Umwelt / Französische Firma macht Möbel aus Kippen – Gemeinden und Unternehmen helfen beim Sammeln
Die Abfälle von luxemburgischen Rauchern werden in Frankreich zu Plastikmöbeln verarbeitet. Immer mehr Gemeinden und Unternehmen schließen sich dem Projekt der Firma MéGo an.
Ein letzter Zug am Glimmstängel und ein Schnippen. Eine weitere Kippe wird achtlos weggeschmissen. Mal an der Bushaltestelle, mal auf dem Parkplatz, mal im Wald. Eine Firma aus Frankreich wollte dem nicht mehr zusehen. Sie sammelt Zigarettenstummel und stellt daraus Stadtmobiliar wie etwa Parkbänke her. Hinter der Aktion steckt das Unternehmen MéGO aus dem französischen Brest. In Luxemburg vertritt die in Contern ansässige Firma Shime das Unternehmen.
„Wir sind die Einzigen in Europa, die das machen“, erklärt Shime-Direktor Stéphane Herard im Gespräch mit dem Tageblatt. Shime arbeitet in Luxemburg bereits mit mehreren Gemeinden zusammen. Pioniere waren Bettemburg, Schifflingen und Düdelingen. In diesen Kommunen wurden spezielle Aschenbecher aufgestellt, in denen die Kippen gesammelt werden, um daraus Mobiliar herzustellen. Düdelingen betrachtet die Aschenbecher gar als umweltpolitische Maßnahme und Beitrag zur nationalen „Null Offall“-Strategie.
Auch Unternehmen machen mit: „In Luxemburg arbeiten wir mit gut 30 der größten Unternehmen zusammen. Dazu zählen die Spuerkeess, die Raiffeisenbank, der Flughafen, das ,Domaine thermale‘ in Mondorf, Auchan und PwC“, berichtet Herard. „Bislang arbeiten wir vor allem mit großen Firmen zusammen. In Zukunft wollen wir auch an kleinere Unternehmen herantreten.“
Viel Aufwand
Damit aus den Zigarettenstummeln Möbel werden, wird viel Aufwand betrieben. „Die Kippen müssen eingesammelt, gelagert und nach Frankreich verschickt werden, wo sie verarbeitet werden“, sagt Herard. „Aber man muss sich vor Augen halten, was auf dem Spiel steht – und zwar die Umwelt. Eine einzelne Zigarettenkippe verunreinigt 500 Liter Wasser.“
Luxemburg pflegt bekanntermaßen ein besonderes Verhältnis zu Zigaretten. Dass man an der Autobahntanke Tabak gleich im Eimer kaufen kann, sorgt bei so manchem Touristen gleichermaßen für Staunen und Entsetzen. „In Luxemburg werden ungefähr 700 Millionen Zigaretten im Jahr geraucht. Schätzungsweise ein Drittel davon landet in der Natur. Kippen sind zahlenmäßig der am meisten verbreitete Abfall in der Natur“, erzählt Herard.
Die Zigaretten liegen nicht einfach so herum. Die Giftstoffe darin verunreinigen das Wasser. „In einer Kippe befinden sich 2.400 Substanzen, darunter: Nikotin und Blei“, sagt Herard. Und: „Die meisten dieser Stoffe sind hydrophil. Binnen einer Stunde wandert die Mehrheit von ihnen ins Wasser.“
Desaster
„Es ist schwer, sich das Ausmaß dieses Desasters vorzustellen. Aber wenn man von 700 Millionen Zigaretten ausgeht, die in Luxemburg jährlich geraucht werden, und davon ein Drittel achtlos weggeschmissen werden, dann landen jedes Jahr mehr als 200 Millionen Kippen in der Natur. Ein echtes Desaster“, so Herard.
MéGO und Shime wollen das nicht weiter hinnehmen. „Unser Kampf gilt vor allem den weggeworfenen Kippen. Wir wollen, dass die Leute ihre Zigarettenstummel nicht mehr auf den Boden werfen.“
Doch ist die Sache den Aufwand wert? „Wir haben eine Studie gemacht, die unseren Prozess mit der Verbrennung vergleicht“, erklärt Herard. „Dazu muss man wissen, dass Zigarettenabfälle heute, nachdem sie eingesammelt wurden, in die Müllverbrennung wandern. Selbst wenn man den Transport mit einbezieht, dann entstehen bei uns 58 Prozent weniger Treibhausgase.“
Sauberes Image
Das Verfahren, so wie Herard es schildert, ist denkbar einfach. „Wir reinigen die Kippen mit Wasser in einem geschlossenen System. Wenn sie gereinigt sind, werden sie erhitzt und zu Platten gepresst. Aus diesen Platten entstehen schlussendlich die Möbel. Wir benutzen das Material in seinem Ist-Zustand. Wir wollen es zeigen, so wie es ist, also ohne weiteren Plastik oder Farbstoffe. Wir zeigen so den Rauchern, was aus ihren Kippen wird, wenn sie sie in den Aschenbecher werfen anstatt in die Natur.“ Um eine Bank herzustellen, braucht man 15.000 Zigarettenkippen. „Die beste Methode, um gegen weggeworfene Kippen vorzugehen, ist, den Rauchern zu zeigen, was man damit noch machen kann.“
Aber was haben die Unternehmen davon? „Ihnen geht es um Nachhaltigkeit. Sie suchen nach pragmatischen Lösungen für einen respektvollen Umgang mit der Umwelt“, so Herard. „Heute wird immer mehr darüber gesprochen. Auch die Mitarbeiter verlangen immer öfter von den Unternehmen einen Einsatz für die Umwelt. Das hier ist eine sehr greifbare Methode, um die Natur zu schonen.“
Neben dem Umweltschutz ginge es auch um die Sauberkeit, so der Shime-Direktor. „Wenn der Boden voller Kippen liegt, wirft das kein gutes Licht auf das Unternehmen oder die Gemeinde.“ Herard nennt daneben auch den Brandschutz. „Die meisten Waldbrände werden durch weggeworfene Zigaretten ausgelöst. Aber auch Mülltonnen können leicht in Brand geraten, wenn Papier und Zigaretten darin vermischt werden. Für Gemeinden und Unternehmen gibt es also so einige Gründe, bei dem Projekt mitzumachen.“
Kein Stigma
Dem aktivistischen Unternehmen geht es nicht darum, irgendwem die Schuld in die Schuhe zu schieben. „Wir wollen die Zigarettenhersteller und die Raucher nicht stigmatisieren. Unsere Aufgabe ist es nicht, jemanden zu verurteilen, sondern eine effiziente Lösung anzubieten.“ Das französische Unternehmen und sein Partner aus Contern wollen das Verhalten der Raucher verändern.
Wie finanziert sich das Ganze? „Die Gemeinden und die Unternehmen zahlen für die Dienstleistung. Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Neben dem Aufstellen von Aschenbechern bieten wir aber auch Sensibilisierungsarbeit an. Es ist wichtig, die Bevölkerung oder die Mitarbeiter über das Vorgehen zu informieren.“
Ob schon eine Verbesserung abzusehen ist? In Luxemburg ist noch alles zu neu, um das sagen zu können, aber immer mehr Gemeinden wollen mitmachen, sagt Herard. „In Frankreich vermelden die Gemeinden einen Rückgang der Zigarettenabfälle um rund 30 Prozent. Das ist doch sehr beachtlich.“
Wertewandel
Herard sieht durchaus einen Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzieht. „Seit zirka drei Jahren entstehen überall Initiativen, um den Müll auf der Straße aufzusammeln. Junge Leute finden sich in den sozialen Netzwerken und organisieren Aufräumaktionen, weil sie es satthaben, überall Kippen rumliegen zu sehen“, meint Herard. „Die Menschen haben verstanden, dass wir den Planeten schützen müssen und dass Kippen ein Problem darstellen.“
Und was, wenn jeder zum Nichtraucher wird? „Das wären hervorragende Neuigkeiten. Wir würden uns dann einem anderen Plastik annehmen, das recycelt werden muss.“ Aber: Selbst wenn die Zahl der Raucher um 10 oder 20 Prozent schrumpft, bleiben immer noch Millionen weggeworfene Kippen.
Ich bin Nichtraucher, wie 4/5tel der Bevölkerung, die kaufen das sicher nicht.