Informelles Treffen / Frankreichs EU-Ratsvorsitz bringt Bewegung in die Migrationspolitik
Der französische EU-Ratsvorsitz hat Bewegung in die seit Jahren verschleppte EU-Migrationspolitik gebracht. Bei einem informellen Treffen einigten sich die EU-Innenminister darauf, in mehreren Etappen die Migrations- und Asylpolitik der Union zu reformieren.
Der Stillstand im Ministerrat in Sachen einer gemeinsamen Migrations- und Asylpolitik wird seit Jahren immer dann sichtbar, wenn wieder einmal ein Rettungsschiff privater Hilfsorganisationen mit Hunderten Flüchtlingen an Bord im Mittelmeer einen Anlaufhafen sucht. Immer wieder aufs Neue müssen dann aufnahmewillige EU-Länder gefunden werden, damit, wie es meistens der Fall war, Italien oder Griechenland sich nicht allein um die Schutzsuchenden kümmern müssen. Zwar wurde im Zuge der großen Flüchtlingswelle im Sommer 2015 unter luxemburgischem EU-Ratsvorsitz beschlossen, dass künftig alle EU-Mitgliedstaaten Flüchtlinge aufnehmen müssen, um die Ankunftsländer an der EU-Außengrenze, insbesondere Italien und Griechenland, zu entlasten. Doch von Beginn an lehnten vor allem osteuropäische Länder, allen voran Ungarn und Polen, mit zum Teil fremdenfeindlichen Argumenten dieses Vorgehen ab. Mit dem Resultat, dass auch andere, seitdem vorgelegte Reformvorhaben in der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik nicht weitergebracht werden konnten.
Der französische Innenminister Gérald Darmanin feierte es daher gestern als großen Sieg des EU-Ratsvorsitzes seines Landes, dass sich die 27 einstimmig auf eine neue Vorgehensweise geeinigt haben, um zu neuen Regeln in der Migrationspolitik zu gelangen. Dies soll in drei Etappen erreicht werden. „Die Strategie des Alles oder Nichts führte zu Nichts“, sagte Darmanin gestern nach der Tagung. In einer ersten Etappe solle festgelegt werden, dass EU-Staaten, die keine Migranten aufnehmen wollen, „einen großen finanziellen Beitrag leisten sollen“, erklärte der französische Innenminister weiter. Zwar hatten sich die EU-Staaten bereits 2019 bei einem Treffen in der maltesischen Hauptstadt Valletta auf diesen Mechanismus geeinigt. Jetzt aber soll der finanzielle Beitrag „verpflichtend“ sein, wie Darmanin betonte.
Migranten aufnehmen oder zahlen
Wie viele Staaten sich bereit erklärten, künftig Migranten aufzunehmen, darauf wollte auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der gestern am informellen Treffen im französischen Lille teilgenommen hatte, nicht eingehen. In Medienberichten war von zwölf Staaten die Rede. Asselborn zählt zu dieser „Koalition der Willigen“ neben Luxemburg nur noch Deutschland und Frankreich, sowie Portugal, Irland und Finnland. Diese Länder hatten auch in der Vergangenheit immer wieder Flüchtlinge, die von Rettungsschiffen im Mittelmeer geborgen wurden, aufgenommen. Asselborn verwies aber darauf, dass sich einige EU-Staaten noch nicht entschieden hätten. Festgelegt werden muss nun unter anderem, nach welchen Kriterien die Anzahl der Migranten bestimmt wird, die die sogenannten „Willigen“ aufnehmen, und welchen Betrag die anderen Staaten zahlen müssen. Wobei der auch für Migration zuständige luxemburgische Minister darauf hinwies, dass für einen Flüchtling mindestens 25.000 Euro pro Jahr an Unterhaltskosten anfallen können.
Im März soll über diese und andere Fragen der ersten Etappe diskutiert werden, so Gérald Darmanin weiter. So auch darüber, wie die ankommenden Flüchtlinge künftig an den EU-Außengrenzen registriert werden sollen. Den Vorstellungen der französischen EU-Ratspräsidentschaft zufolge soll dies umfassender geschehen, samt Foto und biometrischer Daten, die in der europäischen Datenbank Eurodac hinterlegt werden sollen. Jean Asselborn sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, bereits in diesem Stadium jene Migranten zu identifizieren, die keine Chance auf Asyl in der EU haben, und sie mithilfe der Internationalen Organisation für Migration zurück in ihre Herkunftsländer zu bringen. Zur ersten Etappe gehöre auch, mit den Herkunftsländern über die Rückführung abgewiesener Asylsuchenden zu verhandeln, wie Darmanin Donnerstag erklärte. Wobei der Franzose auch schon mal Druck ausüben will, indem den betroffenen Ländern gedroht wird, ihnen keine Visa für die EU mehr auszustellen, sollten sie nicht kooperieren. Frankreich habe dies bereits mit nordafrikanischen Ländern so gehandhabt.
Erster „Schengenrat“ tagt am 3. März
Reformiert werden soll zudem der Schengenraum. Auch hier erzielte der französische EU-Ratsvorsitz einen ersten Erfolg. So soll sich künftig ein sogenannter „Schengenrat“ nach dem Vorbild der Eurogruppe mit der politischen Führung des Schengeraumes befassen. Daran sollen auch die assoziierten Staaten teilnehmen, wie beispielsweise die Schweiz, die zwar im Schengenraum, aber nicht in der EU Mitglied sind, sagte die Schweizer Justizministerin Karin Keller-Sutter gestern vor der Tagung. Am 3. März soll die erste Tagung des „Schengenrates“ stattfinden, der einer besseren Koordinierung der beteiligten Staaten dienen soll.
Frankreich geht es bei der Reform unter anderem darum, die Kontrolle an den Außengrenzen zu verbessern. Dazu wiederum hat sich Agenturberichten zufolge eine sogenannte „Allianz der Vernunft“ von 16 EU-Staaten zusammengefunden, die weniger Flüchtlinge aufnehmen will, dafür aber die EU-Außengrenzen durch Zäune und andere Befestigungen aufzurüsten gedenkt. Finanziert werden soll dies aus dem EU-Haushalt, was die EU-Kommission jedoch bisher ablehnte. Jean Asselborn geht es dabei vor allem darum, dass der freie Personenverkehr innerhalb des Schengenraums nur mehr in absoluten Ausnahmesituationen eingeschränkt wird. Allerdings gebe es einige Mitgliedstaaten, die für mehr Flexibilität bei Grenzkontrollen im Schengenraum plädierten, bedauerte der luxemburgische Minister.
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