Krieg der Satelliten / Französisches Militär unterzieht Space Defense einem Stresstest – François Bausch besucht AsterX-Übung in Toulouse
Gefahren für die Menschheit stammen längst nicht mehr nur von der Erde – sondern auch aus dem Weltall. Hier geht es allerdings nicht um eine potenzielle Gefahr durch außerirdische Lebewesen, sondern um Angriffe oder Bedrohungen auf Satelliten. Um im Notfall angemessen reagieren zu können, wurde am Freitag zum zweiten Mal die Weltraumübung AsterX durchgeführt. Luxemburgs Verteidigungsminister François Bausch war beim Stresstest in Toulouse vor Ort.
Es klingt wie Science-Fiction, doch sie ist längst zur Realität geworden: die Space Defense. Am Freitag hat die zweite jährliche Ausgabe der AsterX-Übung (wird „Asterix“ gelesen) in Toulouse stattgefunden. Hierbei handelt es sich um einen großangelegten Stresstest der von den französischen Betreibern eingesetzten Raumfahrtmittel und Systeme. Die Einheiten des „Commandement de l’espace“ (CDE) spielen dabei militärische Weltraumoperationen „in einer realistisch simulierten Umgebung“ durch, „um Daten für den künftigen Bedarf an Weltraumoperationen zu liefern“ und eine Zusammenarbeit mit ihren Partnern zu entwickeln, heißt es in den Broschüren des Events. Am letzten Tag der Übung, dem 4. März, wurde das Projekt den europäischen Verteidigungsministern vorgestellt – darunter auch François Bausch („déi gréng“).
Donnerstagabend: Die Entourage um François Bausch sowie Vertreter der Luxemburger Presse landen in Toulouse. Vor dem Flugzeug stehen drei bis vier Autos in Reih und Glied, davor immer jeweils ein Mann in Anzug, um die Ankömmlinge zu empfangen. Angeführt wird die Kolonne von Polizisten auf Motorrädern. Kaum hat die Gruppe Platz genommen, fährt die Autokolonne mit konstant aufleuchtenden Warnblinkern los in Richtung Autobahn. Der fast königliche Empfang der Franzosen hat durchaus seine Vorzüge: So sind Staus oder rote Ampeln kein nennenswertes Hindernis für die Kolonne, die in Windeseile ihr Nachtquartier erreicht.
Am Freitagmorgen machen sich die Luxemburger auf in Richtung „Cité de l’espace“, wo die AsterX-Präsentation stattfindet – dieses Mal allerdings ohne die Autokolonne. Denn: Bausch ist schon früher aufgebrochen, um einen zusätzlichen Termin wahrzunehmen. Die Luxemburger Pressevertreter werden in einem schwarzen Minivan in der Toulouser Innenstadt abgeholt. Durch enge Einbahnstraßen inmitten hoher Gebäude aus roten Ziegelsteinen geht es dann in Richtung „Cité de l’espace“. Unterwegs sind bereits einige Polizeiautos zu sehen, die an verschiedenen Kreuzungen stehen – und auch einige Angehörige des Militärs.
Eine Reise ins All
Bei der Ankunft in der „Cité de l’espace“ werden die Ankömmlinge gleich von einem Sprengstoffspürhund inspiziert – die Sicherheit des prominenten Besuchs muss schließlich gewährleistet werden. Wenn auch nicht zu sehr: Weitere Körperdurchsuchungen gibt es nämlich keine. Kurz nach der Ankunft wird die Presse allerdings von den Ministern getrennt – diese erhalten eine separate Führung.
So bleibt auch ein wenig Zeit, um die „Cité de l’espace“ zu bestaunen, denn sie wird – zumindest visuell – ihrem Namen absolut gerecht: Über das Gelände sind „spaceige“ Exponate wie eine Rakete, eine Raumkapsel oder ein Rover ausgestellt. Auch die Empfangshalle des „Commandement de l’espace“ sieht recht futuristisch aus: ein großes rundes Gebäude mit hoher schwarzer Decke und in der Mitte ein gläsernes Dach. All das erzeugt eine weltraumartige Atmosphäre, die zusätzlich durch die eher schwache Beleuchtung verstärkt wird. Unter dem gläsernen Dach der Eingangshalle befindet sich eine Art Lounge – ganz in Weiß – der Boden darunter erinnert an die steinige Mondoberfläche.
In einem kurzen Briefing erhalten die anwesenden Pressevertreter, vorwiegend aus Frankreich und Luxemburg, einige wenige Informationen über den Ablauf des Tages und zu AsterX. Die Übung wurde vergangenes Jahr erstmals vorgestellt. Dieses Jahr werden binnen sechs Tagen 16 Szenarien durchgespielt und trainiert, so etwa die Annäherung eines Fremdkörpers an einen Satelliten, der diesen beschädigen könnte, oder wie man auf ein gestörtes GPS-Signal reagiert. Die Szenarien seien an aktuelle Bedrohungen angepasst – zwar nicht spezifisch auf den erst kürzlich ausgebrochenen Krieg in der Ukraine, „aber trotzdem ähnlich“, meint ein Pressesprecher des CDE.
„Blue Cell“ und 10.000 Satelliten
Doch so beeindruckend die visuelle Aufmachung der „Cité de l’espace“ auch sein mag, das Event glänzt nicht durch seine sorgfältige Organisation. Am Eingang des Pressebereichs hängt zwar ein Zettel, der den geplanten Tagesablauf wiedergibt – sich daran halten tut aber scheinbar niemand so wirklich. Bauschs Pressesprecher meint sogar, dass die Organisatoren im Vorfeld drei unterschiedliche Tagesabläufe verschickt hätten. Wann genau ein Interview mit Luxemburgs Verteidigungsminister möglich sein wird, ist weiterhin nicht bekannt.
Nach rund drei Stunden Wartezeit wird dann endlich auch der Presse die AsterX-Übung vorgeführt. Rund 130 Menschen nehmen an der Übung teil. Sie findet in einem großen zweigeteilten Saal statt. In der sogenannten „White Cell“, die knapp ein Viertel des Saals einnimmt, wird sich um die technische Unterstützung der Übung gekümmert. In der gegenüberliegenden „Blue Cell“ findet allerdings die eigentliche „Action“ statt: Dort werden die verschiedenen Szenarien geprobt. Die „Blue Cell“ ist aufgeteilt in fünf Zonen mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenbereichen.
Das Ganze ähnelt stark den Szenen aus etlichen Hollywood-Filmen, in denen die Amerikaner wild auf die Tastatur eindreschen, um mal wieder in letzter Sekunde die Welt vor irgendwelchen tödlichen Bedrohungen zu retten – nur dass hier das Tastengeklimper weitaus weniger dramatisch aussieht.
Colonel Guillaume Bourdeloux, der Übungsleiter von AsterX, und die jeweiligen Leiter der fünf Zonen erklären der Presse während etwa 20 Minuten, was ihre Aufgabe ist. Technik- und Militärenthusiasten dürften da ganz auf ihre Kosten gekommen sein. Diejenigen, die allerdings weniger technisch versiert sind, werden wahrscheinlich nicht sonderlich viel von den Beiträgen mitgenommen haben.
Ein Gespräch mit einem Pressesprecher des CDE ist allerdings etwas ergiebiger: Auf die Frage hin, ob das CDE dazu imstande ist, feindliche Satelliten abzuschießen, entgegnet er: „Wir können nicht, und wir wollen auch nicht.“ Es gehe nicht darum, offensiv im All vorzugehen, sondern defensiv und reaktiv. Für die Simulationen werde eine Datenbank mit insgesamt 10.000 Satelliten herangezogen, um die einzelnen Szenarien durchzuspielen. Derzeit seien rund 280 Menschen im CDE beschäftigt. Bis 2025 sollen es sogar 500 Angestellte werden, so der Pressesprecher.
„Die Herausforderung ist riesig“
Unterdessen bestätigt Colonel Bourdeloux die Information, dass es am Morgen der russischen Invasion in der Ukraine, dem 24. Februar, einen Cyber-Angriff gegeben hat. Als Nebeneffekt des Angriffs setzte die Kontrolle von „mindestens 3.000“ satellitengesteuerten Windmühlen aus. Der Spiegel berichtete dazu. Den Angreifer kann oder möchte er allerdings nicht preisgeben.
Nach zwei weiteren Stunden schafft Minister Bausch es dann, ein paar Minuten für die Luxemburger Presse freizumachen. Auch er bestätigt, dass es laut der französischen Verteidigungsministerin Florence Parly „in den vergangenen Wochen eine Reihe von Bedrohungen gegeben hat, zum Beispiel, dass sich russische Satelliten ganz gezielt an französische Satelliten angenähert haben“. Zudem wolle Russland seine Abschussrampen nicht mehr zur Verfügung stellen, was den freien Zugang zum Weltraum durchaus einschränke. „Im Grunde müsste das All ja frei sein für alle. Und von daher sieht man hier ganz gut die Herausforderungen: Und das ist glaube ich der Bevölkerung und der Gesellschaft noch nicht ganz bewusst, wie wichtig es ist, dass wir alles, was den Weltraum betrifft, beschützen und weiterhin einen freien Zugriff garantieren“, sagt Bausch.
Luxemburg werde seine Space-Strategie weiter vorantreiben, so der Minister. Man wolle versuchen, „so viel wie möglich in der Armee zu machen“, aber auch im zivilen Bereich, etwa über eine Kooperation mit der Uni Luxemburg, sagte Bausch. Dafür müssten weitere qualifizierte Menschen eingestellt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es sei wichtig, dass Europa seine „Kräfte bündelt“, besonders im Weltraum-Bereich. „Die Herausforderung ist riesig und das kann niemand alleine stemmen“, meint Bausch.
Zur Erinnerung: Die Luxemburger „Défense“ besitzt derzeit einen Militärsatelliten, GovSat-1, der sichere Kommunikation für zivile und militärische Nutzung anbietet. Ein weiterer Satellit, mit dem Namen LUXEOSys, ist in Planung. Zudem verfügt Luxemburg über eine Cyber- und eine Space-Abteilung. Vier Mitarbeiter werden von der „Défense“ in der Cyber- und sieben in der Space-Abteilung beschäftigt. Bei der Luxemburger Armee sind es jeweils sechs in der Cyber- und drei in der Space-Abteilung.
Keine beabsichtigte Machtdemonstration – oder etwa doch?
Das Event endet mit einer gemeinsamen Pressekonferenz der Verteidigungsminister aus Frankreich, Luxemburg und Portugal, Florence Parly, François Bausch und João Gomes Cravinho, sowie dem Europäischen Kommissar des Binnenmarkts, Thierry Breton. Parly sagt: „Diese Übung ist notwendig, um unsere Verteidigung zu gewährleisten.“ Russland habe im vergangenen November den Orbit mit Tausenden Schrottteilen verschmutzt, indem es einen seiner eigenen Satelliten abgeschossen habe. Die dadurch herumschwebenden Teilchen könnten die noch intakten Satelliten schwer beschädigen oder sogar unbrauchbar machen, so Parly. AsterX sei unter anderem darauf ausgelegt, auf derartige Gefahren zu reagieren.
Die Redner betonen, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit sei, um weiterhin einen freien Zugang zum Weltall garantieren zu können und um die defensive Strategie weiter voranzutreiben. Auf die Frage hin, ob AsterX nicht eigentlich eine Art Machtdemonstration sei, etwa gegenüber den Russen, meint Parly: „Das war nicht unsere Absicht.“ Aber dennoch könnte jedermann die Effizienz des Programms verfolgen.
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Zuerst müssen wir mit dem Astérix aus Moskau eins werden.