Parlamentswahl / Frankreich hat gewählt, Luxemburg reagiert: So denken die Parteien über den Wahlausgang
Unerwartet gewinnt Frankreichs Linke die Parlamentswahl. Das Regierungslager steht besser da als befürchtet. Die ersten politischen Reaktionen aus Luxemburg im Überblick.
„Macron wurde entzaubert“
Francine Closener, Parteipräsidentin der LSAP, zeigt sich in einer ersten Reaktion erleichtert über den Wahlausgang in Frankreich. „Die Mobilisierung der Gauche hat funktioniert, sie ist erste Kraft“, sagt Closener. Die Rechtsextremen seien weniger stark als erwartet gewählt worden, auch wenn sie Sitze hinzugewonnen haben. Jedoch: „Eine neue Regierung zu bilden, wird kompliziert.“ Es müsse in erster Linie wieder darum gehen, den Bürgern das Vertrauen in die Politik zurückzugeben. Die Verachtung habe man in den vergangenen Wochen und Monaten spüren können. „Wenn sich jetzt nichts ändert, lauert die extreme Rechte auf 2027“, analysiert Closener weiter. 2027 stehen die nächsten Präsidentschaftswahlen in Frankreich an. Jean-Luc Mélenchon müsse sich jetzt zurückhalten, der „Parti socialiste“ hingegen den Lead übernehmen. „Radikalisierung, egal ob von links oder rechts, kann nicht die Antwort sein.“ Nur eins sei gesichert: „Macron wurde entzaubert.“ 2017 habe er sich noch feiern lassen. Das sei nun vorbei. „Jetzt muss das Linksbündnis sich zusammenreißen und sich auf den Alltag konzentrieren.“ Kaufkraft, Bildung, Klimaschutz seien Themen, bei denen nun nicht mehr von oben herab regiert werden dürfe.
Soziale und ökologische Antworten
Dem Co-Sprecher von „déi Lénk“, Gary Diderich, hatte „unser Nachbar Frankreich Anlass zur Angst gegeben, doch seit der Nouveau Front populaire sich zusammengetan hat, gab es auch Anlass zur Hoffnung“. Und mit Hoffnung könne man seit Sonntagabend auch über die Grenze hinüberschauen. Die rechte Gefahr durch den Rassemblement national sei „kurzfristig gebannt“ worden. Das starke Wahlergebnis für den NFP zeige, „dass die Menschen in Frankreich das einzige Wahlprogramm gewählt haben, das ihren Sorgen Rechnung trägt – dies, indem es Antworten auf sozialistische und ökologische Art gibt“.
Die Challenge jetzt sei es, dieser Verantwortung gerecht zu werden und auf Basis dieses Programms zu regieren. Jetzt sei es an „jenen, die es so vermasselt haben, dass wir erst einmal in einer solchen Situation angekommen sind, und das ist das Lager von Emmanuel Macron, die nötigen Kompromisse einzugehen und das Programm des NFP mitzutragen“. Die Hoffnung der Menschen müsse erfüllt werden. Nur so könne die Gefahr durch den RN mehr als nur kurzfristig gebannt werden. „Und das geht nur mit einer sozialen Politik, die die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nimmt“, sagt Diderich.
„Ein großes Uff“
Für Gilles Baum, Fraktionschef der DP, ist das vorläufige Ergebnis vom Sonntagabend „für sehr viele Menschen in Frankreich, aber auch in Europa und natürlich in Luxemburg zuerst einmal ein großes Uff!“. Vor allem, da „der Durchmarsch des Rassemblement national von Bardella und Le Pen nicht stattgefunden hat“. Aber nicht nur der Nouveau Front populaire habe gut abgeschnitten. „Auch die Parteien aus der Mitte, Macrons Partei und die Républicains, haben ein wesentlich besseres Resultat erzielt, als ihnen vorausgesagt wurde“, sagt Baum. „Das starke Ergebnis des NFP von Mélenchon muss man anerkennen – die Hauptnachricht des Abends aber bleibt, dass der Rassemblement national, auch wenn sie leicht gestärkt daraus hervorgehen, diese Wahlen definitiv nicht gewonnen hat“, so Baum. „Das ist eine sehr gute Nachricht.“ Trotzdem müsse man sich „eingestehen, dass der RN von Wahl zu Wahl hinzugewinnt“. Das könne man nicht leugnen. Zudem werde „die Aufstellung einer neuen Regierung, die sich von ganz links bis Mitte rechts spannen wird, keine einfache Aufgabe sein“.
„Mit einem blauen Auge davongekommen“
„Mein erster Gedanke? Uff!“, meint CSV-Fraktionspräsident Marc Spautz zum Ausgang der französischen Parlamentswahlen. „Ich hatte Angst, dass sich die Prognosen mit einem Rassemblement national als stärkste Partei bewahrheiten würden.“ Die Situation sei aufgrund des französischen Systems aber sehr schwierig, da nun eine Koalition gebildet werden müsse. Und Jean-Luc Mélenchon habe schon angekündigt, keine eingehen zu wollen. „Wenn ich mir aber nur die Zahlen anschaue, müsste eine Koalition möglich sein.“
Das würde beinhalten, dass es trotzdem zu einer teilweisen „Cohabitation“ kommen könnte – auch wenn Macrons Ensemble Teil einer Koalition wäre. „Das wird die Koalitionsverhandlungen nicht einfacher machen“, sagt Spautz. Auch deswegen nicht, weil die jeweiligen Parteienbündnisse ihre Politiken aufeinander abstimmen müssten. „Ich habe bereits in der Europawahlnacht gesagt, dass die Auflösung des Parlaments verfrüht war“, so Spautz. Hätte man die Wahlen im Herbst angesetzt, hätte man einen anderen Wahlkampf führen können. „Jetzt sind sie mit einem blauen Auge davongekommen – weil ein Rassemblement national an der Spitze von Frankreichs Regierung wäre schlecht für Europa gewesen.“
CSV-Parteichef und Premierminister Luc Frieden wollte am Sonntagabend keine Stellungnahme abgeben, „bis mehr Klarheit herrsche“, wie es vonseiten seiner Pressesprecherin hieß.
„Gute Neuigkeiten“
Meris Sehovic, Co-Präsident von „déi gréng“, spricht in einer ersten Reaktion von „nervenaufreibenden Tagen und Wochen“. Er sei „erleichtert, dass der ‚front républicain‘ noch mal gegriffen hat, dass die Absprachen, um Triangulaires zu verhindern, funktioniert haben und der linke Block als stärkste Kraft aus diesen Wahlen hervorgeht“. So habe der Durchmarsch des Rassemblement national verhindert werden können und der Rechtsruck falle „weniger stark aus als befürchtet“.
„Das sind alles gute Neuigkeiten“, sagt Sehovic, „darüber kann und soll man sich heute Abend freuen.“ Andererseits stehe Frankreich vor einer schwierigen Regierungsbildung, da kein Block eine Mehrheit hat. „In den kommenden Tagen und Wochen und nach einer polarisierenden Kampagne werden wir die Idee dieses ‚front républicain‘ der Demokraten weiter brauchen – und damit Demokraten brauchen, die Brücken bauen zwischen den verschiedenen Lagern“, sagt Sehovic.
Brandmauer hat gehalten
„Die Brandmauer hat gehalten“, sagt der Piraten-Abgeordnete Sven Clement. Es bleibe allerdings abzuwarten, wie sich das Kräfteverhältnis innerhalb der neuen Koalitionen austariere. „Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Zweckbündnis langfristig auch regierungsfähig ist“, sagt Clement. „Da sind doch sehr unterschiedliche Charaktere dabei.“
Der Luxemburger Pirat betrachtet das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Ein weinendes, weil auch 133 Sitze für den RN verdammt viele sind – ein lachendes, weil keine weitere rechtspopulistische Regierung zustande kommen wird.“ Clement erwartet, dass der RN weiter Frontalopposition fahren und sich darüber beklagen wird, dass unfaire Taktiken im Spiel waren. „Das Spielbuch des RN ist ja klar – es ist die Frage, wie empfänglich die Franzosen dafür sind.“
Das werde sich aber erst im Vorfeld der Präsidentschaftswahl zeigen. „Der Vorteil ist, dass die im Endeffekt nach der Vorrunde eine binäre Wahl ist.“ Und seit den Wahlen vom Sonntag sei davon auszugehen, dass der RN keinen mehrheitsfähigen Kandidaten aufstellen kann. „Wobei mir natürlich vor einer Konfrontation Le Pen gegen Mélenchon Angst und Bange wäre“, sagt Clement.
„Schwierige Situation“
Der ADR-Fraktionspräsident Fred Keup meint auf Tageblatt-Anfrage, dass Frankreich mit diesem Wahlergebnis auch in naher Zukunft politisch nicht zur Ruhe komme. „Es ist eine schwierige Situation, weil die drei Blöcke ein plus minus ähnliches Resultat eingefahren haben“, sagt Keup angesichts der Hochrechnungen zur Sitzverteilung des Nouveau Front populaire, des Rassemblement national und des präsidialen Camps Ensemble. „Das ist für die nächsten Monate und Jahre ein Problem, weil es zu einem Stillstand kommen könnte.“ Auch deswegen, weil die Franzosen keine parlamentarische Koalitionstradition hätten.
„Ich finde es jedoch interessant, dass RTL schreibt, dass der Rassemblement national verloren hat“, so Keup weiter. Dabei hätte die Partei von Marine Le Pen doch Sitze hinzugewonnen. Auch sei der Fortbestand des Front populaire laut dem ADR-Politiker alles andere als gesichert. „Sie werden wohl in ihre einzelnen Gruppierungen zerfallen.“
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