europe Awards“ nominiert. Damit wurde den Musikern eine herausragende Ehrung zuteil, auch wenn sie letztlich nicht zu den Gewinnern zählten.
Von Interesse sind aber nicht nur die den Gehörgängen schmeichelnden Sounds der Band, sondern auch ihre ungewöhnliche Geschichte: Gegründet wurde die Musikgruppe von der jetzt 20-jährigen Sängerin, Songwriterin und Gitarristin Jana Bahrich und dem fast 30 Jahre älteren Schlagzeuger Chris Hewett. Das ungleiche Doppel hatte sich über Hewetts Kinder kennengelernt, mit denen Bahrich zur Schule ging und Freundschaft schloss. Für seinen Nachwuchs hatte der gebürtige Seattler eine Familienband gegründet und in die trat irgendwann auch Bahrich ein. Danach begann für beide dann die „Francis-of-Delirium“-Ära – ein ungewöhnlicher Start, die als Hintergrundstory der Band einen besonderen Charme verleiht. Nun aber wurde aus der Zweierkombo ein Dreigestirn; und am Schlagzeug befindet sich nicht mehr Hewett, sondern der junge Luxemburger Denis Schumacher. Auf dem neu hinzugekommenen E-Bass spielt Jeff Hennico. In dieser Konstellation tourte die Luxemburger Rockband u.a. schon durch die USA.
Bisher veröffentlichte „Francis of Delirium“ drei EPs: „All Change“ (2020), „Wading“ (2021) und „The Funhouse“ (2022). Zurzeit arbeitet das Gespann an seinem ersten Album. Nach eigener Aussage zieht die in Vancouver geborene Frontfrau viel Inspiration aus dem klassischen Grunge der Neunziger, der durch Größen wie „Pearl Jam“ und „Nirvana“ Eingang in den Mainstream fand. Beim Hören ihrer Musik fühlt man sich zudem an Klassiker wie „The Strokes“, „The White Stripes“ und „The Hives“ erinnert, zudem scheint der Einfluss von Alternativ-Rock-Ikonen wie Alanis Morissette oder auch neueren, melancholisch-zarteren Stimmen wie die von Phoebe Bridgers durchzuschimmern.
Ein Auftritt, der es in sich hatte
Alles andere als melancholisch-zart ging es auf der Bühne in den Innereien des Rotondes-Gebäudes am Donnerstagabend zu. Den musikalischen Pfad trat „Odds Ratio“ als Vorband aus. Für die ebenfalls im Indie-Rock verwurzelte Musikgruppe sei es der erste Gig überhaupt, erzählte der Sänger zwischen zwei Liedern. Mit ihrer explosiven Musik schafften es die Männer, das wippende und klatschende Publikum auf den Mainact einzustimmen – damit gelang „Odds Ratio“ sowohl die Eröffnung des Abends als auch der Auftakt zu ihrer Bandkarriere.
Eine Show der Extraklasse lieferte dann „Francis of Delirium“. Wundervoll unter Kontrolle hat die junge Sängerin zweierlei: ihre Stimme – ihre Vocals waren trotz erwähnter ,dehydration‘ und Mundtrockenheit durchweg glasklar – und das Publikum, das sie mit selbstbewusster Professionalität und rockig-schnoddriger Unbedarftheit dazu brachte, bei ihrem letzten und berühmtesten Song „Quit Fucking Around“ hochzuspringen und laut mitzusingen. Auch ihr Instrument beherrschte die Songschreiberin, die sich laut etwaiger Interviews das Gitarrespielen selbst beigebracht hatte, ausgezeichnet. Sie bewies ihr Talent als Musikerin und Performerin, unterhielt das Publikum mit kurzen, amüsanten Anekdoten über ihre letzten Auftritte und wandte sich beim Spielen immer wieder dem E-Bassisten Hennico zu, der – wie Drummer Schumacher – beim Spielen vollen Körpereinsatz zeigte.
Dass die Dreiergruppe einen Song von „The Districts“, mit denen sie gemeinsam getourt hatte, als Zeichen ihrer Wertschätzung coverte, machte die Band noch sympathischer – und das Publikum bekam die Möglichkeit, die Klänge einer weiteren stürmischen Rockgruppe kennenzulernen. „We’re officialy fanboys“, sprach Bahrich vor Beginn der Cover-Interpretation ins Mikro. Nach ihrer reifen Leistung am vergangenen Donnerstag wird wohl auch „Francis of Delirium“ einige Fanboys und -girls dazugewonnen haben.
Coming next
Lust auf Musik? Die kommenden Konzerte sind:
6.8.: „Italia 90“ (mit Unterstützung von „marcel“)
7.8: „Moritz Fasbender“
9.8.: „Kate NV“ (mit Unterstützung von „Cosmokramer“)
10.8.: „Odd Couple“ (mit Unterstützung von „First Mote“)
11.8.: „DJ PC“
12.8.: „TEKE::TEKE“ (mit Unterstützung von „No Metal in this Battle“)
13.8.: „Squid“
14.8.: „Geese“ (mit Unterstützung von „Minivan“)
16.8.: „Battles“
17.8.: „Mono“
18.8.: „Daily Vacation“ und „Raftside“
19.8.: „Surprise Chef“
20.8.: „100,7 Air Break“ mit „LINQ“, „Sheebaba“, „Loivós“ und DJ „DonSimon“
21.8.: „Grace Cummings“ (mit Unterstützung von „Florence Besch“)
22.8.: „Donny Benét“
23.8.: „Dock in Absolute“
24.8.: „Congés Annulés Closing Night“ mit „AUA“ und „PVA“
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